Positionspapier des Deutschen Notarvereins zum Thema Patientenverfügung

Positionspapier vom 16.02.2009

 

Dem Bundestag liegen zum Thema Patientenverfügung/Patiententestament drei interfraktionelle Gesetzentwürfe vor. Dabei handelt es sich um:

 

·       den sogenannten „Stünker-Entwurf“,

·       den sogenannten „Bosbach-Entwurf“

·       und den sogenannten „Zöller-Entwurf“.

 

Zum Teil ist in diesen Entwürfen neben ärztlicher Beratung auch die Errichtung der Patientenverfügung vor einem Notar verpflichtend vorgesehen.

 

Nachfolgend soll erläutert werden, welche Vorteile mit der notariellen Errichtung einer Patientenverfügung verbunden sein können (A), welche Erwartungen nicht mit der notariellen Form verbunden werden dürfen (B) und welche Folgerungen und Handlungsempfehlungen sich daraus für den Gesetzgeber ableiten lassen (C). Darüber hinausgehende Wertungen einzelner Entwürfe, insbesondere soweit es die zugrunde liegenden ethischen Fragen anbelangt, möchte der Deutsche Notarverein ausdrücklich nicht abgeben.

 

A. Was bietet die notarielle Form?

 

Die Errichtung der Patientenverfügung vor einem Notar kann in Form der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB) oder der öffentlichen Beglaubigung (§ 129 BGB) erfolgen. Die Beurkundung stellt gegenüber der notariellen (Unterschrifts-) Beglaubigung die strengere Form dar.

 

Bei der Beurkundung prüft der Notar – vereinfacht erklärt – auch den Inhalt der Patientenverfügung auf dessen Richtigkeit und Vereinbarkeit mit dem Recht und sorgt für seine juristisch möglichst klare und eindeutige Formulierung. Er verliest den meist auch von ihm entworfenen Text und ist nach § 17 BeurkG zu dessen Erläuterung verpflichtet. Bei der Beglaubigung ist die Prüfungspflicht des Notars hingegen grundsätzlich auf die Identität des Ausstellenden beschränkt.

 

Sowohl bei der Beurkundung als auch bei der Beglaubigung einer Patientenverfügung hat der Notar dabei die Identität der erklärenden Person durch Vorlage von Ausweispapieren sicher festzustellen (§§ 10, 40 BeurkG). Die Möglichkeit der Fälschung einer Patientenverfügung durch Angehörige oder dritte Personen scheidet damit von vornherein aus. Der Notar hält in der Urkunde zudem Ort und Zeit der Errichtung fest (§§ 9, 39 BeurkG).

 

Beurkundet der Notar eine Patientenverfügung, so hat er – wie auch sonst bei der Beurkundung von Willenserklärungen – etwaige Zweifel über die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden in der Urkunde festzuhalten (§ 11 BeurkG). In der Praxis führt dies in Zweifelsfällen dazu, dass die Beurkundung erst nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens erfolgt und dieses in der Urkunde ausdrücklich erwähnt wird. Auch bei einer bloßen Beglaubigung ist der Notar verpflichtet, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn er davon überzeugt ist, dass der Antragsteller geschäftsunfähig ist (§ 40 Abs. 2 BeurkG).

 

Die notarielle Beurkundung ist zudem keine bloße „Formalie“, sondern führt der verfügenden Person durch das gesamte Verfahren (Vorbesprechung, Übersendung eines Entwurfs, eigentliche Beurkundungsverhandlung mit Identitätsprüfung, Prüfung der Geschäftsfähigkeit, Vorlesen und Erläutern der Urkunde sowie der abschließenden eigenhändigen Unterschrift) die Bedeutung der Erklärung eindringlich vor Augen. Kranke und immobile, etwa bettlägerige, Personen muss der Notar auch zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus aufsuchen.

 

Patientenverfügungen werden zudem vielfach im Zusammenhang mit sogenannten Vorsorgevollmachten zugunsten von nahen Angehörigen errichtet. Der Bevollmächtigte wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auch mit der Überwachung der Patientenverfügung beauftragt. Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen können dabei in dem von der Bundesnotarkammer geführten zentralen Vorsorgeregister (mit aktuell ca. 850.000 Einträgen) registriert werden und sind damit jederzeit zugänglich und auffindbar. Die Durchsetzung des Patientenwillens wird durch die Kombination von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung wesentlich erleichtert, da der Bevollmächtigte schnell Entscheidungen treffen kann und er regelmäßig behandelnde Ärzte auf die Existenz einer Patientenverfügung hinweisen wird.

 

Für die nicht vermögensrechtliche Angelegenheit der Errichtung einer Patientenverfügung fällt nach §§ 30 Abs. 2, 36 Abs. 1 KostO eine Beurkundungsgebühr in Höhe von € 26,- an. Hinzu kommen die gesetzliche Mehrwertsteuer sowie Auslagen. Bei der bloßen Beglaubigung belaufen sich die Notarkosten auf € 13,- zuzüglich Steuern und Auslagen.

 

B. Was kann die notarielle Form nicht leisten?

 

Obwohl der Notar nach § 17 BeurkG zur Beratung und Belehrung der Beteiligten über die Rechtsfolgen ihrer Erklärungen verpflichtet ist, kann die notarielle Beratung im Rahmen einer Patientenverfügung eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Notare sind Juristen und keine Mediziner und mit Intensiv- und Palliativmedizin nicht vertraut. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung von Patientenverfügungen sind sie daher auf Formulierungen angewiesen, die regelmäßig in Zusammenarbeit mit Medizinern entwickelt wurden. Die notarielle Beratung kann daher eine individuelle ärztliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.

 

C. Handlungsoptionen des Gesetzgebers

 

Aus Sicht des Gesetzgebers ergeben sich im Hinblick auf die notarielle Form der Patientenverfügung u. a. folgende Handlungsoptionen:

 

I.   Verpflichtende notarielle Form

 

Der Gesetzgeber könnte zunächst vorschreiben, dass jede Patientenverfügung notariell beurkundet werden muss. Damit würde der Gesetzgeber den Aspekt der Rechtssicherheit in den Vordergrund seiner Überlegungen stellen und die unter A. beschriebenen Vorteile der notariellen Beurkundung nutzen. Die inhaltliche Ausgestaltung der Verfügung und damit die Aspekte der Privatautonomie bzw. des Selbstbestimmungsrechts blieben unberührt, lediglich die Freiheit der Form wäre eingeschränkt.

 

Alternativ könnte der Gesetzgeber auch ausschließlich die notarielle Beglaubigung der Patientenverfügung vorschreiben. Hierdurch würden die Kosten nur geringfügig reduziert. Nach wie vor wäre der Notar aufzusuchen. Dieser ist jedoch nicht zur Beratung und Belehrung (soweit er diese leisten kann, siehe oben B.) verpflichtet.

 

II.  Differenzierung zwischen notariellen und privatschriftlichen Patientenverfügungen

 

In Anlehnung an diese bereits im deutschen Recht vorhandene Differenzierung zwischen öffentlichen Urkunden (z. B. Gerichtsurteile, notarielle Verträge) und Privaturkunden könnte der Gesetzgeber auch im Bereich der Patientenverfügungen zwischen beurkundeten und privatschriftlichen Patientenverfügungen unterscheiden. Differenzierungen sind etwa denkbar im Hinblick auf folgende Parameter:

 

1. Erforderlichkeit der Bestätigung

 

Die vorliegenden Entwürfe sehen zum Teil vor, dass Patientenverfügungen in bestimmten Zeiten ausdrücklich bestätigt werden müssen. Es könnte darüber nachgedacht werden, eine solche Bestätigung lediglich bei privatschriftlichen Erklärungen zu fordern, bzw. notariell beurkundeten Vollmachten eine längere oder eine dauernde Gültigkeitszeit zuzugestehen, was durch die Eindringlichkeit des Beurkundungsverfahrens gerechtfertigt werden kann. Ohnedies wäre ein „Verfalldatum“ für Rechtsgeschäfte im deutschen Recht ein Novum.

 

2. Inhaltliche Reichweite der Patientenverfügung

 

Weiter könnte darüber nachgedacht werden, die inhaltliche Reichweite einer Patientenverfügung in Abhängigkeit von der Errichtungsform zu bestimmen. Dies geschieht etwa im Bosbach-Entwurf, nach dem notariell beurkundete Patientenverfügungen „mehr können“ sollen als privatschriftliche Verfügungen. Dahinter steht der Gedanke, dass es umso mehr auf Rechtssicherheit ankommt, je schwerwiegender in das Lebensrecht des Verfügenden eingegriffen wird.

 

III. Nebeneinander von privatrechtlichen und notariellen Patientenverfügungen

 

Als dritte Handlungsoption kann es der Gesetzgeber – wie bisher – beim Nebeneinander von privatschriftlicher und (freiwilliger) notarieller Patientenverfügung belassen, ohne die eine oder andere Form der Patientenverfügung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen zu verknüpfen. In diesem Fall bliebe es den behandelnden Ärzten oder Gerichten überlassen, die unter A. genannten Vorteile der notariellen Patientenverfügung unter Beachtung der den §§ 414 ff. ZPO zu Grunde liegenden Wertungen im Einzelfall zu gewichten.

 

D. Zusammenfassung

Gegenüber der privatschriftlichen Form bietet die notarielle Form der Patientenverfügung unter dem Gesichtspunkt Rechtssicherheit erhebliche Vorteile bei gleichzeitig geringen Kosten. Die notarielle Beurkundung kann eine individuelle ärztliche Beratung nur ergänzen, jedoch nicht ersetzen.

 

Möchte der Gesetzgeber die mit der notariellen Form verbundenen Vorteile nutzen, so hat er mehrere Optionen. Er kann die notarielle Beurkundung verpflichtend vorschreiben, sie im Unterschied zur privatschriftlichen Erklärung mit weiterreichenden Rechtsfolgen verknüpfen oder es aber der Entscheidung im Einzelfall überlassen, welche Reichweite und Bedeutung einer notariellen oder einer privatschriftlichen Patientenverfügung zukommt.

 

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