Verordnung zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet

Stellungnahme vom 30.08.2018

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV).

Aus unserer Sicht könnte die derzeitige Fassung des Referentenentwurfs unpraktikabel sein. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 3 InsoBekV-E sollte daher geändert werden, um eine praktikable Handhabung der Norm zu gewährleisten

 

1. Von Art. 27 Abs. 3 EuInsVO eingeräumter Spielraum

2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InsoBekV-E sieht bei Insolvenzverfahren, in denen der Schuldner eine natürliche Person ist, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat, die Angabe zusätzlicher Suchkriterien vor. Die Regelung beruht auf Art. 27 Abs. 3 EuInsVO. Danach können die Mitgliedstaaten den Zugang zu Pflichtinformationen bezüglich natürlicher Personen, die keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, sowie bezüglich natürlicher Personen, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, sofern sich das Insolvenzverfahren nicht auf diese Tätigkeit bezieht, von zusätzlichen Suchkriterien abhängig machen.

Auffällig ist, dass die Normen hinsichtlich der Tätigkeit unterschiedliche Tempi benutzen; während Art. 27 Abs. 3 EuInsVO von „ausüben“ spricht, ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InsoBekV-E von „ausübt oder ausgeübt hat“ die Rede. Das bedeutet aber nicht, dass der Referentenentwurf über Art. 27 Abs. 3 EuInsVO hinausgeht, er bleibt vielmehr dahinter zurück.

  • 27 Abs. 3 EuInsVO erlaubt im Grundsatz zusätzliche Suchkriterien bei natürlichen Personen. Ausnahme: Die natürliche Person übt eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit aus und das Insolvenzverfahren bezieht sich auf diese Tätigkeit. In diesem Fall sind keine zusätzlichen Suchkriterien zulässig.
  • Auch § 2 Abs. 1 Nr. 3 InsoBekV-E sieht im Grundsatz zusätzliche Suchkriterien bei natürlichen Personen vor. Eine Ausnahme ist auch hier, dass die natürliche Person eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit (worunter gewerbliche und freiberufliche Tätigkeiten fallen) ausübt. Zusätzliche Ausnahme ist, dass die natürliche Person eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit „ausgeübt hat“. Damit dürfen auch dann keine zusätzlichen Suchkriterien verlangt werden, wenn der Schuldner irgendwann einmal in seinem Leben eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat.

 

2. Mögliche praktische Schwierigkeiten der derzeitigen Entwurfsfassung

Das kann zu praktischen Schwierigkeiten führen. Wenn beispielsweise Schuldner S vor dreißig Jahren im Rahmen seines Studiums als freiberuflicher Übersetzer tätig war, dürfen nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 InsoBekV-E keine zusätzlichen Suchkriterien verlangt werden. Ob hingegen ein Schuldner im Zeitpunkt der Antragstellung eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt – wie es Art. 27 Abs. 3 EuInsVO vorsieht –, dürfte praktisch einfacher festzustellen sein.

 

3. Unterschiedliche Anwendungsbereiche der eingeschränkten Durchsuchbarkeit nach InsoBekV-E und Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO

 Die Formulierung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InsoBekV-E („ausgeübt oder ausgeübt hat“) ist § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO entnommen. Insofern könnte es sich um eine Vereinfachung für die Praxis handeln, da die Norm zur Bekanntmachung an eine Verfahrensart des deutschen Insolvenzrechts anknüpft. Das ist aber nicht der Fall. Denn ein Verbraucherinsolvenzverfahren liegt nach § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO auch dann vor, wenn der Schuldner eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, aber die Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen den Schuldner keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Für beide Verfahrensarten i. S. d. § 304 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 InsO gelten dieselben Vorschriften, sie erhalten auch dasselbe gerichtliche Aktenzeichen „IK“.

 

4. Denkbare Lösungsmöglichkeiten

Damit kommt man zu folgendem Befund: Einerseits nutzt der Entwurf den unionsrechtlichen Spielraum nicht aus, indem er auf den Wortlaut der deutschen Norm des § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO zurückgreift. Andererseits werden hierdurch nicht alle Verfahrensarten erfasst, für die in Deutschland dieselben Regelungen gelten und die unter einem einheitlichen Aktenzeichen geführt werden.

Diese Lösung erscheint nicht praktikabel. Das lässt sich auf unterschiedlichen Wegen vermeiden:

  • Man könnte auf zusätzliche Suchkriterien generell verzichten. Art. 27 Abs. 3 EuInsVO überlässt dies den Mitgliedstaaten. Damit würden natürliche Personen genauso behandelt wie juristische Personen.

In diesem Fall müsste in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 am Ende das Komma durch einen Punkt ersetzt werden, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und Abs. 2 müssten gestrichen werden.

  • Man könnte den Spielraum des Art. 27 Abs. 3 EuInsVO vollständig ausnutzen. In diesem Fall würde man zusätzliche Suchkriterien bei sämtlichen natürlichen Personen verlangen, die im Zeitpunkt der Antragstellung keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.

In diesem Fall müssten in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in dem Satzteil vor Buchstabe a dem Wort „spätestens“ die Wörter „der Insolvenzverfahren, in denen der Schuldner eine natürliche Person ist, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt“ vorangestellt werden.

  • Man könnte für sämtliche „IK-Verfahren“ (nach Ablauf von zwei Wochen) zusätzliche Suchkriterien verlangen. Das ist auch von der Öffnungsklausel in Art. 27 Abs. 3 EuInsVO gedeckt. Denn auch wenn sämtliche IK-Verfahren erfasst wären, ginge damit keine Einschränkung der Durchsuchbarkeit von Insolvenzverfahren einher, in denen ein Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt. Es würde sich damit um ein Minus zu Art. 27 Abs. 3 EuInsVO und damit zur genannten zweiten Variante handeln.

In diesem Fall müssten in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in dem Satzteil vor Buchstabe a dem Wort „spätestens“ die Wörter „der Verbraucherinsolvenzverfahren“ vorangestellt werden.

 

5. Rechtspolitische Abwägungsentscheidung

 Im Sinne einer möglichst einfachen Handhabung für die betroffenen Gerichte halten wir die erste und die dritte Variante für vorzugswürdig. Bei der ersten Variante werden alle Verfahren gleich behandelt, bei der dritten Variante kann die Veröffentlichung schlicht an das gerichtliche Aktenzeichen angeknüpft werden.

Damit ist letztlich eine (rechts)politische Entscheidung zu treffen, ob die Durchsuchbarkeit für natürliche Personen eingeschränkt werden soll oder nicht, ob also die Öffnungsklausel des Art. 7 Abs. 3 EuInsVO überhaupt genutzt wird. Der Gläubiger- und Verkehrsschutz spricht dafür, die Durchsuchbarkeit nicht einzuschränken. Dies ist gegen den Persönlichkeitsschutz des Schuldners – in diesen Fällen eine natürliche Person – abzuwägen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die abrufbaren Informationen nach Ablauf der Löschungsfristen gem. § 3 InsoBekV ohnedies gelöscht werden müssen.

 

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