Novellierung der Bundesnotarordnung (BNotO)

Stellungnahme vom 27.11.1997

 

Anläßlich unseres letzten persönlichen Gespräches war auch § 80 BNotO Gegenstand unserer Erörterung, dessen Änderung Sie in dem Sinne befürworteten, die Bestimmung, Präsident der Bundesnotarkammer könne ausschließlich ein NurNotar werden, zu streichen. Die gegenteilige Auffassung unseres Verbandes hatte ich Ihnen seinerzeit dargestellt. Die nun vorliegende „Formulierungshilfe“ für den Rechtssausschuß geht nun sogar noch über die von Ihnen geäußerten Vorstellungen hinaus, indem sie zusätzlich vorsieht:

„Der Wahl zum Präsidenten muß 1/4 der Vertreter, die hauptberufliche Notare sind, und 1/4 der Vertreter, die Anwaltsnotare sind, zustimmen. Ein Stellvertreter muß ein zur hauptbe­ruflichen Amtausübung bestellter Notar, ein Stellvertreter Anwaltsnotar sein.“

Die deutschen hauptberuflichen Notare sind nicht bereit, eine solche Regelung hinzunehmen, denn

–        sie hätte schon regelungstechnisch schwerwiegende Mängel,

–        sie würde einen schwerwiegenden Eingriff in die von der Bundesnotarordnung vor­gezeichnete Notariatsverfassung bewirken,

–        sie wäre damit die Ursache für die Spaltung des bisher einheitlich organisierten deut­schen Notariats.

Der Regelungsvorschlag hätte zur Folge, daß sechs Vertreter von Notarkammern des Anwaltsnotariats mit ihrem Widerspruchsrecht die Wahl des Präsidenten der Bundesno­tarkammer blockieren könnten. Ein solches „destruktives“ Mißtrauensvotum wider­spricht spätestens seit der Weimarer Zeit nach allgemeiner Erkenntnis demokratischen Gepflogenheiten. Es ist für diesen Blockadefall auch keine Übergangsregelung vor­gesehen. § 81 BNotO ordnet die Neuwahl des Präsidenten nach Ablauf der Wahlzeit spätestens in der folgenden Vertreterversammlung an und sieht eine übergangsweise fortdauernde Amtszeit bis zur erfolgreichen Neuwahl nicht vor. Einer erpresserischen Blockadepolitik von Interessenverbänden wäre damit Tür und Tor geöffnet.

 

Hinzu kommt, daß der Regelungsvorschlag § 80 BNotO im übrigen unverändert lassen will. Dies würde bedeuten, daß im Falle der Wahl eines Anwaltsnotars zum Präsidenten der Bundesnotarkammer ein Stellvertreter des Präsidenten Anwaltsnotar und ein Stell­vertreter des Präsidenten NurNotar sein müßte. Das bisher geltende 2:1 Prinzip zugun­sten des NurNotariats würde also ebenfalls noch umgekehrt. Die Begründung zur Formulierungshilfe, die auf das Fortbestehen des 4:3 Verhältnisses zugunsten des NurNotariats im Präsidium hinweist und sich auf die Begründung der BT-Drucksache III/219 bezieht, steht angesichts der vorgeschilderten Auswirkungen mit dem gesetz­geberischen Anliegen bei Schaffung der Bundesnotarordnung nicht im Einklang. Auch die Bezugnahme der Begründung auf § 86 Abs. 4 BNotO ist unverständlich. Man kann eine Regelung, die für die Ausführung von Beschlüssen gilt, auf einen Wahlvorgang, der notwendig zum Ergebnis führen muß, nicht übertragen.

Inhaltlich widerspricht die vorgeschlagene Regelung dem Konsens, der die heutige Bundesnotarordnung als einheitliches Berufsgesetz für die unterschiedlichen Notariats­verfassungen erst ermöglicht hat. Der Vorrang des hauptberuflichen Notariats in den Entscheidungsgremien der Bundesnotarkammer beruht – wie auch die Begründung zur Formulierungshilfe anerkennt – auf der Tatsache, daß die hauptberuflichen Notare auf Bundesebene lediglich die Bundesnotarkammer als ihre interessenvertretende Körper­schaft haben, während die Anwaltsnotare, die im Hauptberuf Anwalt sind, durch die Bundesrechtsanwaltskammer vertreten werden. Als Alternative wurde seinerzeit die Vertretung der Anwaltsnotare über eine eigene Abteilung in der Bundesrechtsanwalts­kammer und den Rechtsanwaltskammern erwogen. Würde dem hauptberuflichen Notariat der bisher geltende Ehrenvortritt genommen, würde dies wieder zur Forderung nach einer Aufspaltung in zwei Systeme führen, die – wenn man das heutige Ausein­anderdriften der Berufsbilder sieht – nicht einmal inkonsequent wäre.

Untauglich ist der Versuch, die angestrebte Änderung mit einer Gleichbehandlung der Anwaltsnotare im Sinne des Art. 3 GG begründen zu wollen. Art. 3 GG ist im Verhält­nis der Notariatsverfassungen zueinander kein Argument zur Angleichung der Verhält­nisse, was seit der Grundsatzentscheidung BVerfGE 17, 371 feststeht. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Staates, Organisationsentscheidungen wie die zur Notari­atsverfassung in einer Weise zu treffen, die ein friedliches Miteinander der verschiede­nen Formen ermöglicht.

Individualgrundrechte müssen insoweit hinter Sachzwängen zurückstehen. Wie ließe sich sonst angesichts der Tatsache, daß ca. 9.000 Anwalts­notare ca. 1.500 NurNotaren gegenüberstehen, ein für die hauptberuflichen Notare akzeptables Organisationsrecht schaffen, wollte man die Mitwirkungsbefugnisse „basisdemokratisch“ ableiten? Näher läge dann noch die Einführung eines Mehrfach­stimmrechts für die Vertreter der NurNotare. § 80 BNotO geltender Fassung wurde unter Geltung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, für die Prädominanz der NurNotare sprechen sachliche Gründe.

In tatsächlicher Hinsicht sei hierzu auf folgendes hingewiesen:

Etwa zwei Drittel der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland werden durch hauptberufliche Notare mit notariellen Dienstleistungen versorgt, hingegen nur ein Drittel durch Anwaltsnotare. Die Bundesnotarkammer erhebt ihre Beiträge nicht nach Kopfzahl der Berufsangehörigen, sondern gewichtet nach den Notariatsverfassungen in der Weise, daß in etwa zwei Drittel der Mittel ebenfalls von Seiten der hauptberufli­chen Notare aufgebracht werden. Ähnliche Mehrfachbelastungen ergeben sich bei Folgeinstitutionen. So ist z.B. jeder NurNotar mit dem dreifachen Beitrag zur Auf­bringung der Mittel des Vertrauensschadenfonds der Notarkammern belastet worden. Das Deutsche Anwaltsinstitut, dem die Bundesnotarkammer als Fortbildungseinrich­tung für die Anwaltsnotare das Fachinstitut für Notare angeschlossen hat, arbeitet schwerpunktmäßig mit Referenten aus dem Bereich des NurNotariats und subventio­niert das Gesamtinstitut wesentlich mit. Das Deutsche Notarinstitut in Würzburg wurde ebenfalls überwiegend durch die NurNotare finanziert, große Teile der Fachbibliothek sind eine Leihgabe des hauptberuflichen Notariats. Die Anwaltskollegen, die in den Gremien der Bundesnotarkammer mitwirken, haben sich über diese Quersubventionierungen verschiedenster Art bisher nicht beschwert und sind an einer Fortdauer der friedlichen Koexistenz dieser Art interessiert. Die NurNotare sind zu einer solchen Lastentragung stets bereit gewesen unter dem Gesichtspunkt, daß ihnen in besonderer Weise die Verantwortung für das Deutsche Notariat auf Bundesebene übertragen ist, wenn auch nicht verschwiegen werden kann, daß diese Bereitschaft zur Solidarität von der Kollegenschaft oft nur noch mit Überwindung aufgebracht wird, etwa angesichts der negativen Schadenentwicklung im Bereich der Vertrauenschadenversicherung. Eine Änderung von § 80 BNotO zu Lasten der NurNotare hätte zwangsläufig die Auf­kündigung der genannten gemeinsamen Einrichtungen zur Folge.

3. Der Deutsche Notarverein warnt daher dringend vor Eingriffen in das nach geltendem Recht sorgsam ausgewogene Organisationsrecht des Notariates. Er kritisiert vor allem den Versuch, bei diesen für die hauptberuflichen Notare elementaren Überlegungen die Betroffenen selbst möglichst auszuklammern. Wollte man das Nebeneinander der Notariatsverfassungen grundsätzlich überdenken, würde dies zunächst – wie bei Schaf­fung der Bundesnotarordnung – eine gründliche Diskussion zwischen den Vertretern der Notariatsverfassungen selbst erforderlich machen. Das jetzige Verfahren zeichnet sich hingegen dadurch aus, daß die Interessenverbände der Anwaltschaft unter Ausklamme­rung der Notarorganisationen versuchen, im Endstadium des Gesetzgebungsvorhabens Fakten zu schaffen, was etwa an die Vorgänge vor einigen Jahren erinnert, die zur gesetzlichen Schließung des Rechtsbeistandsberufes geführt haben, ohne daß die

Betroffenen hiervon überhaupt Kenntnis hatten. Der Deutsche Notarverein verwahrt sich gegen eine solche Vorgehensweise.

Ich erlaube mir daher, sehr geehrter Herr Vorsitzender, an Ihre Kollegialität zu appellieren und Sie zu bitten, der notwendigen Konsensbildung unter den Berufsangehörigen selbst nicht durch einseitige, übereilte gesetzliche Eingriffe vorzugreifen. Zu den weiteren Vorschlägen der vorliegenden Formulierungshilfe darf ich auf beigefügten Vermerk verweisen.

 

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