Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Anwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung

Stellungnahme vom 25.07.1997

 

Der Deutsche Notarverein bedankt sich für die Möglichkeit, zu dem vorgenannten Referentenentwurf Stellung nehmen zu können. Leider war es uns nicht möglich, Ihnen unsere Stellungnahme bis zum 30. Mai 1997 zukommen zu lassen. Wir bitten, uns dies im Hinblick auf die sehr knapp bemessene Frist nachzusehen.

I.

Das Gesetz zur Regelung der Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung verfolgt im Hinblick auf die bekannte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 24. November 1994 (NJW 1995, 199) das Ziel, ein berufsrechtliches Fundament für die Anwalts-GmbH zu schaffen und den Rechtsanwälten und Patentanwälten so Gelegenheit zu geben, ihre Berufe auf einer gesicherten berufsrechtlichen Grundlage auch in dieser Rechtsform ausüben zu können. Dies ist deshalb überraschend, weil es ja seit einiger Zeit die Partnerschaftsgesellschaft gibt, die exakt auf die Bedürfnisse der freien Berufe zugeschnitten ist. Der Deutsche Notarverein hätte daher schon aus diesem Grund ein Verbot der Anwalts-GmbH für konsequent gehalten.

Vor allem aber hält es der Deutsche Notarverein für äußerst bedenklich, die Berufe der Rechtsanwälte und Patentanwälte in dieser Weise den gewerblichen Berufen anzunähern. Auch trifft es nicht zu, daß die Mehrzahl der Rechtsanwälte eine entsprechende gesetzliche Regelung wünscht. Diese von den Ver­fechtern der Anwalts-GmbH mit schöner Regelmäßigkeit ins Feld geführte Behauptung ist bisher durch nichts belegt worden und auch nicht belegbar. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Anwalts-GmbH für die Masse der Rechtsanwälte uninteressant ist und lediglich von einigen wenigen – wie die bisherige Entwicklung gezeigt hat, aber sowohl innerhalb der Rechtsanwaltsorganisationen als auch im politischen Raum einflußreichen – anwaltlichen Großkanzleien verlangt wird. Entsprechendes gilt für den in diesem Zusammenhang immer wieder vorgetragenen „Wandel des Berufsbildes des Rechtsanwalts“, der bei der Masse der Rechtsanwälte ebenfalls empirisch nicht feststellbar ist.

Durch die gesetzliche Zementierung der Anwalts-GmbH gibt die Politik die Rechtsanwaltschaft der Gefahr preis, daß auch dieser freie Beruf „vergewerblicht“ wird und insbesondere die großen Rechtsanwaltskanzleien mehr und mehr zu hierarchischen, im wesentlichen auf Profit ausgerichteten und damit der Sache nach gewerblichen Dienstleistungsunternehmen degenerieren, deren Existenz nicht zuletzt auch die Frage nach der Aufrechterhaltung des Rechtsberatungsgesetzes im Bereich anwaltlicher Tätigkeit provoziert. Letztlich würde im Bereich der Anwaltschaft der Schritt nachvollzogen, der im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer schon seit vielen Jahren festzustellen ist. Die in den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angestellten Wirtschaftsprüfer üben de facto keinen freien Beruf aus, sondern sind schlichte Manager, die durchaus mit Managern gewerblicher Dienstleistungsunternehmen wie Banken, Versicherungen oder großen Immobiliengesellschaften gleichgestellt werden können. Die Feststellung in § 1 Abs. 2 WPO: „Der Wirtschaftsprüfer übt einen freien Beruf aus. Seine Tätigkeit ist kein Gewerbe.“ ist hinsichtlich der großen Wirtschafts­prüfungs­gesellschaften nichts weiter als eine leere Hülse, die mit der Wirklichkeit nichts (mehr) zu tun hat.

Dabei soll das Berufsrecht doch gerade nicht der Befreiung des Berufsträgers von als lästig empfundenen Bindungen dienen, sondern hat seinerseits dienende Funktion im Verhältnis zur Rolle und Aufgabe des betreffenden Berufs in unserer Gesellschaft. Die Frage, was ein Berufsträger kann oder darf, ist daher nicht nur aus dem Blickwinkel des Berufsträgers und seiner Individualinteressen zu beantworten, sondern in hohem Maß auch aus dem Blickwinkel der Gesellschaft. Für einen Rechtspflegeberuf bedeutet dies, daß primär die anwaltliche Aufgabe in Beratung und Prozeß seine berufliche Pflichtenbindung be­stimmt.

Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsform anwaltlicher Berufsausübung nicht wertneutral. Eine Rechtsform, die kraft Gesetzes ein Han­delsgewerbe ausübt (§ 13 Abs. 3 GmbHG) bzw. aufgrund dieser Form anderen Personenverbänden ein gewerbliches Gepräge verleihen kann (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), prägt auch das Berufsbild.

Im Hinblick auf die mit der Zulassung der Anwalts-GmbH verbundene ,,Vergewerblichung“ des Rechtsanwaltsberufs und die geschilderte Bedeutungslosigkeit der behaupteten Vorteile der Anwalts-­GmbH für die Masse der Rechtsanwälte könnte daher erwartet werden, daß sich die Politik mit aller Macht gegen die insbesondere durch die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts eingeleitete Entwicklung hin zur Anwalts-GmbH stemmt. Damit würde auch dem unser gesamtes demokratisches System beherrschenden Grundsatz entsprochen, daß der Wille der Mehrheit und nicht der Wille weniger einflußreicher Lobbyisten für die rechtliche Entwicklung unserer Gesellschaft maßgeblich ist (der Anteil überörtlicher Sozietäten an allen Kanzleien in Deutschland betrug 1994 gerade einmal 4%, vgl. Passenberger/Kai­mer, BRAK-Mitteilungen 1996, 136 ff.).

Mit Nachdruck treten wir dem politisch so einfachen Argument entgegen, der jetzige Zustand, der auf ein bewußtes Unterlassen des Gesetzgebers zurückzuführen ist, sei unumkehrbar. Wir stehen vielmehr am Beginn einer bedauerlichen Entwicklung im Bereich der Rechtsanwaltschaft, die durch ein beherztes Einschreiten, d.h. ein ausdrückliches Verbot der Anwalts-GmbH, durchaus noch gestoppt werden könnte. Die in der Begründung zum Referentenentwurf dargelegten verfassungs­rechtlichen Zweifel an der Zulässigkeit eines Verbotes der Anwalts-GmbH überzeugen nicht. Die bisher gegründeten Anwalts-GmbHs sind aufgrund der diesbezüglichen Rechtsprechung des BayOblG im wesentlichen bloße Anwalts-Organisations-GmbHs. Für sie würde eine entsprechende Übergangsregelung des Gesetzgebers genügen.

Daß es sich lediglich um vorgeschobene Bedenken handelt, wird auch dadurch deutlich, daß sich der Gesetzgeber noch in der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-­Drucks. 12/4993) ausdrücklich gegen die gesetzliche Zulassung der Anwalts-GmbH ausgesprochen hat (vgl. auch Begründung des Referentenentwurfs S. 29), ohne daß sich die verfassungsrechtliche Lage seither geändert hätte. Schablonenhaft wirkt auch die aus anderen Bereichen bekannte Argumentation, die Anwalts-GmbH sei zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Anwaltschaft gerade auch im internationalen Bereich geboten, die- angesichts der durchweg in Personengesellschaftsform organisierten ausländischen Kollegenschaft durchaus überraschend – wieder einmal als Begründung herangezogen wird.

Der plötzliche Sinneswandel dürfte darauf zurückzuführen sein, daß sich in dieser Frage die anwaltlichen Großkanzleien zwischenzeitlich nicht nur im Deutschen Anwaltverein, sondern auch innerhalb der Bundesrechtsanwaltskammer durchgesetzt haben, was die Ausführungen auf Seite 29 der Begründung zum Referentenentwurf belegen.

Der Deutsche Notarverein bittet das Bundesministerium der Justiz nachdrücklich, seine derzeitige Einstellung zur Anwalts-GmbH zu revidieren und diese Form des Zusammenschlusses für Rechtsanwälte zu untersagen. Noch ist es nicht zu spät, die Abkehr des Rechtsanwaltsberufs von der Freiberuflichkeit hin zum Gewerbebetrieb und damit die Aufkündigung seiner Stellung als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ zu verhindern.

 

II.

Sollte dieser Appell des Deutschen Notarvereins gegen eine Anerkennung der durch nichts bewiesenen und auch nicht nachvollziehbaren These von der Lebensnotwendigkeit der Anwalts-GmbH für den Rechtsanwaltsberufsstand verhallen, so muß zumindest verhindert werden, daß sich Anwaltsnotare an derartigen Kapitalgesellschaften beteiligen oder ihren Beruf in derartigen Gesellschaften ausüben dürfen. Der Deutsche Notarverein hat in der Vergangenheit wieder und wieder darauf hingewiesen, daß es nicht hinnehmbar ist, in einem Zug mit der Vergewerblichung der Anwaltschaft auch das Berufsrecht der Notare in wesentlichen Punkten auszuhöhlen und so das öffentliche Amt des Notars in seinen Grundfesten zu erschüttern. Um so mehr gibt die Tatsache Anlaß zur Sorge, daß sich der Referententwurf zur Frage der Beteiligung von Anwaltsnotaren an einer Anwalts-GmbH ausschweigt.

Die Bundesnotarkammer hat in ihrer Stellungnahme vom 26. Mai 1997 zum vorliegenden Referentenentwurf bereits nachdrücklich dargelegt, welchen grundsätzlichen Bedenken die Beteiligung eines Anwaltsnotars an einer Kapitalgesell­schaft zum Zwecke der Berufsausübung begegnet. Der Deutsche Notarverein kann sich daher im folgenden auf eine knappe Darstellung der wesentlichsten Gesichtspunkte beschränken:

Das öffentliche Amt des Notars und die Grundprinzipien des Notaramtes (insbesondere Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, Höchstpersönlichkeit der Amtsausübung sowie persönliche und unbeschränkte Haftung) sind mit der Berufsausübung im Rahmen einer Kapitalgesellschaft völlig unvereinbar.

Diesem Umstand kann auch nicht dadurch entgegengewirkt werden, daß sich der Anwaltsnotar nur in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt an einer Anwalts-GmbH beteiligen und nur seinen Rechtsanwaltsberuf in dieser Gesellschaft ausüben darf. Denn die für eine solche Regelung notwendige Aufteilung einer natürlichen Person in einen „Rechtsanwaltsteil“ und einen „Notarteil“ könnte praktisch nicht durchgehalten werden. In seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt würde der Anwaltsnotar im Falle der Zulässigkeit seiner Beteiligung an und Berufs­ausübung in einer Anwalts-GmbH vollständig in diese Gesellschaft integriert. Das Amt des Notars, das der Anwaltsnotar sowohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers (§ 3 Abs. 2 BNotO) als auch regelmäßig in der Wirklichkeit lediglich im Nebenberuf ausübt, würde diese vollständige Einbindung der Person des Anwaltsnotars in die Anwalts-GmbH nicht verhindern. Es ist illusorisch zu glauben, der Anwaltsnotar könnte in dieser Situation eine strikte Trennung zwischen seinem Beruf als Rechtsanwalt und seinem Notaramt vornehmen.

Die Anwalts-GmbH wird vielmehr selbstverständlich auch die für die Wahrnehmung des Notar­amtes erforderlichen räumlichen, sächlichen und personellen Mittel zur Verfügung stellen und die aus der Amtsausübung resultierenden Gebühreneinnahmen – aufgrund welcher rechtlichen Konstruktion auch immer – im Gegenzug als Einnahmen der Anwalts-GmbH betrachten und verwenden. Daß der wirtschaftliche Erfolg der Tätigkeit des Notars auf diese Weise in das Gesellschaftsverhältnis einbezogen würde, wird auch von Anwaltsseite unterstellt (vgl. etwa den Mustervertrag bei Ahlers, AnwBl 1995, 3, 6 zu § 3 Abs. 5; Vorbrugg/Salz­mann, AnwBl 1996, 129, 135; vgl. auch Hellwig, ZHR 161 (1997), 337, 364 f., der von steuerlichen Probleme der „angemessenen Kosten- und Erlöszuordnung“ spricht). Ein praktischer Unterschied – nur ein solcher zählt, wenn es um Gefahren für Neutralität und Unabhängigkeit des Notars geht – zur echten Beteiligung an oder Tätigkeit in einer Anwalts-GmbH ist daher nicht erkennbar. Da es das unbestrittene Ziel der anwaltlichen Großkanzleien ist, ihren Mandanten eine umfassende „Beratung und Vertretung aus einer Hand“ anzubieten, würde man auch im Außenverhältnis zu den Mandanten nicht versuchen, den Eindruck der Einbeziehung des Notaramtes in die Anwalts-GmbH zu vermeiden. Schließlich müßte auch eine effektive Dienstaufsicht – insbesondere in den Fällen, in denen es sich um eine bundesweit oder gar weltweit operierende Anwalts-GmbH handelt – als illusorisch betrachtet werden.

Sollte der Gesetzgeber die Betätigung von Anwaltsnotaren in einer Anwalts-GmbH nicht durch eindeutige Regelungen unterbinden, so würden das notarielle Berufsrecht in seinen Grundfesten erschüttert und das – aus gutem Grund – bestehende Postulat der Einheitlichkeit des Berufsbildes des Notars im Hauptberuf mit dem des Notars im Nebenberuf endgültig zu Grabe getragen. Beim ratsuchenden Publikum würde durch die Einbeziehung des Anwaltsnotars in die Anwalts-GmbH der fatale Eindruck erweckt, es existiere nunmehr ein „Notar mit beschränkter Haftung“. Dies hätte eine schwere und nachhaltige Beschädigung des Ansehens des Notars in der Öffentlichkeit und des besonderen Vertrauens zur Folge, das das rechtsuchende Publikum dem Notar entgegenbringt und im Interesse einer effektiven Amtsausübung auch entgegenbringen muß.

Zusammenfassend kann folgendes festgehalten:

Die Einbeziehung des Anwaltsnotars in eine Anwalts-GmbH ist mit wesentlichen Grundprinzipien des notariellen Berufsrechts nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber darf solche Beeinträchtigungen des öffentlichen Interesses an einer geordneten Rechtspflege nicht hinnehmen, erst recht nicht, wenn dies allein zugunsten der wirtschaftlichen Interessen einiger weniger, in Großkanzleien zusammengeschlossener Rechtsanwälte geschieht. Der Gesetzgeber ist daher aufgerufen, die Zulassung der Anwalts-GmbH zu verhindern, jedenfalls aber zu unterbinden, daß sich auch Anwaltsnotare an derartigen Kapitalgesellschaften beteiligen bzw. ihren Beruf als Rechtsanwalt oder gar das öffentliche Amt des Notars in einer derartigen Kapitalgesellschaft ausüben können.

 

III.

Der Deutsche Notarverein schlägt höchstvorsorglich für den Fall, daß der Referentenentwurf insoweit nicht geändert werden sollte, folgende Einschränkungen vor:

1.       § 59 d Abs. 1 BRAO-Entwurf wird um folgenden Satz 2 ergänzt:

„Ein Rechtsanwalt, der zugleich Notar ist, kann nicht Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung sein.“

2.       § 59 e Abs. 2 Satz 1 BRAO-Entwurf ist wie folgt neu zu fassen:

„Die Übertragung von Geschäftsanteilen durch Rechtsgeschäft auf Rechtsanwälte, die zugleich Notar sind, sowie auf Personen, die nicht den in § 59 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 genannten Berufen angehören, ist unzulässig.“

3.       In § 59 g Abs. 2 BRAO-Entwurf wird folgender neuer Satz 2 eingefügt:

„Ein Rechtsanwalt, der zugleich Notar ist, kann nicht zum Geschäftsführer bestellt werden.“

Der bisherige Satz 2 wird Satz 3.

4.       Des weiteren muß das Verbot der Beteiligung eines An­waltsnotars an bzw. seine Verbindung mit einer Anwalts-GmbH auch und vor allem in der BNotO geregelt werden. Zur Vermeidung der Beteiligung von Anwaltsnotaren an jeglicher Art von gewerblich strukturierten Rechtsformen (zu Forderungen betreffend eine Anwalts-AG, KGaA und Genossenschaft vgl. Römermann, GmbHR 1997, 530, 532 m.w.N.) muß § 9 BNotO, wie der Deutsche Notarverein dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages bereits in seinem Schreiben an dessen Vorsitzenden vom 10.07.1997 vorgeschlagen hat, im Rahmen der Novelle zur BNotO um folgenden Abs. 4 ergänzt werden:

„(4) Die Beteiligung an oder die Verbindung mit einer anderen Gesellschaft als einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist unzulässig. Die Bestimmungen des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes bleiben unberührt.“

 

 

IV.

Unbeschadet der grundsätzlichen Ablehnung der Anwalts-­GmbH durch den Deutschen Notarverein sei aus Sicht der notariellen Praxis noch auf folgende Unzulänglichkeiten und Widersprüche des Referentenentwurfs hingewiesen:

1. Zu § 59 c BRAO-Entwurf (Zulässigkeit der Rechtsanwalts-GmbH)

Bei der Überschrift vor § 59 c dürfte es sich nicht um den Ersten, sondern um den Zweiten Abschnitt handeln.

§ 59 c enthält erstaunlicherweise kein Ver­bot der Anwalts-Organisations-GmbH. Diese bleibt außerhalb des Berufsrechts und wird nur über § 59 r mittelbar reguliert. Dem Ver­trieb anwaltlicher Leistungen durch Dritte (z.B. Banken oder Versicherungen) stehen daher Tür und Tor offen.

2. Zu § 59 d BRAO-Entwurf (Gesellschafter):

Absatz 1 ist um einen Satz 2 zu ergänzen, wie im vorstehenden Abschnitt III.1. unserer Ausführungen dargelegt.

3. Zu § 59 e BRAO-Entwurf (Übertragung von Anteilen):

Absatz 2 Satz 1 ist neu zu fassen, wie im vorstehenden Abschnitt III.2. unserer Ausführungen dargelegt.

Die Vorschrift wirft ebenso wie §§ 59 d und 59 g die im Hinblick auf § 59 i Nr. 1 bedeutsa­me Frage auf, ob sich diese Einschränkungen bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergeben oder erst durch die Satzung transformiert werden müssen. § 59 i spricht für Transformation, die in Bezug genommenen Vorschriften für unmittel­bare Geltung.

4. Zu § 59 f BRAO-Entwurf (Mindesteinzahlung auf das Stammkapital):

Das durch diese Vorschrift statuierte Verbot der Sachgründung erschwert die Gründung der Anwalts-GmbH insbesondere für kleine Rechtsanwaltskanzleien, da die bisherige Einzelpraxis regelmäßig in die Anwalts-GmbH eingebracht werden soll. Die Vorschrift animiert die Inhaber derartiger Kanzleien geradezu zu verschleierten Sacheinlagen (Kanzleiverkauf an die GmbH) mit allen daraus resultierenden Konsequenzen und beschwört steuerliche Folgeprobleme herauf (Wegfall der Buchwertfortführung).

Eine Bargründung ist auch nicht erforderlich, um den Gläubigern der Anwalts-GmbH eine zusätzliche Haftungsmasse von 50.000 DM zur Verfügung zu stellen. Zum einen ist die Sachgründung nur zulässig, wenn die Sacheinlagen über eine entsprechende Werthaltigkeit verfügen; zum anderen steht das Stammkapital ohnehin nur nach Maßgabe der §§ 30 ff. GmbHG zur Verfügung und kann im Falle der Inanspruchnahme der Anwalts-GmbH durch einen Gläubiger bereits ganz oder teilweise verbraucht sein. Im übrigen erscheint eine „zusätzliche Haftungsmasse“ für die Gläubiger auch im Hinblick auf die Pflicht zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung über mindestens 5 Mio. DM pro Versicherungsfall (§ 59 q) sowie die Handelndenhaftung gemäß § 59 p entbehrlich.

5. Zu § 59 g BRAO-Entwurf (Geschäftsführung):

Der Entwurf schweigt zu den Möglichkeiten der Beschränkung organschaftlicher Vertretungsmacht (Begründung S. 43). Möglich ist es, die Handlungsbefugnis eines Geschäftsführers nicht nur an die Mitwirkung eines anderen Geschäftsführers zu binden, sondern an die eines bestimmten anderen Geschäftsführers oder an die Mitzeichnung mehrerer weiterer Geschäftsführer. Gerade hier wären Maßnahmen zur Sicherung anwaltlicher Berufsausübung gebo­ten.

Absatz 2 sollte um einen neuen Satz 2 ergänzt werden, wie im vorstehenden Abschnitt III.3. unserer Ausführungen dargelegt.

6. Zu § 59 i BRAO-Entwurf (Versagungsgründe):

Es sollte eine neue Nr. 2 folgenden Inhalts eingefügt werden:

„2. gegen § 59 m Abs. 2 , 3 oder 4 verstoßen wird;“ (die bisherige Nr. 2 würde Nr. 3).

Die Einfügung der neuen Nr. 2 erscheint geboten, weil Verstöße gegen die grundlegenden Regelungen in § 59 m Abs. 2 , 3 und 4 BRAO-Entwurf ausweislich des Referentenentwurfs bisher nicht sanktioniert sind.

7. Zu § 59 k BRAO-Entwurf (Verlust der Zulassung):

Abs. 3 sollte um eine Nr. 4 folgenden Inhalts ergänzt werden:

„4. ein Verstoß gegen § 59 m Abs. 2, 3 oder 4 vorliegt.“

Insbesondere das Verbot, Anteile an der Gesellschaft für Rechnung Dritter zu halten, zählt auch bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu den Anerkennungsvoraussetzungen (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WPO); ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 WPO mit der Rücknahme bzw. dem Widerruf der Anerkennung sanktioniert.

8. Zu § 59 m BRAO-Entwurf (Besondere berufliche Pflichten der Rechtsanwaltsgesellschaft):

Abs. 1 Satz 1 sollte dahingehend klargestellt werden, daß auch die Hauptniederlassung der Anwalts-GmbH von einem anwaltlichen Geschäftsführer zu leiten ist. Dies wird aus der bisherigen Formulierung nicht hinreichend deutlich.

Die Absätze 2 bis 4 sind inhaltlich zu begrüßen, leiden jedoch unter dem Mangel, daß Verstöße gegen sie nach dem bisherigen Entwurf nicht sanktioniert sind. Insoweit verweisen wir auf unsere obigen Ausführungen zu den §§ 59 i, 59 k BRAO-Entwurf.

Zu § 59 m Abs. 3 ist zu beachten, daß als Mittel zur Beteiligung Dritter am Gewinn nicht nur die stille Gesellschaft in Betracht kommt (davon geht aber offensichtlich die Begründung aus, S. 53). Zu denken ist vielmehr an partiarische Rechtsverhältnisse, Tantie­meregelungen, Vertriebsbindungen, Pachtver­hältnisse, Konzernverrechnungspreise, Unterbe­teiligungen und Treuhandverhältnisse ohne Zession. Es kommt nur darauf an, den Gewinn der GmbH als Aufwand abzuschöpfen, wobei durch Leistungsvorbehalte oder schlichtes Rückdatieren eine „Feineinstellung“ erreicht werden kann. Dies gehört zum steuerlichen Standardrepertoire bei einer Betriebsaufspal­tung.

Zu Abs. 4 der Vorschrift ist anzumerken, daß die Verhinderung der Einflußnahme berufsfremder Personen auf die Anwalts-GmbH durch diese Bestimmung in der Praxis nicht ausreichend gesichert ist. So kann beispielsweise eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über hauseigene Syndicusanwälte und Wirtschaftsprüfer eine Anwalts-GmbH gründen, die sodann die Rechtsberatungsmandate für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bearbeitet. Auch wenn die Anteile an der Anwalts-GmbH nicht ausdrücklich für Rechnung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gehalten werden und diese auch nicht unmittelbar am Gewinn der Anwalts-GmbH beteiligt ist, kann hier von einer Unabhängigkeit der Anwalts-GmbH und der in ihr tätigen Rechtsanwälte nicht gesprochen werden (vgl. Hellwig, ZHR 161 (1997), 337, 351 f. m.w.N.). Im übrigen werden etwaige Treuhandverträge zwischen den Gesellschaftern der Anwalts-GmbH und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der anwaltlichen Berufsaufsicht nicht zugänglich sein, so daß etwaige Verstöße gegen § 59 m Abs. 2 bzw. 3 BRAO­-Entwurf kaum jemals aufgedeckt werden können. Auch hier zeigt sich, daß bei Zulassung der Anwalts-GmbH Welten liegen zwischen dem, was gesetzlich normiert wird, und dem, was praktisch überprüft werden kann. Mit den in § 59 m enthaltenen Vorgaben können die von den WP-Gesellschaften bekannten Mißstände wegen der Kapitalbeteiligung Berufsfremder (siehe Bericht des BMWi vom 16.2.1994 – II B 2 – 13 94 11/7) daher auch für die Anwalts-GmbH kaum noch verhindert werden (vgl. die rechtstatsächlichen Ausführungen von Hellwig, ZHR 161 (1997), 337, .339 ff. betreffend die systematische Ausgründung der Rechtsabteilungen der großen WP-Gesellschaften in abhängige scheinselbständige Anwaltskanzleien).

9. Zu § 59 p BRAO-Entwurf (Handelndenhaftung):

Die Regelung wird begrüßt, da sie die persönliche Verantwortlichkeit der in der Anwalts-GmbH tätigen Rechtsanwälte zumindest ansatzweise dokumentiert. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sie im weiteren Gesetzgebungsverfahren Bestand haben wird, da die mit der GmbH-Gründung bezweckte Haftungsbeschränkung weitgehend eingeschränkt wird. Es ist daher zu vermuten, daß die für eine Zulassung der Anwalts-GmbH eintretenden Kreise mit Nachdruck zu verhindern versuchen werden, daß § 59 p BRAO-Entwurf in dieser Form Gesetz wird.

Inhaltlich ist zu bemerken: Der Anspruchsteller trägt die Beweislast, daß mit seinem Fall ein bestimmter Geschäftsführer be­faßt war. Dieser Beweis ist schwer zu führen, wenn beispielsweise Abschriften zur Kenntnis von einem angestellten Anwalt in BGB-Vollmacht unter­zeichnet wurden oder der Geschäftsführer, der ein Schreiben in der Angelegenheit unterzeichnet hat oder eine Besprechung vornahm, sich darauf beruft, er habe nur als Urlaubsvertreter gehandelt. Der Anspruchsteller ist daher gezwungen, gegen eine Vielzahl von Anwälten zu klagen mit dem Risiko des Unterliegens in zahlrei­chen Fällen. Hier wäre eine Beweislastumkehr zu Lasten der Geschäftsführer angebracht, wie sie für einen vergleichbaren Fall etwa § 25 Abs. 1 Satz 2 UmwG vorsieht.

Hinzu kommt, daß die Gesellschafter, die ja nach § 59 g Abs. 1 BRAO-Entwurf alle auch Geschäftsführer sind, darauf bedacht sein werden, nur ja nicht „mit der Bearbeitung des Auftrags befaßt“ zu sein, sich also auf die Akquisition beschränken und die Arbeit „am Fall“ den angestellten Rechtsanwälten und freien Mitarbeitern überlassen werden. Auch eine interne Überwachungspflicht werden sie bewußt nicht vorsehen. Denn wie die Begründung auf Seite 56 f. ausführt, bedeutet Befassung, daß der Geschäftsführer den Auftrag selbst bearbeitet oder seine Bearbeitung überwacht hat oder dies nach der internen Zuständigkeitsverteilung hätte tun müssen. Der Verzicht auf einen „Überwachungsplan“ stellt also sicher, daß letztlich niemand nach § 59 p persönlich haftet. Die Handelndenhaftung wird daher weithin ins Leere laufen.

Soweit die Handelndenhaftung im Einzelfall doch einmal zum Tragen kommen sollte, hat sie zur Konsequenz, daß sich ein etwaiger Vorteil der Anwalts-GmbH im Verhältnis zu den bisherigen Assoziierungsmöglichkeiten für Rechtsanwälte (Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaft) – wenn überhaupt vorhanden – weiter minimiert. Um so unerklärlicher ist, daß die Politik das Vorhaben ,,Anwalts-GmbH“ gleichwohl aufgreift und diese weitgehend nutzlose und überflüssige Kooperationsform nicht ausdrücklich verbietet, obgleich mit ihrer Zulassung die oben geschilderten Risiken sowohl für die Anwaltschaft als auch für den Berufsstand der Notare verbunden sind.

10. Zu § 59 q BRAO-Entwurf (Berufshaftpflichtversicherung):

Die Mindestversicherungssumme für die Anwalts-GmbH von 5 Mio. DM für jeden Versicherungsfall führt aufgrund der Höhe der damit verbundenen Versicherungsprämien dazu, daß die Anwalts-GmbH für kleinere Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten weiter an Attraktivität verliert (vgl. auch Begründung S. 58: „übersteigt nämlich bei weitem den Betrag, der üblicherweise bei Inanspruchnahme des Privatvermögens eines Rechtsanwalts erzielt werden könnte“). Unproblematisch ist eine solche Mindestversicherungssumme dagegen für Großkanzleien, die regelmäßig ohnehin über einen Versicherungsschutz verfügen dürften, der die Mindest­versicherungssumme überschreitet. Für diese Großkanzleien bietet die Mindestversicherungssumme von 5 Mio. DM für jeden Versicherungsfall daher eine zusätzliche Werbemöglichkeit, um sich im Kampf um Anteile auf dem „Rechtsberatungsmarkt“ von kleineren Rechtsanwaltskanzleien abzusetzen. Die vorgesehene Mindestversicherungssumme ist daher mittelstandsfeindlich.

Im übrigen führt die Regelung in Abs. 2 Satz 1 im Zusammenhang mit Abs. 2 Satz 2 wegen der Höhe der Mindestversicherungssumme zu Konsequenzen, die kaum noch als praktikabel betrachtet werden können. Da die Versicherungswirtschaft bei einer Mindestversicherungssumme von 5 Mio. DM pro Versicherungsfall eine Versicherung für eine unbegrenzte Vielzahl von Fällen kaum mittragen wird, ist davon auszugehen, daß im Regelfall eine Beschränkung der Leistungen des Versicherers gemäß Abs. 2 Satz 2 vereinbart werden wird. Bei einer mittelgroßen Anwalts-GmbH mit 10 Gesellschaftern (= Geschäftsführern) betrüge diese Höchstsumme bereits 200 Mio. DM. Um die aus Abs. 2 resultierenden enormen Versicherungsprämien zu umgehen, wird die Zahl der Rechtsanwalts-Gesellschafter, die gemäß § 59 g Abs. 1 BRAO-Entwurf zwangsläufig Geschäftsführer sind, daher regelmäßig klein gehalten werden. Dies wiederum hat zur Konsequenz, daß die Mehrzahl der Rechtsanwälte als Angestellte oder freie Mitarbeiter der Anwalts-GmbH beschäftigt sein werden. Abs. 2 verstärkt daher die mit der Anwalts-GmbH ohnehin verbundene Tendenz, aus Freiberuflern abhängig Beschäftigte in einem Dienstleistungsunternehmen zu machen. So können nach dem Entwurf (§ 59 g Abs. 2 Satz 2) angestellte Anwälte der GmbH trotz ihrer Stellung als unabhängige Organe der Rechtspflege nicht zu Prokuristen bestellt werden, dies nicht einmal dann, wenn sie die Funktion von leitenden Angestellten innehaben (anders angestellte Wirtschaftsprüfer einer WP-Gesellschaft nach § 45 WPO).

Schließlich fehlen Bestimmungen über den jährlichen Nachweis des Versicherungsschutzes.

11. Zu § 74 Abs. 6 und § 113 a BRAO-Entwurf:

Die berufsrechtliche Verantwortlichkeit der Anwalts-GmbH selbst – eine entsprechende Regelung gibt es in der WPO und im StBerG nicht – ist zu begrüßen. Der Deutsche Notarverein ist jedoch der Auffassung, daß im Gesetz selbst und nicht nur in der Begründung (S. 32) klargestellt werden sollte, daß die persönliche Verantwortlichkeit des jeweils tätigen Geschäftsführers der Anwalts-GmbH durch diesen Umstand nicht berührt wird.

Der Deutsche Notarverein darf abschließend nochmals seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß das Bundesministerium der Justiz seine Auffassung zur Zulässigkeit der Anwalts-GmbH überdenkt und revidiert.

Für eine ergänzende Stellungnahme stehen wir im Bedarfsfalle gerne zur Verfügung.

 

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