Entwurf einer Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 09.04.2014, COM(2014) 212 final

Stellungnahme vom 30.04.2014

Der Deutsche Notarverein ist der Zusammenschluss der Vereine des hauptberuflichen Notariats in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind im Transparenz-Register der Europäischen Kommission unter der Nummer 4214197228-35 registriert. Als Verband nehmen wir die Gelegenheit wahr, zum Entwurf Stellung zu nehmen.

 

I. Anlass

Das Recht der Einmann-Kapitalgesellschaft ist zuletzt mit der Richtlinie  2009/102/EG vom 16.09.2009, ABl. L 258 vom 01.10.2009, S. 20 (nochmals) kodifiziert worden. Gegenstand dieser Richtlinie ist die Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nur einen Gesellschafter haben. Die Harmonisierung betrifft vor allem die Transparenz der Anteilsinhaberschaft und der Gesellschafterbeschlüsse. Da es sich nur um eine Neubekanntmachung der bisherigen Regelungsakte handelte, sieht diese Richtlinie keine Umsetzungsfrist vor.

Bereits im Sommer 2013 leitete die Kommission eine Konsultation ein, um festzustellen, ob weitere legislative Maßnahmen für Kapitalgesellschaften mit nur einem Gesellschafter notwendig sind. Anlass war die genannte Richtlinie. Die Konsultation war jedoch nur Mittel zum Zweck. Das erkennt man schon daran, dass sie sich entgegen der Erwartungen der zur Teilnahme aufgerufenen Kreise nicht mit der Implementierung und eventuellen Regelungslücken der genannten Richtlinie befasste. Vielmehr verfolgte die Kommission auch nach dem Scheitern ihres Vorhabens zur Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE) dieses Ziel beharrlich weiter, diesmal mit dem Etikett einer Europäischen Einmann-Kapitalgesellschaft.

Mit tendenziösen Suggestivfragen versuchte die Kommission hierbei, folgende Prämissen undiskutiert durchzusetzen:

(1)    Gesellschaften sollen online gegründet werden können;

(2)    Satzungs- und Verwaltungssitz sollen frei wählbar sein;

(3)    Gesellschaftsverträge sollen auf der Basis von Mustersatzungen gestaltet werden;

(4)    das bisherige System des Kapitalschutzes soll durch einen fallbezogenen Bilanz- bzw. Solvenztest ersetzt werden.

Damit orientiert sich die Kommission primär an der anglo-amerikanischen Rechtstradition und damit an einem von insgesamt 28 Mitgliedstaaten, der zudem in absehbarer Zeit seinen Verbleib in der Gemeinschaft zum Gegenstand einer Volksabstimmung mit ungewissem Ausgang machen wird. Schon das ist politisch ungewöhnlich.

Es sollte klar sein, dass man belastbare Aussagen über die Interessen der betroffenen Verkehrskreise nur gewinnen kann, wenn sich entsprechende Konsultationen an den anerkannten wissenschaftlichen Methoden der empirischen Sozialforschung orientieren. Unterlässt man dies, sind die Aussagen solcher „Studien“ ungefähr so ernst zu nehmen, als würde man fragen, ob der Befragte die Europäische Kommission nicht auch für personell weit überbesetzt hält. Die Gefahr solcher Untersuchungen liegt somit vor allem darin, dass sie ihren Urheber letztlich nur in seinen Vorurteilen bestärken.

Nunmehr legt die Kommission den Entwurf vor, der seit einiger Zeit in einem englischsprachigen Vorentwurf unter einer Dokumentnummer aus dem Jahr 2013 verfügbar war. Da die Konsultation während der Sommerpause 2013 abgeschlossen wurde und deren Auswertung an sich auch etwas Zeit benötigte, lässt dies den Schluss zu, dass der Vorschlag zumindest parallel zur Konsultation erarbeitet wurde. Kurz gesagt: Es kam auf die Ergebnisse der Konsultation gar nicht an. Auch das spricht für die These einer bereits bestehenden ideologischen Festlegung.

Auch der Aufbau des jetzigen Entwurfs legt eine solche Annahme nahe: In Art. 1 bis 5 werden zum einen die Inhalte der Richtlinie 2009/102/EG abgeschrieben.

Jedoch wird der bisherige Art. 2 der Richtlinie 2009/102/EG nicht übernommen.[1] Im Ergebnis beinhaltet das einen gravierenden Rückschritt auf dem Gebiet der Harmonisierung der Gesellschaftsrechtssysteme der Mitgliedstaaten. Bisher forderte Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2009/102/EG (und das seit der 12. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 89/667/EWG) die Zulässigkeit einer Einmann-GmbH (bzw. der entsprechenden Rechtsform anderer Mitgliedstaaten). Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2009/102/EG erlaubte allerdings „besondere Bestimmungen und Sanktionen“ für diese Gesellschaften, und zwar bis zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Konzernrechts.

Seit Jahren ist unverständlich, warum Einmann-Kapitalgesellschaften um ihres bloßen Daseins willen eine Sanktion im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 2009/102/EG verdient haben sollen. Zudem war gerade die Beseitigung von Haftungsdurchgriffen auf den Gesellschafter einer Einmann-GmbH stets ein Desiderat des europäischen Gesellschaftsrechts.[2]

Mit Aufgabe dieses Art. 2 der RL 2009/102/EG lädt der jetzt vorliegende Entwurf die Mitgliedstaaten dazu ein, die nationale Einmann-GmbH ganz zu verbieten. Hier fragt man sich allerdings, wozu der Prozess der europäischen Einigung eigentlich dienen soll.

Zu erwarten wäre, dass die Kommission in ihrem Entwurf Einmann-Kapitalgesellschaften den Mehrpersonengesellschaften völlig gleichstellt (Diskriminierungsverbot) und demgemäß Art. 3 der Richtlinie 2009/102/EG auf alle Gesellschaften im Sinne von Anhang 1 dieser Richtlinie erstreckt.

Das geschieht jedoch nicht. Während die nationale Einmann-Kapitalgesellschaft „zum Abschuss freigegeben wird“, wird durch den Entwurf eine „Monopol-Einmann-Gesellschaft“ in Gestalt der SUP geschaffen. Diese ist in den Art. 6 bis 25 des Entwurfs geregelt. Art. 26 bis 33 des Entwurfs enthalten die Schlussvorschriften.

Sowohl diese Gewichtung als auch die Diskriminierung der bisherigen nationalen Einmann-Gesellschaften zeigt, dass es gar nicht um eine Überarbeitung des bestehenden Rechts und somit um eine Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten geht. Vielmehr soll eine neue Gesellschaftsform eingeführt werden, die durch den vorsätzlichen Aufruf zur Diskriminierung der bestehenden nationalen Rechtsform „verkaufsfähig“ gemacht wird. Alle bisherigen Konzerntöchter unterstehen damit dem Damoklesschwert der Rechtsunsicherheit in den Mitgliedstaaten, mit dem Ziel, sie zur Umwandlung in die neue SUP zu zwingen.

 

II. Regelungstechnik

Die Kommission verlangt von den Mitgliedstaaten, eine SUP gesetzlich zuzulassen (Art. 6 des Entwurfs). Für diese soll nach Art. 7 Abs. 4 des Entwurfs subsidiär das nationale Recht des Mitgliedstaats ihres Satzungssitzes maßgeblich sein.

Das erinnert zwar an die SE, vgl. Art. 5 und Art. 9 der VO Nr. 2157/2001 (SE-VO). Jedoch unterscheidet sich die Verweisung auf nationales Recht im Entwurf in einem Punkt wesentlich von der Verweisung auf das nationale Aktienrecht nach der SE-VO. Dort wird die SE einfach subsidiär dem Aktienrecht ihres Sitzstaats unterstellt. Anders ist es hier. Durch die andere Art der Verweisung im Entwurf wird nämlich das gesamte Zivil- und Gesellschaftsrecht des Mitgliedstaats, auf das verwiesen wird, der Prüfung durch das europäische Recht anhand der Grundfreiheiten unterworfen. Bislang war es – vorbehaltlich einer europarechtlichen Spezialregelung – Sache des Mitgliedstaats, wie er sein nationales Gesellschaftsrecht ausgestaltet. Nunmehr sind mit Blick auf die SUP sämtliche in Bezug genommenen Regelungen des nationalen Zivil- und Gesellschaftsrechts europarechtlich am Maßstab der Gebhard-Formel[3] zu messen.

Dies betrifft etwa

(1)    Firmenbildung,

(2)    Kapitalaufbringung und Erhaltung,

(3)    Insolvenzantragspflichten,

(4)    Form- und Prüfungserfordernisse rund um die Handelsregistereintragung.

Damit verlässt die Kommission die Vorgaben, die der EuGH in der Rechtssache VALE[4] für die grenzüberschreitende Sitzverlegung in Form des grenzüberschreitenden Formwechsels aufgestellt hat. Wenn der EuGH ausdrücklich verlangt, im Aufnahmestaat die Regelungen für den Formwechsel vergleichbarer inländischer Rechtsformen anzuwenden, dann ist nach dessen Auffassung nur eine ausländische Rechtsformen spezifisch diskriminierende Regelung unzulässig. Mit der Meinung der Kommission kann eine SUP sämtliche nationalen Regelungen einer Erforderlichkeitsprüfung zuführen. Die SUP ist mithin ein Trojanisches Pferd für das nationale Gesellschaftsrecht. Diese Rechtsunsicherheit für alle nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist nicht hinnehmbar.

 

III. Bewertung der SUP

Die Funktionsweise und der Nutzen der neuen Rechtsform lassen sich am besten anhand eines Fallbeispiels erläutern:

Fall:

Nach dem Abbruch seiner Ausbildung hat sich Felix K. als Anlageberater versucht, ist jedoch wegen Betrugs und Veruntreuung ihm anvertrauter Gelder rechtskräftig verurteilt. Geld hat er keines, dafür aber zum einen viele Ideen, wie er ohne Arbeit an das Geld anderer kommen kann, zum anderen den festen Willen, keine Rechnung mehr zu bezahlen.

Nunmehr tritt eine Gruppe von Waffen- und Drogenhändlern aus dem Nichtmitgliedstaat Lavinia an ihn heran und bietet ihm den Posten des Vorstands der zu gründenden White Money Banking Corporation (WMBC) an. Ihr Satzungssitz soll in der EU sein, ihr Verwaltungssitz eine einschlägig bekannte Insel vor der Küste der Normandie. Die Geschäfte selbst, Bankgeschäfte aller Art, werden von einem weltbekannten Finanzzentrum in einem anderen Mitgliedstaat gelenkt. Felix K. soll den einzigen Anteil an der WMBC als Strohmann für die Investorengruppe aus Lavinia halten. Felix K. will zur Sicherheit die Gesellschaft nicht unter seinem Namen gründen. Die Gesellschaft soll eine seriös klingende Kapitalziffer haben, ohne dass etwas einbezahlt werden muss.

Felix K. überlegt, welche Rechtsform für diese Gesellschaft die beste ist.

1.      Limited (England/Zypern)

Durch eine britische oder zypriotische Limited ließen sich die Ziele weitgehend, aber nicht zu 100 % verwirklichen. Da bei Eintragungen in das Handelsregister keine Identitätsprüfung vorgenommen wird, ist Felix K. vor bösen Gläubigern oder Anlegeranwälten weitgehend geschützt. Die ständigen Handelsregisterfälschungen und Identitätsdiebstähle beim britischen Companies House zeigen, wie leicht das möglich ist.[5]

Die gewünschte hochtrabende Firmierung ist zulässig, da es keinen den Verkehr schützenden § 18 HGB gibt.

Allein, auch nach englischem Recht[6] dürfte Felix K. nicht director einer Limited sein. Zudem bereitet die Regierung Ihrer Majestät derzeit gesetzliche Regelungen vor, um die Gesellschafter einer Limited zur Offenlegung der Beteiligungs- und auch der Treuhandverhältnisse zu zwingen. Im Ergebnis erhält die zypriotische Limited daher die Note 3, die britische Limited die Note 4.

 

2.      Deutsche GmbH

Eine deutsche GmbH scheidet für Felix K. von vornherein aus. Für die Gründung muss er zum Notar, der eine Identitätsprüfung vornimmt. Für die Kommission scheint es eines der Haupthemmnisse auf dem Weg ins marktliberale Elysium zu sein, wenn man bei Unternehmensgründungen seinen Ausweis vorzeigen muss. Für die Eröffnung eines Bankkontos gelten allerdings ganz andere Regeln.

Unangenehm ist die Identitätsprüfung auch für die Hintermänner aus Lavinia, denn Treuhandverträge müssen unter Umständen notariell beurkundet werden.[7] Der deutsche Notar legt sie dann auch dem für die GmbH zuständigen Finanzamt vor (§ 54 EStDV). Die Umgehung dieser Vorschriften über eine Auslandsbeurkundung ist zwar grundsätzlich möglich. Zum einen aber sind deren Transaktionskosten erheblich, da die erforderlichen Unterlagen dann durch andere Berater erstellt werden müssen. Zum anderen wird die Intransparenz vom deutschen GmbH-Recht indirekt über den gutgläubigen Erwerb vom in der abrufbaren Gesellschafterliste eingetragenen Berechtigten sanktioniert, § 16 Abs. 3 GmbHG.

Auch in Deutschland kann Felix K. wegen seines Vorstrafenregisters nicht Geschäftsführer werden, § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG. Dies gilt auch für später bestellte Geschäftsführer, § 39 Abs. 3 GmbHG.

Eine „WMBC GmbH“ würde zudem in Deutschland gar nicht eingetragen. Als Ausnahme von § 7 HGB ist hierzu nämlich die Erlaubnis zur Führung von Bankgeschäften vorzulegen, § 43 Abs. 1 KWG. Den „Bankführerschein“ wird Felix K. mit seiner Biographie nicht bekommen. Die Firmierung verstößt gegen § 43 Abs. 2 i. V. m. § 39 KWG. Darüber hinaus wird der Rechtsverkehr vor irreführenden Firmierungen geschützt, § 18 HGB.

Zudem müssen bei einer GmbH Satzungs- und Verwaltungssitz in Deutschland liegen, §§ 4a, 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG. Eine ladungsfähige Anschrift, noch dazu in Deutschland, ist ein erhebliches Hemmnis, wenn man plant, keine Rechnung mehr zu bezahlen.

Schließlich hat die deutsche GmbH ein gesetzliches Mindeststammkapital, dessen Einzahlung nachgewiesen werden muss. Die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft bringt hier zwar Erleichterungen, aber um dem Preis des § 5a Abs. 2 und 3 GmbHG. Für eine Vollbanklizenz sind übrigens sogar 5 Mio. Euro notwendig.

Die deutsche GmbH scheidet für Felix K. damit als kriminelles Vehikel erst recht aus – sie erhält als Note eine glatte „6“.

 

3.      SUP

Doch nun naht Rettung in Gestalt der SUP. Mit der SUP kann selbst Felix K. endlich einmal Bankier werden. Sie bietet Felix K. und seinen Hintermännern genau das, was sie brauchen, um ungestört ihren mehr oder minder dunklen Geschäften nachgehen zu können.

a)     Angaben zu Gründern/Treuhändern

Die Identitätsprüfung bei der Gründung entfällt komplett, dank der zwingend ermöglichten online-Gründung (Art. 14 Abs. 3 des Entwurfs). Damit entfällt nicht nur die Prüfung, ob der Gründer überhaupt existiert. Ob die Angaben zu seiner Identität stimmen, die er bei der Eintragung nach Art. 13 Abs. 1 lit. d) des Entwurfs zu machen hat, wird ebenfalls nicht überprüft. Der Gründer kann mit einer gestohlenen Identität auftreten oder einfach nur als „Max Mustermann“, „Donald Duck“ oder „Batman“. Online prüft das keiner mehr. Mit der kommenden Signaturverordnung bekommt man dank der auf niedrigstes Niveau heruntergezoomten Technologie die falsche Identität auch noch mit digitalem Gütesiegel.[8]

Angaben zur Person muss im Übrigen auch nur der Gründer machen, nicht etwa der spätere Erwerber der Anteile (Umkehrschluss aus der Vertreterklausel in Art. 15 Abs. 3 Satz 5 des Entwurfs). Zwar müsste man auch Treugeber namhaft machen, Art. 13 Abs. 1 lit. d) des Entwurfs. Nur: Geschieht das nicht, hat das keinerlei Folgen. Warum also sollte Felix K. seine Hintermänner nennen?

Dieser Verzicht auf jegliche Prüfung hebelt die Vorgaben von Art. 11 der Richtlinie 2009/101/EG (Publizitätsrichtlinie) aus. Auch damit wird ein wichtiges Stück des acquis communitaire preisgegeben.

b)     Firma der SUP

Für die Firmierung entfallen die lästigen deutschen Schutzvorschriften. Maßgeblich ist nur Art. 7 Abs. 3 des Entwurfs. Zwar ist grundsätzlich hierfür das nationale Recht maßgeblich, Art. 7 Abs. 4 des Entwurfs. Jedoch steht, wie oben II. ausgeführt, dieses nationale Recht unter dem Vorbehalt der Europarechtskonformität. Ob Schutzvorschriften wie §§ 18 HGB, 43 Abs. 2, 39-42 KWG überhaupt verhältnismäßig im Sinne der Gebhard-Formel des EuGH[9] sind, bleibt offen.

c)      Satzungs- und Verwaltungssitz

Ohnedies steht dem Gründer nach dem Entwurf frei, den Satzungssitz danach zu wählen, wo es Neppern, Schleppern und Bauernfängern am einfachsten gemacht wird. Der Verwaltungssitz kann dann dorthin gelegt werden, wo man geschäftlich tätig werden möchte. Von den Schutzvorschriften des dortigen Rechts ist man dann ausgenommen.

Auch das ist ein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit, wie ihn z. B. der EuGH in der Rechtssache VALE ausdrücklich unterbindet, indem er sowohl das Recht der grenzüberschreitenden Verschmelzung (im Wegzugsstaat) als auch (im Aufnahmestaat) das dortige Recht des Formwechsels anwendet.[10] Zudem verlangt der EuGH mit der „Ansiedlung und der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“[11] im Aufnahmestaat erheblich mehr als die Kommission (siehe Art. 13 Abs. 1 lit b) des Entwurfs). Stattdessen findet sich in Art. 10 des Entwurfs und unter bewusster Missachtung der Rechtsprechung des EuGH wieder einmal die freie Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz. Durch ständige Wiederholung wird dies allerdings nicht richtiger. Welchen Nutzen diese freie Trennung für den Binnenmarkt haben soll, hat die Kommission bislang nicht belegt.

Im Ergebnis heißt das: Jede Trickserei ist zulässig, solange nur der Rechtsformzusatz „SUP“ beigefügt wird. Gerade für die Anforderungen des grauen Kapitalmarkts an einen hohen Grad von „Schein-Seriosität“ der verwendeten Vehikel ist das der ideale Regelungsrahmen.

d)     Bankaufsichtliche Genehmigung

Eine Genehmigung zur Vornahme von Bankgeschäften darf seitens des Handelsregisters nicht verlangt werden, Art. 14 Abs. 6 des Entwurfs. Damit ist § 43 Abs. 1 KWG ausgehebelt.

e)     Vorbestrafte Geschäftsführer

Es gibt de facto auch keine Handhabe, rechtskräftig verurteilte Straftäter von der Übernahme der Geschäftsführung einer SUP auszuschließen. Zwar müssen bei der Eintragung der SUP hierzu Angaben gemacht werden, Art. 13 Abs. 1 lit. e) i. V. m. Art. 22 Abs. 7 des Entwurfs. Auch diese Vorschriften stehen aber unter europarechtlichem Prüfungsvorbehalt (siehe oben II.). Wird zudem der Geschäftsführer unter falscher Identität angemeldet, spielt das ohnedies keine Rolle mehr. Außerdem gilt auch diese Restriktion nur für den ersten Geschäftsführer bei Eintragung der SUP. Was bei einem Geschäftsführerwechsel gilt, ist nicht geregelt. Nach dem Grundsatz, wonach Eingriffe in Freiheit und Eigentum nur aufgrund eines Gesetzes zulässig sind, wird man Felix K. nicht verwehren können, kurz nach der Gründung den eingetragenen unbescholtenen Strohmann abzuberufen und selbst Geschäftsführer zu werden. Da mangels gesetzlicher Pflicht dieser Wechsel gar nicht eingetragen werden muss, muss sich Felix K. auch gar nicht den Unbilden des Rechtsverkehrs aussetzen, sondern kann aus der Deckung heraus agieren.

f)       Kapitalschutz

Ein Mindestkapital ist ebenfalls nicht vorgeschrieben. Sacheinlagen sind zulässig, Art. 17 Abs. 2 des Entwurfs. Ob das nationale Recht deren Bewertung verlangen kann oder im Sinne der Gebhard-Formel nicht bloße Haftungssanktionen reichen, steht auf dem Prüfstand des Europarechts (siehe oben II.).

Auch der Formwechsel einer eingetragenen Gesellschaft in eine SUP (Art. 9 des Entwurfs) ist dank fehlender Kapitalschutzvorschriften (vgl. etwa §§ 220, 243, 245, 247 UmwG) ein eleganter Weg, durch die bloße Behauptung des Vorhandenseins entsprechender Werte ein zu niedriges statuarisches Kapital auf ein seriös aussehendes Niveau zu heben. Man bewertet einfach stille Reserven in einer speziellen Umwandlungsbilanz höher oder nutzt die Manipulationsmöglichkeiten des angelsächsischen Bilanzrechts exzessiv (z. B. Wertaufholung infolge bargain purchase, Ansatz immaterieller Wirtschaftsgüter oder angeblichen Entwicklungsaufwands).

Ob hier eine Differenzhaftung der Gesellschafter greift, ist wieder eine Frage des nationalen Rechts auf dem Prüfstand der Gebhard-Formel (oben II.). Die Beweislastumkehr, die Art. 18 Abs. 5 des Entwurfs zu Lasten des Insolvenzverwalters einer SUP hier vorgibt, spricht nicht dafür, dass das nationale Recht europarechtlich Bestand haben wird, das dem Inferenten den Beweis für die Werthaltigkeit der Sacheinlage auferlegt, wenn er diese nicht dem Registergericht offengelegt hat. Auch aus Art. 19 des Entwurfs lässt sich eher ein Umkehrschluss ziehen. So käme Felix K. ohne großen finanziellen Aufwand und letztlich sanktionslos auf die für die Banklizenz erforderliche Kapitalziffer.

Ausschüttungen (oder Kapitalherabsetzungen, Art. 20 des Entwurfs) sind nicht nur auf Gewinne beschränkt, sondern immer zulässig, wenn ein Bilanztest dies zulässt (Art. 18 des Entwurfs). Die SUP ist damit ein ideales Vehikel zur Verteilung von Einnahmen aus Schneeballsystemen. Eine Pflicht zur Rücklagenbildung darf nicht vorgesehen werden, Art. 16 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfs. Eine Rückforderung von Ausschüttungen, etwa durch den Insolvenzverwalter, ist nach Art. 19 Abs. 5 des Entwurfs nur zulässig, wenn dieser beweist, dass der Gesellschafter wusste oder hätte wissen müssen, dass die Verteilung nicht zulässig war. Diese Beweislastverteilung stellt unser nationales Recht auf den Kopf.

g)     Delegation der Vertretungsbefugnis

Die Vertretung kann nach Art. 24 des Entwurfs bis auf die Insolvenzantragspflicht (Abs. 4) flexibel und völlig intransparent auf Dritte delegiert werden. Damit muss ein unter falschem Namen eingetragener Geschäftsführer gar nicht mehr nach außen in Erscheinung treten. Die handelnden Vertreter können ein Strafregister von beliebiger Länge haben. Man kann vor allem so den Rechtsverkehr im Unklaren darüber lassen, mit wem eigentlich ein Vertrag zustande gekommen ist. Auch das ist für die Zwecke von Felix K. ideal.

h)     Bedeutung der Satzung

Nur im Rahmen des Art. 24 des Entwurfs spielt für Felix K. die Satzung der SUP überhaupt eine Rolle. Denn die Delegation der Vertretungsbefugnis muss nach Art. 24 Abs. 4 des Entwurfs in dieser geregelt sein, wobei letztlich eine allgemein gefasste Ermächtigung an die Geschäftsführer zur Weiterdelegation ihrer Befugnisse ausreicht.

Ansonsten ist eine ausgefeilte Satzung bei einer SUP überflüssig. Ohnedies fällt ihr Mindestinhalt bereits unter Art. 13 Abs. 1 lit. a), b), c), f) und g) des Entwurfs. Damit wäre eine Satzung neben der Gründungsurkunde sogar ganz verzichtbar. Art. 13 Abs. 1 lit. g) ist zudem redundant, denn wegen Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs hat der ausgegebene einzige Anteil immer einen Nominalwert in Höhe des Stammkapitals.

Warum sind dann nach den Vorstellungen der Kommission bei einer Einmann-Gesellschaft unbedingt noch Mustersatzungen erforderlich (Art. 11 Abs. 2 des Entwurfs)? Vermutlich handelt es sich um eine Folge methodischer Pfadabhängigkeit, weil ja auch die englische Einmann-Ltd. eine Satzung nach Table A zum Companies Act 2006 hat.

Auch wenn die SUP nur durch eine natürliche oder juristische Person gegründet werden kann (Art. 8 des Entwurfs), kann sie zur Mehrpersonengesellschaft werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass ihr einziger Anteil zwar nicht nach der deutschen, wohl aber nach der englischen Sprachfassung geteilt werden kann. Im englischen Text lautet Art. 15 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs nämlich: „This single share shall not be split“. Das entspricht dem Entwurfsstand aus dem Jahr 2013. Im Deutschen wäre dies zu übersetzen mit: „Dieser Anteil soll nicht geteilt werden“. Das heißt: bei wichtigen Gründen kann der Anteil geteilt werden. Denn „soll“ bzw. „shall“ bedeutet: Ausnahmen sind möglich. Der korrekte englische Terminus für ein Verbot würde nicht „shall not“ sondern „may not“ oder „must not“ lauten.[12]

Gegen das Vorliegen eines Übersetzungsfehlers spricht, dass es sich um elementare Grundlagen englischer Rechtssprache handelt, die auch in Brüssel bekannt sein sollten. Unterstellt, die Abweichung in den Sprachfassungen ist beabsichtigt, dann muss man dem Entwurf nicht nur in diesem Punkt (vgl. oben II.) eine bemerkenswerte perfide Eleganz zugestehen. Auch aus Art. 15 Abs. 3 des Entwurfs ergibt sich, dass der einheitliche Anteil jedenfalls auch einer Personenmehrheit zustehen kann. Dies ist nicht auf die Erbengemeinschaft oder eheliche Gütergemeinschaft beschränkt.

i)       Sanktionslosigkeit von Verstößen

Art. 25 des Entwurfs sieht vor, dass eine SUP, die nicht mehr den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, in eine nationale Rechtsform umzuwandeln oder aufzulösen ist. Offen bleiben folgende Fragen: Bis wann muss man handeln, wer kontrolliert das und welche Sanktionen sind vorgesehen? Wie lässt sich die Tatsache einer Einmann-Gesellschaft nachprüfen, wenn es kein verlässliches und zugängliches Register der Gesellschafter gibt? An diesen bewussten Regelungslücken zeigt sich, dass es der Kommission gar nicht um die Einmann-Kapitalgesellschaft geht, sondern um die SPE durch die Hintertür.

j)       Unternehmensmitbestimmung

Von den Fragen der Unternehmensmitbestimmung soll hier gar nicht erst die Rede sein. Die Belange von Arbeitnehmern werden schlicht negiert.

k)      Fazit

Im Ranking der Rechtsformen für sein Vorhaben wird Felix K. der SUP eine glatte „1“ geben. Sie befriedigt als einzige perfekt die Bedürfnisse seiner Hintermänner. Sie leistet somit einen substantiellen Beitrag zur Erzielung von Wachstum, Wohlstand und zum Zusammenwachsen Europas zu einem multikriminellen Binnenmarkt. Mit der SUP sichert die Kommission ihren Bediensteten im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche und anderer Formen der Kriminalität auf Dauer kontinuierliche Beschäftigung. Auch das schafft Arbeitsplätze und steigert das Bruttosozialprodukt.

 

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Fußnoten:

[1] Anders noch der englischsprachige Vorentwurf aus dem Jahr 2013.
[2] So dezidiert Lutter, Mißglückte Rechtsangleichung: das Chaos der Ein-Personen-Gesellschaft in Europa, in: Festschrift für Hans Erich Brandner, Köln 1996, S. 81-95.
[3] EuGH v. 31.03.1993 – Rs. C-19/92, Slg. 1993, I-1663 (Rz. 32) (Kraus); EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 (Rz. 37) = DB 1996, 35/37 = NJW 1996, 579 (Gebhard); hieran anschließend insbesondere auch EuGH v. 11.03.2004 – Rs. C-9/02, Slg. 2004, I-2409 (Rz. 49) = GmbHR 2004, 504 (Hughes de Lasteyrie du Saillant).
[4] EuGH v. 12.07.2012, VALE, C-378/10, DB 2012, 1614 = BB 2012, 2069 = NJW 2012, 2715 = ZIP 2012, 1394,
[5] Siehe hierzu http://www.cifas.org.uk/.
[6] Company Directors Disqualification Act 1986.
[7] Formbedürftig ist nur die sog. Übertragungs- und Vereinbarungstreuhand über einen bereits bestehenden Geschäftsanteil (d. h. nach Eintragung der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung, bei der er entsteht). Formfrei ist hingegen – und hier hat auch das deutsche Recht Schutzlücken zugunsten der Hintermänner aus Lavinia – die sog. Erwerbstreuhand über einen noch entstehenden Geschäftsanteil. Hierzu statt aller Bayer in Lutter/Hommelhoff (Hg.), GmbHG, 18. Aufl. Köln 2012, § 15 Rz. 90-92.
[8] Zum Entwurf der Signaturverordnung KOM (2012) 0238 end. siehe die Stellungnahme des Deutschen Notarvereins vom 08.08.2012, abrufbar unter www.dnotv.de —> Dokumente —> Stellungnahmen. Dort ausführlich zu den Missbrauchsmöglichkeiten.
[9] EuGH v. 31.03.1993 – Rs. C-19/92, Slg. 1993, I-1663 (Rz. 32) (Kraus); EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 (Rz. 37) = DB 1996, 35/37 = NJW 1996, 579 (Gebhard); hieran anschließend insbesondere auch EuGH v. 11.03.2004 – Rs. C-9/02, Slg. 2004, I-2409 (Rz. 49) = GmbHR 2004, 504 (Hughes de Lasteyrie du Saillant).
[10] Hierzu eingehend Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand Dezember 2012, § 191 UmwG Rz. 27-200, bes. 52-60. In unübertrefflicher Präzision in der Begründung Neye, EWiR 2014, 45, 46 (Anm. zu OLG Nürnberg v. 19.6.2013, 12 W 520/13, ZIP 2014, 128 = GmbHR 2014, 96 = NZG 2014, 349).
[11] EuGH v. 12.7.2012, VALE, C-378/10, DB 2012, 1614 = BB 2012, 2069 = NJW 2012, 2715 = ZIP 2012, 1394 (Tz. 34): „In Bezug auf das Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist darauf hinzuweisen, dass der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit impliziert. Daher setzt er eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat voraus (Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).“
[12] In der französischen Sprachfassung ist wie in der Deutschen ein ausnahmsloses Verbot formuliert. Weitere Sprachfassungen lagen bei Abfassung der Stellungnahme noch nicht vor.

 

 

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