Entwurf einer Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Übertragung kleiner und mittlerer Unternehmen

Stellungnahme vom 23.09.1997

 

Im Rahmen nachstehender Ausführungen werden wir nach einer Darstellung der Ausgangslage und der möglichen Zielvorgaben (unten I.) zunächst auf materiellrechtli­che Aspekte der Übertragung von KMU eingehen (unten II.). Diese Darstellung erfaßt Aspekte des Gesell­schafts-, Erb- und Steuerrechts.

 

Interdependenzen zwischen der Übertragung von KMU und dem Vorhandensein einer leistungsfähigen, ortsnahen Beratung zu günstigen Kosten werden nachfolgend III. behandelt. Abschließend wird auf wirtschaftliche Aspekte, insbesondere auf die Bedingungen des Kapital­markts für die Übertragung von KMU eingegangen (nach­folgend IV.).

 

 

I. Ausgangslage und Zielvorgaben

 

In Deutschland läßt sich feststellen, daß offenbar nur ein geringer Teil mittlerer Unternehmen von Fami­lienangehörigen des Unternehmers erworben wird. Auch Verkäufe an Mitarbeiter halten sich in Grenzen. Im Vordergrund steht der Verkauf an Wettbewerber.

 

Die Ursachen hierfür liegen vielfach in Bereichen, die politischer Steuerung nicht zugänglich sind. So spielen Generationenkonflikte innerhalb von Unterneh­merfamilien ebenso eine Rolle wie eine geänderte Einstellung der jüngeren Generation zur Arbeit, insbe­sondere zu der Arbeitsbelastung eines selbständigen Unternehmers. Das geringe Ansehen selbständiger Tätig­keit in der deutschen Gesellschaft, das oft unter dem Schlagwort „Neidgesellschaft“ zusammengefaßt wird, mag auch eine Rolle spielen.

 

Politischer Steuerung zugänglich sind hingegen recht­liche und steuerliche Rahmenbedingungen für die Über­tragung von KMU. Eingriffe in diesem Bereich setzen eine Selbstvergewisserung der Politik dahingehend voraus, was im Rahmen der Übertragung von KMU poli­tisch erwünscht ist. Das Ziel einer Kontinuität des Familienvermögens im Interesse des Schutzes der Fami­lie und des Eigentums des Unternehmers kann mit dem arbeitsmarktpolitischen Ziel der Kontinuität des Unternehmens selbst zusammen- oder auseinanderfallen. Politisch erwünscht kann insbesondere eine Fortfüh­rung durch kompetente Übernehmer sein, was sich in einer Förderung von „Management-Buy-Outs“ niederschla­gen könnte, aber auch durch die Übernahme des KMU durch größere Unternehmen gewährleistet wäre. Letzte­res führt allerdings schrittweise zur Aushöhlung von Art. 85 EGV.

 

Das Ziel der Erhaltung kleiner leistungsfähiger Fami­lienbetriebe wird zwar von der Politik oft und gerne propagiert, in der politischen Umsetzung werden die gemachten Versprechungen jedoch vielfach nicht einge­löst. Hierauf wird im folgenden näher eingegangen.

 

 

II. Materiellrechtliche Aspekte der Übertragung von KMU

 

 

1.    Gesellschaftsrecht

 

Im Rahmen dieses Abschnitts werden zunächst die beste­henden Rechtsformen von Unternehmen bewertet, sodann die Regelungen zum Wechsel zwischen verschiedenen Un­ternehmensformen.

 

 

a)    Bewertung der bestehenden Rechtsformen

 

Im Vordergrund der Rechtsform eines KMU steht die GmbH, gefolgt von der Personenhandelsgesellschaft (OHG/KG), der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Aktiengesellschaft und schließlich der Partnerschaft. Insbesondere die praktische Bedeutung letzterer darf nicht überschätzt werden.

 

Diese Unternehmensformen werden hier nach folgenden Kriterien bewertet:

 

–     Haftungsbeschränkung;

–     Finanzierung;

–     Kontrollrechte;

–     Publizität der Jahresabschlüsse;

–     Mitbestimmung;

–     steuerliche Konsequenzen;

–     Beratungsaufwand und -kosten für Gründung und Verwaltung.

 

 

aa) Haftungsbeschränkung

 

Eine Beschränkung der Haftung des Gesellschafters auf das Gesellschaftsvermögen kennzeichnet die Rechtsfor­men der GmbH und der Aktiengesellschaft, ebenso auch die Form der Kapitalgesellschaft & Co. KG. Bei den übrigen Personengesellschaften haftet typischerweise mindestens ein Gesellschafter persönlich unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen.

 

 

 

bb) Finanzierung

 

KMU in der Rechtsform der Personengesellschaft mit zumindest einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter genießen in der Kreditwirtschaft höheres Vertrauen als Kapitalgesellschaften.

 

Eine größere Kreditwürdigkeit der Aktiengesellschaft gegenüber der GmbH (siehe Berichtsentwurf Seite 5 unten) läßt sich empirisch hingegen nicht feststel­len. Bei beiden Rechtsformen verlangen die Banken ty­pischerweise bei nicht ausreichendem Gesellschaftsver­mögen weitere Sicherheiten und verschaffen sich somit im Insolvenzfall einen Vorteil gegenüber Drittgläubi­gern.

 

Im Unterschied zur GmbH eröffnet die AG einen besse­ren Zugang zum Kapitalmarkt. GmbH und Personengesell­schaften können sich nur zu schwierigen Bedingungen Kapital beschaffen (etwa durch Beteiligung von vermö­genden Privatleuten, Beteiligungsgesellschaften, Banken). Ein organisierter Kapitalmarkt besteht nur für die Aktiengesellschaft.

 

Dieser an sich für die Rechtsform der Aktiengesell­schaft sprechende Befund wird jedoch relativiert durch die in Deutschland bestehenden Zutrittsbarrie­ren zum Kapitalmarkt. Diese liegen in dem faktisch noch bestehenden Monopol der Banken bei der Börsenein­führung und den außerordentlich hohen Kosten eines Börsengangs und der Kurspflege.

 

 

cc) Kontrollrechte

 

Die Aktiengesellschaft hat zwingend einen Aufsichts­rat mit umfangreichen Kontrollrechten. Dies gilt auch für die sogenannte kleine Aktiengesellschaft (inso­weit unzutreffend Bericht Seite 6 oben 2. Absatz). Die unmittelbaren Auskunftsrechte der Aktionäre sind daher eingeschränkt und formalisiert. Ein faktisches Problem liegt in den aufgrund oft geringer Fachkompe­tenz und geringen Engagements des einzelnen Aufsichts­ratsmitglieds bestehenden Kontrolldefiziten.

 

Bei der GmbH besteht ein sehr weitgehendes und gesetz­lich zwingendes Auskunfts- und Einsichtsrecht, auch von Minderheitsgesellschaftern (§ 51a GmbHG). Bei der Kommanditgesellschaft kann der Kommanditist nur die Abschrift einer Bilanz verlangen (§ 166 HGB), aller­dings können diese Rechte durch den Gesellschaftsver­trag erweitert werden.

 

Bei den anderen Personenhandelsgesellschaften genie­ßen die geschäftsführenden Gesellschafter umfassende Einsichts- und Kontrollrechte.

 

 

dd) Publizität der Jahresabschlüsse

 

Die Publizität der Jahresabschlüsse, ein Nachteil für KMU, ist in Deutschland bislang nur für Kapitalgesell­schaften vorgesehen (AG, GmbH). Erst mit Umsetzung der GmbH & Co. KG-Richtlinie der EU von 1990 wird die Publizität auch die Kapitalgesellschaft & Co. erfas­sen.

 

Allerdings ist die Publizität der Jahresabschlüsse in Deutschland nicht allzusehr sanktionsbewehrt, was der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof unlängst in zwei Schlußvorträgen vor dem Gericht als unzurei­chend gerügt hat, ZIP 1997, S. 1234/1237 und S. 1330/1335.

 

 

ee) Mitbestimmung

 

Eine GmbH/AG unterliegt ab 500 Arbeitnehmern der Drittelmitbestimmung im Aufsichtsrat, der auch bei der GmbH dann zwingend gebildet werden muß.

 

Darüber hinaus unterliegt die GmbH & Co. KG ebenso wie die GmbH und die AG einschließlich der KGaA weiter dem Mitbestimmungsgesetz 1976, dem Montanmitbe­stimmungsgesetz und dem Mitbestimmungsergänzungsge­setz, je unter den dort bestimmten Voraussetzungen.

 

 

ff) Steuerliche Vorgaben

 

Personen- und Kapitalgesellschaften werden steuerlich immer noch unterschiedlich behandelt. Von Bedeutung ist neben der aufgrund differierender Bewertungs­vorschriften unterschiedlichen Besteuerung im Fall der Schenkung und der Erbschaft vor allem die unter­schiedliche Behandlung im Ertragsteuerrecht.

 

Generell kann gesagt werden, daß die Übernahme persön­lichen Risikos steuerlich bestraft wird. So werden die Gewinnanteile von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft bzw. die Dividenden eines GmbH-Ge­sellschafters bzw. Aktionärs durchweg stärker besteu­ert als an einen Darlehensgeber gezahlte Darlehenszin­sen oder gar die Vergütung des Geschäftsführers bzw. des Angestellten. Der Grund hierfür liegt in der in Deutschland bestehenden Gewerbesteuer, mit der der Ge­winn des Unternehmens belastet wird.

 

Durch diese steuerlichen Rahmenbedingungen diskrimi­niert der deutsche Gesetzgeber die Übernahme unterneh­merischen Wagnisses,

 

allgemein zum Steuerbelastungsvergleich von Unter­nehmen in Deutschland, Frankreich und dem Vereinig­ten Königreich jetzt Oestreicher/Spengel, Der Betrieb 1997, 1725 ff.

 

 

gg)  Beratungsaufwand und -kosten für Gründung und Verwaltung

 

aaa) Allgemeines

 

Grundsätzlich ist von folgendem auszugehen: Sowohl die Gründung als auch der laufende Betrieb eines KMU erfordern rechtliche und wirtschaftliche Be­ratung, wofür Kosten anfallen. Diese Kosten können für die Inanspruchnahme externer Berater ebenso wie für das Vorhalten internen Fachpersonals (Rechtsabtei­lung etc.) entstehen.

 

Beratungskosten sind für den Unternehmer besonders schwer in den Griff zu bekommen.

 

Zum einen nimmt der Unternehmer Beratungsleistungen nicht so häufig in Anspruch, wie er sonst im wirt­schaftlichen Verkehr tätig ist. Bei der Übertragung von KMU geschieht dies sogar nur einmal pro Generati­on. Aus diesem Grund fehlt dem Unternehmer jegliche Vergleichsmöglichkeit. Zum anderen ist das Preis-Lei­stungs-Verhältnis von Beratungskosten typischerweise intransparent, da die erbrachte Gegenleistung in einer Dienstleistung besteht.

 

Im Beratungsbereich steht schließlich der Unterneh­mer, der insoweit einem Verbraucher gleichzustellen ist, vor einem „principal-agent-Konflikt“ im klassi­schen Sinne der Wirtschaftswissenschaften, da der Berater mehr an seiner eigenen Gewinnmaximierung als an der des Geschäftsherrn interessiert ist.

 

Der Staat kann die hieraus resultierenden Schwierig­keiten des Unternehmers mindern, indem er für bestimm­te Beratungshandlungen Gebühren gesetzlich fixiert. Insbesondere die Einrichtung des Notariats, des Grundbuchs und des Handelsregisters, die das Handeln des Unternehmens im Rechtsverkehr wesentlich erleichtern, stellt eine geeignete Maßnahme zur Kostensenkung dar.

 

 

bbb) Gründungskosten

 

Die Gründung eines Unternehmens erfordert gerade dann qualifizierte Beratung, wenn mehrere Gesellschafter mit zumeist widerstreitenden Interessen beteiligt sind. Dies gilt unabhängig von der Rechtsform. Im Bereich der Kapitalgesellschaften sichert hier der in Deutschland bestehende Beurkundungszwang ein Minimum an rechtlicher Beratung, was den späteren Aufwand für dauernde begleitende Beratung zu senken geeignet ist.

 

So betragen die Notarkosten der Bargründung einer Mehrpersonen-GmbH mit DM 50.000,– Stammkapital ca. DM 800,– bis 850,– netto. Hierin eingeschlossen sind die Beratung und der Entwurf des Gesellschafts­vertrages sowie die Anmeldung zum Handelsregister. Im Vergleich dazu bewegen sich die Kosten eines vom Rechtsanwalt/Steuerberater gefertigten Vertragsent­wurfs in der Höhe von DM 3.000,– bis DM 5.000,–.

 

Formerfordernisse sind daher eher zur Senkung von Kosten geeignet. Ein Verzicht auf den Formzwang unter dem Deckmantel der „Deregulierung“ dient hingegen in erster Linie zur Umverteilung von Honoraraufkommen auf dem Beratungsmarkt unter gleichzeitiger Auswei­tung des Gesamtvolumens. Zugleich wird der bereits erwähnte principal-agent-Konflikt verschärft.

 

 

ccc) Kosten der laufenden Verwaltung

 

Neben den Kosten der Gründung entstehen auch Bera­tungskosten im Rahmen der laufenden Verwaltung eines Rechtsträgers: Hierzu zählen u.a. Kosten für:

 

–     laufende steuerliche Beratung;

–     laufende gesellschaftsrechtliche Beratung;

–     Kosten des Jahresabschlusses und seiner Prüfung;

–     Kosten von Änderungen des Gesellschaftsvertrags.

 

Am kostengünstigsten dürfte insoweit die GmbH sein. Denn diese ist in der laufenden Verwaltung sehr ein­fach handhabbar.

 

Erheblich kostenintensiver ist die Aktiengesell­schaft, insbesondere die sog. kleine Aktiengesell­schaft, da sie einen sehr viel höheren Verwaltungsauf­wand voraussetzt und das erforderliche know-how bei KMU im Gegensatz zu Großunternehmen nicht vorhaltbar ist. Ein Beispiel hierfür ist etwa das Verbot des Selbstkontrahierens für Vorstandsmitglieder oder allgemein das Zusammenspiel zwischen Vorstand, Auf­sichtsrat und Hauptversammlung. Viele Unternehmer sind derzeit noch nicht „reif“ für den Umgang mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft.

 

In der Praxis läßt sich daher feststellen, daß die Schaffung der „kleinen Aktiengesellschaft“ den Bera­tungsbedarf der hierdurch neu entstehenden Aktienge­sellschaften deutlich erhöht hat mit der Folge ent­sprechender Mehrkosten.

 

Auch hier bietet jedoch die Betreuung durch das Insti­tut des Notariats dem Unternehmer ein sehr viel gün­stigeres Preis-Leistungs-Verhältnis, als z.B. die An­waltschaft dies zu leisten vermag. Im Vergleich zu Anwalts- und Steuerberatungskosten sind die Notarge­bühren für die Protokollierung einer Hauptversammlung außerordentlich niedrig.

 

 

b)    Umwandlungsrecht

 

Nach dem Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts genügt das deutsche Umwandlungsrecht nahezu durchweg den Anforderungen an ein leistungsfähiges Recht der Umstrukturierung von Unternehmen. Zur Lösung stehen allenfalls noch Detailprobleme an, wie z.B. die in der Praxis Spaltungen erheblich behindernde Vor­schrift des § 132 Umwandlungsgesetz.

 

 

2.    Erbrecht

 

Die Ausführungen im Bericht hierzu (Seite 7 Buchstabe b) bis Seite 8 Buchstabe d) einschließlich) sind vor allem vom französischen Erbrechtsverständnis geprägt. Dieses kennt ein gesetzliches Noterbrecht (zwingende Mindesterbquote, sog. réserve légale) der Abkömmlinge und der Eltern bzw. Voreltern.

 

Es liegt auf der Hand, daß eine derartige Erbrechtsla­ge die Unternehmensnachfolge erheblich behindern kann, da auch zur Nachfolge ungeeignete Personen in den Genuß einer dinglichen Berechtigung am Unterneh­mensvermögen kommen.

 

In Deutschland ist die Rechtslage anders. Das deut­sche Erbrecht kennt kein gesetzliches Noterbrecht, wohl aber ein Pflichtteilsrecht. Abkömmlinge, Eltern und der Ehegatte des Erblassers können vom Erben eine Abfindung in Geld verlangen.

 

Maßgebend für den Wert des Pflichtteilsanspruchs ist der Wert des Nachlasses. Fällt ein Unternehmen in den Nachlaß, so findet eine Unternehmensbewertung nach allgemeinen Grundsätzen statt. Eine Privilegierung (Bewertung nur zum Ertragswert) ist in Deutschland nur für die Vollerwerbslandwirtschaft angeordnet (hierbei handelt es sich letztlich um eine verdeckte Subvention aus den Mitteln Privater), zur Höhe des Pflichteils bei Gesellschaftsbetei1igungen des Erblassers siehe jetzt Winkler, Be­triebsberater 1997, 1697 ff.

 

In den meisten Fällen belasten Pflichtteilsansprüche die Liquidität des Unternehmens erheblich. Der finan­zielle Spielraum des Unternehmers wird über Jahre hin­weg eingeengt. Das Pflichtteilsrecht ist daher inve­stionsfeindlich. Oft genug werden Unternehmen durch die Geltendmachung von Pflicht­teils­­ansprüchen so sehr finanziell geschwächt, daß der Erbe schließlich ge­zwungen ist, an einen Wettbewerber zu verkaufen.

 

Eine dezidiert pflichtteilsfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt hinzu. Hinzuweisen ist auf die insoweit eindeutigen Warnungen, die der Rich­ter im Erbrechtssenat des Bundesgerichtshofs, Dr. Schmidt-Kessel, auf dem 23. Deutschen Notartag an die Notare gerich­tet hat, Sonderheft Deutsche Notarzeitschrift 1989, Seite 158 – 165.

 

 

3.    Steuerrecht

 

Die Übertragung von KMU kann zur Belastung durch fol­gende Steuern führen:

 

–     Grunderwerbsteuer;

–     Erbschaftsteuer;

–     Ertragsteuer.

 

Insoweit hat sich die Steuerrechtslage in Deutschland in der jüngsten Vergangenheit in allen drei Bereichen verschlechtert.

 

 

a)    Grunderwerbsteuer

 

Zum einen ist die Grunderwerbsteuer zum 01.01.1997 von 2 % auf 3,5 % angehoben worden, auch die Bemes­sungsgrundlage bei Unternehmen wurde zu Lasten dersel­ben verändert. Gerade bei Unternehmensumstrukturierun­gen stellt die Grunderwerbsteuer einen der hauptsäch­lichen Kostenfaktoren dar.

 

 

b)    Erbschaft- und Schenkungsteuer

 

Weiterhin ist zum gleichen Zeitpunkt eine Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in Kraft getreten, die für alle diejenigen Unternehmer die Rechtslage verschlechtert, deren Geschäftsbetrieb über einen wirklichen Kleinbetrieb hinausgewachsen ist. Wird ein Unternehmen im Wert DM 10.000.000,– an ein Kind vererbt, so unterliegt ein Steuerwert von 5,1 Millionen DM der Erbschaftsteuer. Die Steuerbela­stung hieraus beträgt 19 %. Der sich ergebende sofort fällige Betrag von 969.000,– DM stellt für ein Unter­nehmen eine untragbare Belastung dar. Hier gilt das oben 2. zum Pflichtteilsrecht Gesagte entsprechend.

 

 

c)    Ertragsteuer

 

Ähnliches gilt schließlich für die Ertragsteuer. Bis­lang hat insbesondere das reformierte Umwandlungsteu­ergesetz Möglichkeiten für den Unternehmenserwerber eröffnet, die Kosten des Unternehmenserwerbs über Aufstockungen auf die Aktivwerte des übernommenen Ver­mögens („step-up“) oder die Übernahme von Verlusten bzw. über ein negatives Kapitalkonto steuerlich zum Teil zu refinanzieren. Diese Möglichkeiten sind erst jüngst durch die vom Vermittlungsausschuß mit Rückwir­kung zum 1.1.1997 beschlossenen Änderungen in §§ 4 Abs. 5 und 6, 12 Umwandlungsteuergesetz (u.a.) erheb­lich eingeschränkt worden.

 

Während nach bisheriger Rechtslage die Übernahme eines Unternehmens mit einem Negativkapital von minus 1 Million DM und stillen Reserven (einschließlich Firmenwert) von 800.000,– DM dazu führte, daß bei der Übernahme durch eine Personengesellschaft einmal ein negatives Kapitalkonto in Höhe von DM 200.000,– das Einkommen des übernehmenden Gesellschafters minderte, zusätzlich in Höhe der stillen Reserven und des Firmenwerts zu DM 800.000,– Abschreibungspoten­tial geschaffen wurde, kann von diesen Möglichkeiten künftig nur mehr Gebrauch gemacht werden, wenn vor der Übertragung eine Aufstockung der Buchwerte statt­findet, mit der Folge, daß u.U. ein steuerpflichtiger Gewinn beim zu erwerbenden Unternehmen entsteht.

 

Von besonderer Bedeutung für den Mittelstand sind auch die Änderungen, die für im Privatvermögen gehal­tene Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gelten (Änderung des § 50c EStG).

 

Diese Änderungen treffen den Mittelstand, während die im Gegenzug beschlossene Abschaffung der Gewerbekapi­talsteuer vor allem Großunternehmen Vorteile bringt. Die unter dem Schlagwort der Gegenfinanzierung getrof­fenen Maßnahmen sind damit, von der fehlenden Identi­tät der Empfänger des jeweiligen Steueraufkommens abgesehen, volkswirtschaftlich inkongruent, zum Ganzen eingehend Förster, Der Betrieb 1997, 1786 ff.; Schultz,  Der Betrieb 1997, 1790 ff.; Haritz, GmbH-Rundschau 1997, 783 ff.; Rödder, Deutsches Steuerrecht 1997, 1425 f.; Füger/Rieger, Deutsches Steuerrecht 1997, 1427 ff.; Blumers/Bei­nert, Betriebsberater 1997, 1880 f.

 

Im Rahmen der Steuerreformpläne soll zudem die ermä­ßigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns des Unter­nehmers bei Betriebsaufgabe letztendlich wegfallen. Dies betrifft auch den Generationswechsel unter Leben­den.

 

Das von Seiten der Politik immer wieder beschworene Ziel der Förderung von KMU wurde und wird im Rahmen der Gegenfinanzierung steuerpolitischer Maßnahmen hintangestellt, ein Vorgang, der als symptomatisch für Theorie und Praxis der deutschen Mittelstandspoli­tik gelten kann.

 

 

III. Berufsrechtliche Aspekte

 

 

Am Berichtsentwurf erstaunt, daß der Beruf des Notars und seine Rolle unerwähnt bleibt (vgl. Seite 14 -15). Immerhin leistet jedenfalls in Deutschland die­ser Beruf die Hauptarbeit bei der Übertragung von KMU und bietet dem Unternehmer dank staatlich festgesetz­ter Gebühren eine rechtliche Grundversorgung, deren Preis-Leistungs-Verhältnis in weiten Bereichen deut­lich besser ist als das anderer rechts- und wirtschaftsberatender Berufe.

 

 

1.    Fachliche Qualifikation

 

Dank seiner Zuständigkeiten im Gesellschafts-, Erb- ­und Grundstücksrecht ist der Notar der berufene Bera­ter gerade für die Übertragung von KMU. Typischerwei­se werden derartige Transaktionen deshalb im Verbund zwischen dem Notar und dem Steuerberater/Wirtschaft­sprüfer des Unternehmens vorgenommen. Hierbei zeich­net der Steuerberater/Wirtschaftsprüfer verantwort­lich für die betriebswirtschaftliche und steuerliche, der Notar für die rechtliche Seite der Übertragung.

 

Jeder Berater ist somit auf das Gebiet beschränkt, in welchem er eine Leistung erbringen kann, die den Stan­dards der professional best practice entspricht. Zudem gewährleistet die Beratung in kleinen Teams ein Höchstmaß an persönlicher Betreuung.

 

 

2.    Transaktionskosten

 

Transaktionskosten können dank dieses ad-hoc-Berat­erteams niedrig gehalten werden. Hierin liegt ein weiterer wesentlicher Vorteil gegenüber der Beratung „aus einer Hand“ durch eine anonyme „law-firm“.

 

Der Notar bietet seinem Klienten zum einen ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Soweit Rechtsanwäl­te nach der Anwaltsgebührenordnung abrechnen, liegen diese Gebühren deutlich über den Notargebühren, wobei die Schere mit steigenden Werten zunehmend auseinan­derklafft.

 

So entsteht bei einem Vertrag mit einem Geschäftswert von 1 Million DM eine Beurkundungsgebühr in Höhe von DM 3.220,– netto. Die Beratung eines Vertragsteils durch einen Anwalt kostet bereits dann, wenn dieser Anwalt das allgemeine Geschäft betreibt und an einer Besprechung mit der Gegenseite teilnimmt, im Durch­schnitt eine 17,5/10 Gebühr nach BRAGO, somit je vertretener Partei DM 10.900,– netto.

 

Soweit die Anwaltschaft nach Zeithonoraren abrechnet, sind die angesetzten Arbeitszeiten für den Unterneh­mer zum einen nicht nachvollziehbar. Zum anderen birgt dieses Verfahren die aus den USA bekannte Ge­fahr des „over-lawyering“ der Angelegenheit im Inter­esse der Honorarmaximierung. Nicht von ungefähr be­trägt nach einer US-amerikanischen Studie der Anteil der Rechtsberatungskosten am Bruttosozialprodukt in den USA 2,6 %, in Kontinentaleuropa zwischen 0,4 % und 0,6 %, Tillinghast, Tort Cost Trend: An International Per­spective, 1989.

 

Eine gesetzlich fixierte Gebühr ist hingegen für die Unternehmer wie für den Verbraucher kalkulierbar. Da auch der Notar ein Interesse daran hat, den Klienten an sich zu binden, ist dieser vor reinen Standardpro­dukten geschützt und erhält eine individuelle Lösung.

 

 

3.    Berufsrechtliche Sicherungen

 

Auch die bestehenden Sozietätsverbote im hauptberufli­chen Notariat sichern diesen hohen Qualitätsstandard und das günstige Kostenniveau, da sie alle beteilig­ten Berater im Interesse des eigenen standing zwin­gen, als ihren jeweiligen Partner im konkreten Projekt eine Person von optimaler Fachkompetenz zu wäh­len. Gesichtspunkte wie bestehende vertragliche Bin­dungen (Sozietätsverträge etc.) oder die gleichmäßige Auslastung aller Mitglieder einer interprofessionel­len Sozietät ohne Rücksicht auf ihre Qualifikation spielen keine Rolle.

 

Zudem erspart die Verpflichtung des Notars zur Unpar­teilichkeit gerade im Fall der Übertragung eines Unternehmens erhebliche Beratungskosten. Es ist nicht notwendig, daß sich Veräußerer und Erwerber nochmals gesondert beraten lassen. Insbesondere ist in Deutsch­land die gleichzeitige Einschaltung von zwei hauptbe­ruflichen Notaren völlig unbekannt.

 

Demgemäß kennen auch alle anderen europäischen Länder mit Ausnahme der Niederlande strikte Sozietätsverbote zwischen Notaren und Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Zumeist ist sogar die Sozietät zwischen Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer verboten,

 

vgl. Protokoll der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zur Novelle der Bundesnotarordnung am 25.06.1997, Protokoll Nr. 92, S. 20.

 

In Deutschland zeigen sich jedoch Tendenzen, den Beruf des Notars für überörtliche und interprofessio­nelle Sozietäten teilweise zu öffnen. Hiervon betrof­fen sind die Notare, die im Hauptberuf zugleich Rechtsanwälte sind, eine Notarform, die in ca. einem Drittel des deutschen Staatsgebiets anzutreffen ist. Aus der Sicht der betroffenen KMU wie der Verbraucher kann dies nur bedauert werden. Denn wie gezeigt, wird dies jedenfalls dem Ziel transparenter und günstiger Beratungskosten und der weiteren Qualitätssteigerung nicht dienlich sein. Diese Entwicklung wird in Deutsch­land bislang jedoch nur unter dem Aspekt der Interes­sen großer law-firms diskutiert. Ihre Rückwirkungen auf die Interessen der Nachfrager juristischer Dienst­leistungen, den Verbraucherschutz und die Gesamtwirt­schaft wurden und werden aus dieser Debatte ausgeblen­det.

 

 

IV. Wirtschaftliche Aspekte (Kapitalmarkt)

 

 

Auch im Bereich der KMU nimmt die Bedeutung des Fak­tors Kapital gegenüber dem Faktor Arbeit zu. Qualifi­zierte Arbeit ist nahezu überall auf der Welt zu bekommen. Fragen der Kapitalbeschaffung gewinnen für den Unternehmer daher erheblich mehr an Bedeutung als Fragen der Gewinnung fähiger Mitarbeiter.

 

 

1.    Fremdfinanzierung

 

Die Fremdfinanzierung des Erwerbs eines KMU stößt ebenso wie die Finanzierung eines KMU selbst in Deutschland auf besondere Probleme, falls keine aus­reichenden Sicherheiten im Unternehmen oder im Privat­vermögen des Inhabers zur Verfügung stehen. Die deut­sche Kreditwirtschaft ist bei ihrer Finanzierung sehr stark auf statische dingliche Sicherheiten fixiert. Die Neigung, in gute Ideen zu investieren, ist gering ausgeprägt. Dies ist möglicherweise eine Folge der sehr stark an der Immobilie orientierten deutschen Mentalität.

 

Besonders hemmend ist diese Lage für die Übernahme von KMU durch ihre Mitarbeiter. Diese haben zumeist bislang nicht in ausreichendem Maße Privatvermögen bilden können, um entsprechende Sicherungsobjekte zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die das Unter­nehmen erwerbende jüngere Generation.

 

 

2.    Eigenfinanzierung

 

Auch der deutsche Kapitalmarkt ist reformbedürftig, Reformbestrebungen sind auch im Gange. Es steht zu hoffen, daß insbesondere das kommende 3. Finanzmarkt­förderungsgesetz den Zugang zum Kapitalmarkt erleich­tern wird, zum Diskussionsentwurf Pötsch, Die Aktiengesell­schaft 1997, 193.

 

Noch am Anfang stehen privatrechtliche Instrumente wie der „Neue Markt“ der Deutschen Börse AG, hierzu Kersting, Die Aktiengesellschaft 1997, 222, oder der „Freiverkehr mit Prädikat“, den die Bayeri­sche Börse gerade entwickelt. Durch diese Märkte soll gerade mittelständischen Unternehmen insbesondere in Zukunftstechnologien die Chance geboten werden, an An­lagekapital zu kommen.

 

Bedenklich sind die derzeit hohen Zutrittskosten in diesem Markt wegen des faktischen Monopols der Banken bei der Betreuung im Rahmen der Börseneinführung. Diese Monopolstellung setzt sich insbesondere auch im Rahmen des Betreuerkonzepts beim Neuen Markt fort.

 

Die Lösung dieses Problems könnte zum einen in der besseren Förderung von venture-Kapital liegen, was dessen steuerliche Förderung einschließt. Es ist nicht einzusehen, daß immer noch die Errichtung von Supermärkten im Rahmen von Immobilienfonds weit über den tatsächlich bestehenden Bedarf hinaus steuerlich gefördert wird, die Förderung von Zukunftstechnologi­en wie Elektronik und Biotechnologie hingegen, wie oben II. 3 dargestellt, steuerlich diskriminiert wird.

 

Auch ist mehr Wettbewerb am Kapitalmarkt erforder­lich. Der Gesetzgeber muß sich dagegen wehren, daß die Marktteilnehmer die nur dem Verbraucher dienenden gesetzlichen Vorschriften (KWG, KAGG) dazu mißbrau­chen, Marktzutrittsbarrieren für „Newcomer“ zu errich­ten. Insoweit muß Investmentbanken nach US-Vorbild mehr Raum gegeben werden. Gleichzeitig ist jedoch auch für Transparenz der Börseneinführungskosten und der Kurspflege zu sorgen. Der Unternehmer, der Eigen­kapital an der Börse beschaffen will, sollte vor der Entscheidung über den Börsengang bereits eine Vorstel­lung von dessen Kosten haben.

 

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