Gesetz zur Änderung des Vereinsrechts

Stellungnahme vom 08.11.2004

 

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Grundsätzlich begrüßt der Deutsche Notarverein das Bestreben, das geschriebene Recht dem durch die Rechtsprechung präzisierten geltenden Recht anzupassen. Voraussetzung dafür sollte jedoch sein, dass Folge der Anpassung eine größere Klarheit ist und im Zuge der Änderungen auch aktuelle Entwicklungen einbezogen und aufgetretene Fragestellungen beantwortet werden.

Bei dieser Anpassung des geschriebenen Rechts sollte jedoch insbesondere berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit von Rechtsprechung und Gesetzgebung nicht nur formal eine andere ist. Während die Rechtsprechung nur retrospektiv aufgerufen ist, vor dem Hintergrund des geltenden Rechts eine dem – problembehafteten – Einzelfall angemessene Lösung zu finden, ist der Gesetzgeber umgekehrt berufen, präventiv und damit für die Zukunft eine über den Einzelfall hinausgehende vernünftige Regelung zu schaffen, die verhindert, dass es überhaupt zu dem Problem kommt.  Beides kann, muss sich aber nicht decken, wie das Beispiel des Vereinsrechts zeigt. Auch vor diesem Hintergrund erscheint der vorliegende Gesetzesentwurf noch mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten.

 

Der Deutsche Notarverein möchte einige generelle Überlegungen zur Systematik des Vereinsrecht anstellen, im folgenden zu den zentralen Änderungen des Gesetzesentwurfs kurz Stellung nehmen und zum Teil Alternativen vorschlagen bzw. diejenigen Fragen beleuchten, die noch einer genaueren Prüfung bedürfen.

 

I.           Der Verein im Spannungsfeld von Haftung und Publizität

 

Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden, Art. 9 Abs. 1 GG. Die nähere Ausgestaltung dieser Rechtsträger selbst steht unter dem Vorbehalt des Gesetzes Die Verfassung gibt jedoch eine prinzipielle Unterscheidung zwischen nicht auf wirtschaftliche Tätigkeit gerichteten Vereinen und auf wirtschaftliche Tätigkeit gerichteten Gesellschaften vor. Zudem unterliegt der Gesetzgeber im Rahmen der Normsetzung ebenfalls dem Grundgesetz, insbesondere dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgenden Willkürverbot, Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit prägt die Gesamtrechtsordnung. Gewerbebetriebe sind nach öffentlichem Recht anzeigepflichtig, § 14 GewO. Wer sein Gewerbe als Personenhandelsgesellschaft ausüben will, bedarf hierzu der Eintragung in das Handelsregister, §§ 105, 161 HGB. Soweit hierzu ein in vollkaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb erforderlich ist (§ 1 Abs. 2 HGB), gilt die Gesellschaft auch unabhängig von der Handelsregistereintragung als offene Handelsgesellschaft, § 105 Abs. 2 HGB. Wer seine Tätigkeit mit dem Privileg persönlich beschränkter Haftung mittels einer juristischen Person ausüben will, bedarf hierzu in jedem Fall einer Handelsregistereintragung, die das Durchlaufen eines Gründungsprozesses unter staatlicher Kontrolle voraussetzt, § 11 Abs. 1 GmbHG, § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG.

 

Hieraus lässt sich folgendes weitere generelle Prinzip der Behandlung wirtschaftlich Tätiger entnehmen, nämlich der Konnex zwischen Haftungsbeschränkung und Publizität: Wer seine Tätigkeit selbst oder im Rahmen einer Personenhandelsgesellschaft ausüben will, haftet unbeschränkt, generell unbeschränkbar, unmittelbar und persönlich. Ausnahmefall ist die Haftung des Kommanditisten, bei der jedoch erst mit der Handelsregistereintragung entsteht, § 176 HGB. Publizität substituiert Haftung. Bei der GmbH & Co. KG tritt die Publizität des Jahresabschlusses noch hinzu. Bei der juristischen Person (GmbH, AG, KGaA etc.) wird Haftung neben der Abschlusspublizität noch durch Satzungspublizität (vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, 37 Abs. 4 Nr. 1 AktG) und die Vorschriften über Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung substituiert.

 

Der wechselseitige Bedingungszusammenhang zwischen Haftung und Publizität, de lege lata auch zwischen Haftung und Kapitalschutz ist durchaus sinnvoll. In beiden Fällen geht es um den Schutz des Rechtsverkehrs, entweder durch persönliche Haftung (und Publizität des Haftungsträgers) oder durch eine ökonomisch effiziente Informationsallokation auf dem Markt (durch Publizität der Rechtsverhältnisse des Marktteilnehmers einschließlich der Satzung, durch Publizität der Rechnungslegung). Als Besonderheit des deutschen Rechtsverkehrs tritt eine nach außen hin nur sehr eingeschränkt beschränkbare Vertretungsmacht der Organe eines auf dem Markt tätigen Rechtsträgers hinzu, vgl. etwa §§ 48 Abs. 2, 49 Abs. 2, 50, 125, 161 Abs. 2 HGB, § 37 GmbHG, 78, 82 AktG.

 

Dies alles gilt im Vereinsrecht nur eingeschränkt bzw. nicht. Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vorstands sind auch im Außenverhältnis beliebig zulässig, vgl. §§ 68, 70 BGB. Zwar besteht Satzungspublizität (§ 59 Abs. 2 Nr. 1 BGB, doch eine §§ 54 GmbHG, 181 AktG vergleichbare Vorschrift fehlt – vgl. § 71 BGB), was übrigens der Rechtssicherheit schadet und zu zahlreichen Streitigkeiten im Vereinsrecht Anlass gibt (die Einführung einer Vereinssatzungsbescheinigung wäre im Übrigen ein Reformanliegen). Vereine unterliegen nicht den Publizitätspflichten der Jahresabschlussrichtlinie, obwohl auch sie juristische Personen sind. Dennoch ist die Haftung auf das Vereinsvermögen beschränkt, von § 31 BGB abgesehen. Im Vereinsrecht ist also der Schutz des Rechtsverkehrs nur von geringer Bedeutung.

 

Vereine sind damit im Rechtsverkehr gegenüber wirtschaftlich tätigen Rechtsträgern privilegiert. Preis dieser Privilegierung muss der grundsätzliche Verzicht darauf sein, wirtschaftliche Tätigkeiten als Verein auszuüben. Hierfür stellt der Gesetzgeber die anderen Rechtsformen des Privat- und Handelsrechts in ausreichender Zahl zur Verfügung. Auch dem Verein ist es möglich, seine wirtschaftlichen Tätigkeiten auf Rechtsträger des Handelsrechts zu übertragen. Nicht nur das Umwandlungsgesetz stellt hierfür mannigfache Gestaltungsmittel zur Verfügung.

 

Jede wirtschaftliche Betätigung unter dem Rechtskleid des Vereins ist zudem zugleich eine Benachteiligung derjenigen, die sich der Rechtsformen des Handelsrechts bedienen. Es wundert nicht, dass die hierdurch Benachteiligten sich zu wehren suchen. GWB und UWG sind ebenso wie das Steuerrecht nur die gesellschaftspolitischen „Überdruckventile“ für Fehlentwicklungen im Vereinsrecht (Stichwort: Betreiben von Versicherungs- und Bankgeschäften). Weitere Auswüchse wie etwa Erbrechtsgesellschaften, Betreuungsvereine, Sorge- und Unterhaltsrechtsvereine, Vereine zur Vereinnahmung von Rabatten oder Provisionen etc. belegen die Fehlbildungen, an denen sich die Folgen dieser staatlichen Fehlsteuerung wirtschaftlichen Handelns zeigen. Mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz werden diese Auswüchse zunehmen, da die Ausübung steuerpflichtiger Rechtsberatung unter dem Rechtskleid des steuerlich von der Allgemeinheit subventionierten – gemeinnützigen Vereins oder Berufsverbands ökonomische Vorteile für den Einzelnen generiert, die er sich natürlich nicht entgehen lassen wird.

 

Angesichts dieser Grundprinzipien unserer Rechtsordnung geht der Referentenentwurf zur Änderung des Vereinsrechts den falschen Weg und eröffnet weitere Wege zur Plünderung der Staatskassen durch einzelne pressure groups. Die Kapitulation der Rechtsprechung vor der normativen Kraft des Faktischen im Vereinsrecht, etwa im ADAC-Urteil des BGH, zieht nun offenbar eine solche des Gesetzgebers nach sich. § 21 Abs. 1 BGB in der Fassung des Referentenentwurfs ist nicht mehr justiziabel, weder für das Gericht im Sinne des § 43 BGB in der Fassung des Referentenentwurfs noch für Wettbewerber, die Unterlassungsansprüche nach dem UWG („Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch“) geltend machen wollen. Das so bewirkte Entstehen rechtsfreier Räume mit Rücksicht auf Gruppenegoismen kann nicht hingenommen werden. Folge fehlender Justiziabilität sind Kontrolldefizite, die Reservate für gesetzwidriges Handeln schaffen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Deutsche Notarverein, in den folgenden Bereichen eine Änderung des bisherigen Gesetzesentwurfs vorzunehmen.

 

II.         Die Abgrenzung von nichtwirtschaftlichem und wirtschaftlichem Verein / Nebenzweckprivileg – § 21 BGB-E

 

a) Bei der Frage der Abgrenzung von wirtschaftlichem und nicht wirtschaftlichem Verein hat sich die teleologisch-typologische Methode von Karsten Schmidt in Rechtsprechung und Literatur durchgesetzt. Sie beschreibt anschaulich, wann es sich um einen wirtschaftlichen „Verein“ handelt. Eine Reform des Vereinsrechts sollte diese anerkannte Abgrenzung als Regelbeispiele nunmehr in das BGB aufnehmen, anstatt weiterhin mit unscharfen Begriffen zu arbeiten.

Einer umfassenden Diskussion unter Einbeziehung von Praxis und Wissenschaft sollte auch die sich bei einer Reform des Vereinsrechts aufdrängende Frage des Umgangs mit der hoch umstrittenen Rechtsprechung des BGH im ADAC-Fall vorbehalten bleiben. Hier darf sich der Gesetzgeber nach Auffassung des Deutschen Notarvereins nicht darauf beschränken, die weite Auffassung des BGH kritiklos und ohne vertiefte Auseinandersetzung in der Gesetzesbegründung zu übernehmen. Dass Vereine in geringem Maße eine wirtschaftliche Tätigkeit selbst und in sicherlich größerem Maße eine solche durch Tochterunternehmen ausüben können sollen, um mit den Erlösen den eigentlichen Vereinszweck zu fördern, ist zwar auch nach Auffassung des Deutschen Notarvereins zu begrüßen.

Doch umgekehrt sind die Grenzen näher zu beleuchten, die für die – möglicherweise aus steuerlich begünstigten Vereinsmitteln stammende – Unterstützung der Tochter­gesellschaften durch den Mutterverein und die dem Rechtsverkehr gegenüber zu wahrende Trennung von nichtwirtschaftlichem Verein und wirtschaftlichem Tochterunternehmen zu ziehen sind. Auch sollten jenseits der Frage Zulässigkeit / Nichtzulässigkeit graduelle Lösungen angedacht werden, die insbesondere bei Großvereinen zu einer größeren Transparenz und einem akzeptablen Einfluss der Mitglieder auf die die Entscheidungen der Tochtergesellschaften führen.

Insbesondere sollten dabei die neuen Erkenntnisse zur Corporate Governance in diese Überlegungen einfließen. Es gilt etwa zu verhindern, dass die Vereine oder Stiftungen im Rechtsverkehr in vielfältiger Weise missbraucht werden, sei es zur Umgehung von Transparenzvorschriften, sei es durch Verwendung des „Good Wills“ dieser Rechtsformen im Wettbewerb mit den ersichtlich wirtschaftlich geprägten Gesellschaftsformen.

b) Im Rahmen der Kodifizierung des Nebenzweckprivilegs erscheint das Kriterium der „Geringfügigkeit“ in § 21 Abs. 1 BGB-E nicht klar genug: So ist bei einem sehr großen Verein auch ein für sich genommen sehr großer wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb möglicherweise noch „geringfügig“, während bei einem sehr kleinen Verein bereits das jährliche organisierte Vereinsfest mit Verkaufsständen nicht mehr geringfügig sein dürfte. Der Deutsche Notarverein hält daher die Grundthese des Gesetzentwurfs, dass nämlich „das zulässige Ausmaß des Geschäftsbetriebes von der Größe des Vereins“ abhänge (S. 16), für nicht richtig. Nur weil der Große mehr braucht, muss dies nicht bedeuten, dass er auch mehr darf. Jedenfalls dann nicht, wenn es – wie hier über Vorschaltgesellschaften – andere Lösungen gibt, dem Verein zu größeren Einnahmen zu verhelfen.

Die Argumentation gewinnt daher umgekehrt an Überzeugungskraft: Dem kleinen Verein sollte auch ein relativ großer und damit mitnichten geringfügiger (aber eben absolut dennoch kleiner) Geschäftsbetrieb gestattet sein, während es dem Großverein viel eher zuzumuten ist, seinen relativ kleinen (aber absolut eben doch großen) Geschäftsbetrieb auszugliedern und damit den Vorschriften des entsprechenden Gesellschaftsrechts zu unterstellen. Denn so richtig es ist, dass große Vereine auf eine weitergehende unternehmerische Tätigkeit angewiesen sein können als kleinere, so wenig überzeugend scheint es zu sein, dass dies auch ohne Einhaltung der für diese Tätigkeit vom Gesetz bereitgestellten Gesellschaftsform zulässig sein soll. Der Gesetzesentwurf sollte daher den Versuch einer anderen, klareren Abgrenzung unternehmen, die weniger auf die Relation des Geschäftsbetriebes zur Vereinsgröße abstellt als auf die Größe des Geschäftsbetriebes in der Wahrnehmung durch den Rechtsverkehr.

Äußerster Maßstab für die Reichweite des Nebenzweckprivilegs könnte und sollte § 1 Abs. 2 HGB sein. Jeder gewerbliche Nebenbetrieb eines hat sich daher den Rechtsformen des Handelsrechts zu bedienen, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. § 21 Abs. 1 BGB könnte daher wie folgt lauten:

„(1)Ein Verein kann zu jedem nichtwirtschaftlichen Zweck gegründet werden. Ein eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb des Vereins ist nicht statthaft, es sei denn, dass dieser nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“

Jede Industrie- und Handelskammer wird aufgrund ihrer langjährigen Praxis mit den §§ 1 ff. HGB sowohl in der vor als auch nach dem Handelsrechtsreformgesetz geltenden Fassung die Justiziabilität dieses Abgrenzungskriteriums bestätigen können. § 43 BGB in der Fassung des Referentenentwurfs könnte daher um folgenden Satz ergänzt werden:

„§ 126 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.“

Justiziable Abgrenzungskriterien generieren ökonomische Effizienzvorteile bei der Normdurchsetzung („enforcement“). Zum einen machen sie Normen leichter handhabbar. Zum anderen erleichtern sie die Selbstkontrolle durch den Markt mittels des Wettbewerbsrechts. Insoweit sollte die Gesetzesbegründung klarstellen, dass es sich bei den Anforderungen des § 21 BGB um solche handelt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer des Marktverhalten zu regeln (i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG n.F.) Damit werden insbesondere auch die zur Überwachung der Vereine nach § 43 BGB-Referentenentwurf berufenen Gerichte entlastet, die für diese der Exekutive zuzuordnende Aufgabe gar nicht gerüstet sind. Über das Wettbewerbsrecht wird die Vereinsaufsicht zudem vom Markt bezahlt (über Gerichtsgebühren), die Aufsicht nach § 43 BGB-Referentenentwurf zahlt hingegen der Steuerzahler.

 

c) Nur am Rande soll im Hinblick auf die bisher vorgeschlagene Formulierung in § 21 BGB-E gefragt werden, welche Aussage der letzte Halbsatz („ein solcher Geschäftsbetrieb führt nicht zur Annahme eines nach Satz 1 unzulässigen wirtschaftlichen Zwecks.“) vor dem Hintergrund hat, dass bereits der vorherige Halbsatz „Dem steht ein eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht entgegen, …“ bei unbefangenem Lesen das gleiche besagt.

 

III.        Streichung des wirtschaftlichen Vereins – § 22 BGB-E

Der Deutsche Notarverein hält es für gesetzestechnisch problematisch, durch die vollständige Streichung des wirtschaftlichen Vereins im BGB den Eindruck zu vermitteln, es gäbe keine wirtschaftlichen Vereine mehr. Besser wäre es, durch eine entsprechende Vorschrift darauf hinzuweisen, dass wirtschaftliche Vereine nur nach Maßgabe spezialgesetzlicher Vorschriften und aufgrund der Genehmigung durch die in diesen Vorschriften genannte Verwaltungsbehörde entstehen können.

Formulierungsvorschlag:

§ 22

Ein Verein, dessen Zweck auf eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgerichtet ist (wirtschaftlicher Verein), entsteht nur, wenn er durch Gesetz ausdrücklich zugelassen und von einer im Gesetz bestimmten Behörde genehmigt ist.

IV.       Streichung des ausländischen Vereins

Dieser Reformvorschlag wird vom Deutschen Notarverein begrüßt. Er dient der Vereinfachung und Verschlankung des Vereinsrechts.

V.         Auflösung bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – § 42 BGB-E

Der Deutsche Notarverein begrüßt auch diese systematisch gebotene Änderung.

VI.       Anwendbarkeit des Vereinsrechts auf den nichtrechtsfähigen Verein – § 54 BGB-E

a) Terminologisch unterstützt der Deutsche Notarverein von dritter Seite häufig gemachte Anregung, im Lichte der neuen Rechtsprechung des BGB zur Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ 146, 341) generell nicht mehr vom „nichtrechtsfähigen“ Verein zu sprechen, zumal der Inhalt der neuen Norm ja gerade das Gegenteil beinhaltet. Vielmehr kann es sich nur um den „nichteingetragenen“ Verein handeln (so zutreffend K. Schmidt, GesR § 25 II 1).

b) Der Entwurf geht mit § 54 BGB-E im übrigen entgegen seiner eigenen Begründung über den aktuellen Stand in Rechtsprechung und Lehre hinaus, indem er für den nicht eingetragenen Verein letztlich auch die Beschränkung der Haftung der Mitglieder auf das Vereinsvermögen zur Anwendung kommen lassen will, obwohl dies allenfalls für den nicht eingetragenen Idealverein in Betracht kommt. Bereits hier zeigt sich die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen den Vereinstypen und die mit ihr verbundene Unsicherheit für die Vereinsmitglieder, die mangels Eintragungsakt und der damit verbundenen Prüfung nicht wissen können, in wie weit sie letztlich haften.

c) Generell sollte daher überlegt werden, ob das Konstrukt des nichteingetragenen Vereins als Außen-Verein überhaupt (weiterhin) gefördert oder ob nicht im Rahmen einer echten Reform eine Konzentration der Verbandsformen erreicht werden sollte. Ziel eines in sich schlüssigen Konzeptes wäre es, alle Vereine, die als solche im Rechtsverkehr auftreten wollen, zur Eintragung zu bringen, weil nur so eine Prüfung des Vereinszwecks unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Wirtschaftlichkeit erfolgen kann. Wer seine Organisation nicht eintragen lassen will, muss die Folgen seines Tuns erkennen können, nämlich die Qualifikation der Vereinigung nicht als Körperschaft mit den Vorzügen der Haftungsbeschränkung, sondern als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder aber als OHG, jeweils verbunden mit den entsprechenden Haftungsbestimmungen. Umgekehrt bedeutet dies aus Sicht der Mitglieder: Wer einem Verein beitritt, sollte sich grundsätzlich sicher sein können, dass dessen Haftungsbeschränkung greift – den vorsätzlichen Missbrauch des (satzungsmäßigen) Idealvereins als Träger einer tatsächlichen wirtschaftlichen Betätigung einmal ausgenommen.

Die geltende Rechtslage des Vereinsrechts stellt sich demgegenüber mit dem Vorhandensein von eingetragenen und nicht eingetragenen Vereinen, von denen einige in Wirklichkeit offene Handelsgesellschaften sind, als überaus unübersichtlich dar. Eine Neuregelung könnte diesem Trend entgegenwirken, indem eine möglichst klare Abgrenzung zwischen den verschiedenen Typen der Organisation getroffen und damit ein Stück Rechtssicherheit wieder hergestellt wird.

Insbesondere die Rechtsfigur des nichtrechtsfähigen Vereins zeigt eindringlich, welche Probleme sich aus der Abgrenzung zu den Personengesellschaften ergeben. Zitiert sei hier nur exemplarisch Karten Schmidt (GesR § 23 I 1.):

„Die Schwierigkeiten des Vereinsbegriffs liegen auf dem Gebiet der nichtrechtsfähigen Vereine (…), denn hier muss die Abgrenzung zwischen Vereinen und Gesellschaften von Fall zu Fall neu geprüft werden.“

Damit ist das Problem bereits umrissen. Wann sollte diese Prüfung denn von Fall zu Fall erfolgen? Ex ante (bei der Eintragung) oder aber ex post (im Rechtsstreit), also nachdem die Probleme aufgetreten sind? Letzteres entspräche dem englischen Leitspruch „We cross the bridge, when we come to it!“ (zu übersetzen wohl mit: „Um die Brücke kümmern wir uns, wenn wir sie erreicht haben“), birgt aber die immanente Gefahr, dass– um im Bild zu bleiben –  gar keine Brücke vorhanden ist, wenn der Vereinsausflug am tiefen Fluss eintrifft. Im Sinne der Rechtsklarheit und der vorsorgenden Rechtspflege spricht vieles für die Prüfung ex ante und damit für eine  klare Unterscheidung, die allein von der Eintragung abhängig ist!

Betroffen ist hier nämlich zudem das Paradoxon, dass die Abgrenzung zwischen angeblich wesensgleichem eingetragenem und nicht eingetragenem (bzw. in traditioneller Begrifflichkeit zwischen rechtsfähigem und nichtrechtsfähigem) Verein leichter ist (nämlich einfach über das Merkmal der Eintragung) als die Abgrenzung zwischen den doch eigentlich wesensverschiedenen Vereinen und Gesellschaften (siehe auch hierzu Karsten Schmidt, GesR § 25 I 2, der von einer in 100 Jahren nicht geringer gewordenen „Ratlosigkeit“ spricht).

Es sei daher – soweit dies hier in dem zur Verfügung stehenden Umfang möglich ist – die Frage aufgeworfen, welche „Existenzberechtigung“ der „nicht eingetragene Verein“ – oder in der Sprache des Entwurfs der „nicht rechtsfähige“ Verein – als eigenes Konstrukt heute noch haben kann und haben sollte. Der historische Gesetzgeber hatte den nichtrechtsfähigen Verein dem Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterstellen wollen und zwar aus Gründen, die längst Rechtsgeschichte geworden sind: Das Misstrauen gegenüber den als Verein organisierten Gewerkschaften und Parteien, die zur Eintragung gezwungen und damit letztlich unter die staatliche Kontrolle gebracht werden sollten (über das sogenannte „verschleierte Konzessionssystem“ der §§ 61 II, 43 III aF). Diese Motivation ist in der Tat inzwischen überholt und mit ihr die Hürden für die Eintragung der entsprechenden Organisationen.

Doch statt als Schluss daraus – wie es in der Rechtsprechung geschehen ist – automatisch und auch für die Zukunft zu einer weitgehenden Angleichung von eingetragenem und nicht eingetragenem Verein zu kommen, die nun durch das vorgeschlagenen Gesetz noch perpetuiert würde, muss die Frage gestellt werden, ob nicht mit ganz anderen Gründen das ursprünglich intendierte Recht beibehalten bleiben sollte. Oder anders formuliert: Welche berechtigten Gründe gibt es, den nicht eingetragenen Verein weiter aufzuwerten (nach der Begründung soll „für nichtrechtsfähige Vereine mehr Rechtssicherheit geschaffen und ihre Rechtsposition gestärkt“ werden), anstatt alle Vereine entweder zur Eintragung zu bewegen oder aber zur Umwandlung in die eigentlich für ihre Zwecke geeignete Rechtsform?

Oder nochmals anders gefragt: Welchen Anreiz hat es noch für einen neu zu gründenden Verein, die Eintragung zu erlangen, wenn er doch auch ohne diese – von der Grundbuchfähigkeit einmal abgesehen – in vielen Belangen die gleichen Rechte hat und vor allem durch die weite Verweisung des § 54 BGB-E auch den Vorzug der beschränkten Haftung seiner Mitglieder genießt? Die Grenzen des noch Akzeptablen werden spätestens dann überschritten, wenn die Angleichung von eingetragenen und nicht eingetragenem Verein sogar dazu führen würde, auch die Grundbuchfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins anzuerkennen, was von Stimmen der Literatur tatsächlich gefordert wird (siehe nur Palandt § 54, Rn. 8).

Ein etwas erstaunliches Argument gegen eine Qualifikation des nicht eingetragenen Vereins als Gesellschaft bürgerlichen Rechts findet sich in der Entwurfsbegründung: Die Gründer wollten keine Personengesellschaft gründen, sondern einen Verein. Das ist sicherlich richtig. Die Gründer einer GmbH wollen jedoch ebenfalls keine Personengesellschaft gründen, sondern eine – den Verein als Blaupause heranziehende – Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung. Dennoch und ganz unbestritten verweigert die Rechtsordnung diesem Wunsch jede Anerkennung, solange es nicht zur Eintragung kommt. Die eigentlich einfache Gleichung, dass juristische Personen erst durch Eintragung Existenz erlangen und ihre Mitglieder/Gesellschafter erst durch die Eintragung in den Genuss der Haftungsbeschränkung gelangen, sollte auch in Bezug auf den Verein Anwendung finden.

Zwar mag es so sein, dass die von den „Mitgliedern“ gewünschte körperschaftliche Struktur auch des nichteingetragenen „Vereins“ letztlich die Anwendung von verschiedenen Regeln des Vereinsrecht bedingt, da die gesetzlichen Bestimmungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht zu passen scheinen. Allerdings ergibt sich das gleiche Ergebnis auch dann, wenn die „Satzung“ des „Vereins“ als Gesellschaftsvertrag entsprechend ausgelegt wird, falls sich – wie häufig – die entsprechenden Regelungen nicht ohnehin unmittelbar aus dieser „Satzung“ ergeben. Die Frage der Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen entzieht sich jedoch – ebenso wie bei der eben nicht zulässigen GbRmbH – der Freiheit zur Gestaltung des Gesellschaftsvertrages. Sie sollte bei dem nichteingetragenen Verein – nach einer zu definierenden Übergangsphase – ebenfalls nicht mehr möglich sein.

Dies sind grundsätzliche Überlegungen, die einer vertieften wissenschaftlichen Durchdringung bedürfen. Ein Vereinsrecht jedoch, das den eingetragenen wie den nicht eingetragenen Verein praktisch gleich bewertet, ist das falsche Signal für Vereinsgründer, es erschwert den Rechtsverkehr und erleichtert die Umgehung der materiellen Voraussetzungen des Idealvereins. So wird die Prüfung der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit, die letztlich die Rechtsform bestimmt (es könnte sich ja bereits bei dem „Verein“ um eine OHG handeln), auf die retrospektive Betrachtung im Streitfalle verschoben, anstatt präventiv durch die Eintragungsvoraussetzungen im Vereinsregister eine erste Hürde einzubauen. Dem Rechtsverkehr wäre hier eine größere Klarheit zu wünschen. Statt der Alternative zwischen Eintragung und Nichteintragung sollte der eingetragene Verein zum einzigen Ziel der Vereinsgründer werden. Oder um im Bilde zu bleiben: Der Bau einer Brücke verhindert die ungewisse Suche nach ihr.

VII.      Auflösung des Vereins – § 43 BGB-E

Vor diesem Hintergrund hält es der Deutsche Notarverein nicht für nötig, die Auflösung und nicht lediglich die Löschung aus dem Vereinsregister zu bewirken, wenn ein Verein sich durch seine tatsächliche Tätigkeit als wirtschaftlicher Verein zu erkennen gibt. Denn folgt man dem soeben unterbreiteten Vorschlag, nur eingetragene oder genehmigte Vereine als solche zu qualifizieren, so genügt bereits die Löschung aus dem Register bzw. der Entzug der Genehmigung, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Denn verweigert man der Rechtsfigur des nichteingetragenen Vereins in Zukunft ebenso die Anerkennung wie etwa der „nichteingetragenen GmbH“, dann bewirkt schon die Löschung aus dem Register den Verlust der Vereinseigenschaft und damit auch den Wegfall der Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen und die Qualifikation als Personengesellschaft. Eine solche kann jedoch problemlos weitergeführt werden, so dass kein Grund für Ihre Auflösung besteht. Zu überlegen wäre jedoch eine ausdrückliche Regelung, wonach die Löschung aus dem Register nicht lediglich ex nunc, sondern bereits ex tunc zu einer persönlichen Haftung jedenfalls derjenigen Vereinsmitglieder führt, die vorsätzlich die Rechtsform des eingetragenen Vereins als Mittel zum Zwecke der Haftungsbeschränkung missbraucht haben.

In Bezug auf den das Gemeinwohl gefährdenden Verein stellt sich die Frage der Abgrenzung zum Verbot nach dem Vereinsgesetz. Generell gilt, dass es hier ein einheitliches Verfahren geben sollte, das nach den gleichen Kriterien vorgeht und die Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 GG beachtet.

VIII.    Übergangsregelungen – Art. 229 § 11 EGBGB

Sollte ein Paradigmenwechsel dazu führen, dass der nichteingetragene Verein in Zukunft – wie soeben vorgeschlagen – nicht mehr als Verein betrachtet wird, anstatt ihn dem eingetragenen Verein immer weiter anzugleichen, sollte auch insofern eine Übergangsregelung aufgenommen werden, die es allen existierenden nicht eingetragenen Vereinen ermöglicht, nunmehr die Eintragung zu erlangen. Für diese Zeit sollte es bei der geltenden Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung bleiben. Eine entsprechende Frist sollte nach Auffassung des Deutschen Notarvereins knapp genug bemessen sein, um den Druck auf die Eintragung ausreichend große werden zu lassen, und zugleich ausreichend lang, um alle Eintragungsanträge sowohl durch die Notare als auch die Register in angemessener Frist abarbeiten zu können.

IX.       Anpassung Umwandlungsrecht – § 3 Abs. 2 Nr. 1 UmwG, § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG

Der Deutsche Notarverein hält eine Änderung dieser Gesetze erst ab dem Termin an für sinnvoll, ab dem die umzuwandelnden Vereine tatsächlich nicht mehr existieren können. Die 10-Jahres-Frist sollte hierbei berücksichtigt werden.

X.         Nicht angesprochene, aber regelungsbedürftige Fragen

Eine Vereinsrechtsreform sollte sich nach Auffassung des Deutschen Notarvereins auch der Frage annehmen, ob die Folge von fehlerhaften Beschlüssen generell die Nichtigkeit oder auch in bestimmten Fällen die Anfechtbarkeit (vergleichbar dem Aktienrecht) ist.

Daneben erscheint es sinnvoll, auch die Eintragung des besonderen Vertreters gem. § 30 BGB  in das Vereinsregister zu ermöglichen.

Außerdem sollte die Verwendung des Begriffs „Verein“ aus Gründen der Rechtsklarheit und als weiteres Argument für die Eintragung von eben dieser bzw. von der Genehmigung im Falle des wirtschaftlichen Vereins abhängig zu machen. Nur wer Verein in diesem Sinne ist, sollte sich Verein nennen dürfen. Somit wäre Gleichlauf mit den anderen Verbandsformen hergestellt. Sowohl der nichteingetragene Idealverein (dann im Grunde eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft bürgerlichen Rechts) als auch der nichtgenehmigte wirtschaftliche Verein dürften sich dann nicht mehr Verein nennen. Mitbewerber sollten ausdrücklich die Möglichkeit haben, gegen den Formmissbrauch ihrer Konkurrenten im Gewande von Vereinen vorzugehen. Auch hier ist der Wettbewerbsbezug der Norm in der Begründung klarzustellen, um ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen zu ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der genannten Fragen ist der Deutsche Notarverein der Auffassung, dass eine kurzfristige Änderung des Vereinsrechts im Interesse einer dauerhaften und praxisgerechten Neuregelung nicht wünschenswert ist. Vielmehr sollte eine erweiterte Diskussion geführt werden, an deren Ende ein möglichst klares und auch für den Rechtsanwender verständliches System des Vereinsrechts steht, das als seinen Mittelpunkt den eingetragenen Verein hat.

Für Rückfragen oder ein weiterführendes Gespräch stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Wir würden uns freuen, in die weitere Diskussion eingebunden zu werden

 

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