Übertragung des Handelsregisters auf die Industrie- und Handelskammern


Stellungnahme vom 15.03.1996

 

Der Deutsche Notarverein vertritt als Dachverband der Vereinigungen der Notare im Hauptberuf die Interessen der Notare in zwei Dritteln des deutschen Staatsgebiets. Unser Organisationsgrad beträgt über 90 %.

 

Der Notar ist noch vor der Anwaltschaft und der Kreditwirtschaft Hauptnutzer des Handelsregi­sters und wichtiger Mittler zwischen Antragstellern und Registergericht. Gestatten Sie daher, daß wir in einer für unsere Berufsausübung wesentlichen Frage um Gehör bitten.

 

Seit Jahren fordert der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) die Verlagerung des Handels­registers auf die Industrie und Handelskammern (IHK´s) und hat am 07. März 1996 auch schon die Ministerpräsidentenkonferenz damit befaßt. Der Deutsche Notarverein lehnt diesen Vorschlag im Einvernehmen mit der Bundesnotarkammer, dem Deutschen Richterbund und dem Bund Deut­scher Rechtspfleger ab.

 

Folgende Argumente dürfen wir für unseren Standpunkt anführen:

 

1.   Die Führung des Handelsregisters als Register über die Verhältnisse der Wirtschaft ist keine Selbstverwaltungsaufgabe und gehört in die Hand einer von der Wirtschaft unabhängigen In­stitution. Dies ist eine notwendige Folge der mit einer Vielzahl von Eintragungen verbundenen konstitutiven Wirkung (z.B. bei Gründung von Kapitalgesellschaften oder Umwandlungen), der Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB) und der durch die Registergerichte zum Schutz der Allgemeinheit, der Gläubiger und der Anleger ausgeübten Kontrollfunktion (z.B. in bezug auf die Aufbringung des Stammkapitals bei Kapitalgesellschaften). Unabhängigkeit und Objek­tivität der registerführenden Personen sowie die Gewähr der Richtigkeit der getroffenen Ent­scheidungen legitimieren erst die erheblichen Auswirkungen von Registereintragungen und tra­gen zur hohen Akzeptanz von Entscheidungen der Registergerichte bei. Die IHK-internen Vorkehrungsmöglichkeiten, die in dem vom DIHT in Auftrag gegebenen Gutachten der Firma Kienbaum angesprochen sind, können die bestehenden Zweifel an der notwendigen Unabhän­gigkeit und Objektivität der registerführenden Angestellten der IHK´s nicht zerstreuen.
2.   Was Qualität und Schnelligkeit der Bearbeitung registerrechtlicher Vorgänge betrifft, liegen die Gerichte in der Praxis besser als die Industrie- und Handelskammern. Gerade die ersten Erfah­rungen mit dem neuen Umwandlungsrecht ha­ben dies deutlich gezeigt. Lange Bearbeitungs­zeiten bei den Industrie- und Handelskammern stellen insbesondere bei Unternehmensum­strukturierungen jedoch eine uner­wünschte Investitions­bremse dar. Demgegenüber erfolgt die Eintragung bei den Registergerichten teilweise innerhalb weniger Tage. Schon jetzt besteht aus unserer Sicht bei den IHK´s daher erheblicher Reorganisa­tionsbedarf.
3.   Der DIHT hat bislang kein konkretes organisatorisches und personelles Konzept für die Regi­sterführung vorgelegt. Klar ist nur, daß die Altbestände an Akten auf Staatskosten bei den Ge­richten verbleiben sollen und die Verlagerung nur stufenweise erfolgen wird. Eine mehrjährige Rechtsunsicherheit mit dauernder Zusatzbelastung für alle Beteiligten durch doppelte Regi­sterführung, verschiedene Zuständigkeiten je nach Registerbezirk und fehlendes qualifiziertes Personal bei den IHK´s ist vorprogrammiert. Zudem sind nach den Vorschlägen des DIHT lo­kal unterschiedliche Eintragungsgebühren zu erwarten, was im Hinblick auf die erforderliche Ge­bührentransparenz und die Gleichbehandlung der Verfahrensbeteiligten abzulehnen ist.
4.   In den Bundesländern, in denen das Handelsregister von Schwerpunktgerichten mit speziali­sierten Richtern geführt wird, erwirtschaftet es Überschüsse. Künftig sollen die Registerge­richte dagegen nur noch für die kostenintensiven Entscheidungen über Rechtsmittel und die Beitreibung der Gebühren und Zwangsgelder zuständig sein und sogar in der Übergangszeit beträchtliche unentgeltliche Hilfestellung an die IHK´s leisten. Eine derartige Teilauslagerung nur der profi­tablen Staatstätigkeiten unter Rückbehalt der übrigen, für Private weniger lukrati­ven Zuständigkeiten ist nicht nachvollzieh­bar.
5.   Die Analyse des Gutachtens der Firma Kienbaum zeigt trotz günstig angenommener Parame­ter, daß die Gebühren der IHK´s über den Gerichtsgebühren liegen werden. Dies gilt umso mehr, als auch die Frage der Versicherung bei fehlerhafter Registerführung noch völlig unge­klärt ist. Demgegenüber ist das deutsche Handelsregister in Europa bislang konkurrenzlos gün­stig. Dieser Wettbewerbsvorteil des Wirtschaftsstandorts Deutschland sollte nicht verspielt werden.
6.   Hinter dem Vorstoß des DIHT steht aus unserer Sicht die Sorge der Industrie- und Handels­kammern um den Fortbestand der Zwangsmitgliedschaft und damit der Verkammerung als sol­cher. Die Übertragung des Handelsregisters kann angesichts der Bedeutung der Registerfüh­rung als staatlicher Rechtspflegeaufgabe jedoch nicht auf sachfremde Gründe wie die Existenz­sicherung der IHK´s gestützt werden. Zudem ist etwa Handwerkern und Frei­beruflern kaum verständlich zu machen, weshalb künftig die aufgrund ihres eingeschränkten personellen und territorialen Hoheits­bereichs für sie an sich gar nicht zuständigen IHK´s über ihre gesellschafts­rechtlichen Verhältnisse im Registerverfahren entscheiden und unter Umständen sogar Zwangsmaßnahmen gegen sie verhängen können sollen. Es ist daher auch mit einem Ansteigen der Rechtsmittel gegen registerrechtliche Entscheidungen zu rechnen.

Auch der Deutsche Notarverein befürwortet die Entlastung der Gerichte. Die ersatzlose Aufgabe gerade der ertragreichen Zweige der Justiz erscheint uns jedoch hierzu ungeeignet. Ein entspre­chender Handlungsbedarf ist nicht ersichtlich. Wir fordern vielmehr:

 

·    Die Umstellung des Handelsregisters auf EDV, für die die notwendigen Rechtsgrundlagen vor­liegen, muß beschleunigt vorangetrieben werden mit dem Ziel eines bundesweit einheitlichen Online-Zugriffs. Die bereits vorhandenen Erfahrungen der Justiz bei der Führung elektroni­scher Register lassen schnelle Fortschritte erwarten.
·    Die Regelanfrage bei der IHK durch das Registergericht sollte im Interesse der Entbürokrati­sierung  und Verfahrensbeschleunigung sowie der Entlastung der juristischen Mitarbeiter der IHK auf schwierige Fälle beschränkt werden (§23 HRV).
·    Soweit in einzelnen Bundesländern noch nicht geschehen, können Handelsregister durch Um­stellung auf EDV bei Schwerpunktgerichten zentralisiert werden. Durch On-Line-Zugriff bleibt eine bürgernahe Flächendeckung gewährleistet.
Das Handelsregister der Amtsgerichte arbeitet bereits jetzt schnell, gut und bürgernah. Die Quali­fikation seiner Bediensteten bietet beste Voraussetzungen dafür, es durch weitere Rationalisierung für die öffentlichen Haushalte noch profitabler zu machen.

 

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