Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie – UmRUG

Stellungnahme vom 17.5.2022

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (im Folgenden: UmRUG).

 

A. Vorangestellter Gesamtbefund

Mit dem durch das Bundesministerium der Justiz vorgelegten UmRUG-Referentenentwurf werden die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen[1] im Wesentlichen stimmig und systematisch kohärent in das deutsche Umwandlungsgesetz integriert und praxisnahe Regelungen bereitgestellt. Der deutsche Gesetzgeber greift hierfür auf die bewährte Verweisungstechnik des Umwandlungsgesetzes von 1994 zurück. Mit Recht werden – soweit zweckmäßig – zudem Vorgaben und Optionen der Umwandlungsrichtlinie auch für nationale Umwandlungen übernommen.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf aus Sicht der notariellen Praxis daher sehr zu begrüßen und dürfte zu deutlich mehr Rechtssicherheit für Umwandlungen beitragen. Positiv ist bei alledem auch die Bildung der Expertenkommission unter Leitung des Ministeriums hervorzuheben, vermittels derer neben der Wissenschaft auch die Expertise aus der (notariellen) Praxis Einzug in den Gesetzentwurf gefunden hat. Die nachfolgenden Einzelpunkte stehen daher unter dem Vorbehalt, dass die zügige Umsetzung des Gesamtvorhabens rechtzeitig zum Ende der Umsetzungsfrist am 31. Januar 2023 nicht an Diskussionen über einzelne Punkte scheitern sollte.

 

B. Der Entwurf im Einzelnen

Die Bedeutung und Größe dieses Gesetzgebungsvorhabens bringt es mit sich, dass eine Stellungnahme aus berufspolitischer Sicht nur ausgewählte, für die notarielle Praxis besonders bedeutsam erscheinende Aspekte vertieft behandeln kann.

 

I. Dogmatische Anmerkung

Allgemein stellt der Gesetzentwurf – soweit dies die Richtlinie zulässt – eine im Wesentlichen dogmatisch konzise und systematisch stimmige Umsetzung dar. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Gesetzaufbau die bewährte Verweisungstechnik des tradierten Umwandlungsgesetzes fortführt, anstatt wie die zugrundeliegende Richtlinie die Verfahrensbestimmungen für jede Umwandlungsart einzeln zu wiederholen. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.

Praxisgerecht sieht der Referentenentwurf zudem vor, dass einige Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie – soweit sinnvoll – überschießend auch für nationale Umwandlungsvorgänge zum Zwecke einer bruchlosen Rechtsausübung übernommen werden. Vor diesem Hintergrund dürfte etwa auch die vom Gesetzgeber vorgesehene einheitliche Änderung der Vorgaben zur Berichtspflicht in § 8 UmwG-E vertretbar sein. Mit Augenmaß werden Regelungen zugleich dort nicht überschießend umgesetzt, wo es, wie beispielsweise im Rahmen der Zustimmung der Anteilsinhaber nach Maßgabe des § 312 UmwG-E, strukturell nicht dem System des deutschen Gesellschafts- und Konzernrechts entspricht.[2]

 

II. Öffnung des Spruchverfahrens, §§ 14, 15 UmwG-E

Die von der Umwandlungsrichtlinie für grenzüberschreitende Verschmelzungen vorgegebene Öffnung des Anfechtungsausschlusses bezüglich der Angemessenheit des im Verschmelzungsvertrag festgelegten Umtauschverhältnisses und Verweisung in das Spruchverfahren auch für Klagen gegen den Verschmelzungsbeschluss durch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers nach §§ 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 UmwG-E ist praxisgerecht. Hierin fügt sich die entsprechende Anpassung gemäß § 6 SEAG-E. Stimmig kann die Regelung auch auf rein innerstaatliche Vorgänge erstreckt werden.

Die Verfahrenskonzentration auf nationaler Ebene nach dem Spruchverfahrensgesetz erscheint insoweit zweckmäßig. Nachgelagerter Rechtsschutz reicht angesichts der rein wirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner in diesen Fällen aus. Bleiben dürften hingegen die – auf nationaler Ebene nur schwer lösbaren – Probleme mehrerer Spruchverfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, die ggf. zu divergierenden Ergebnissen kommen.

 

III. Zu § 61 UmwG-E

Die Neufassung des § 61 S. 1 UmwG-E stellt richtlinienkonform klar, dass der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf spätestens einen Monat vor dem Tag der den Zustimmungsbeschluss fassenden Hauptversammlung zum Handelsregister einzureichen ist; über die Verweisung des § 125 UmwG gilt die Änderung entsprechend für Spaltungen. Damit dürften die Unklarheiten der Fristberechnung im geltenden Recht nach § 61 S. 1 UmwG i.V.m. § 123 Abs. 1 AktG innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 92 Abs. 1 GesR-RL beseitigt werden.[3]

Im Falle einer Vollversammlung i.S.d. § 121 Abs. 6 AktG bietet sich nach unserem Dafürhalten jedoch eine Klarstellung in der Gesetzesbegründung an, dass entsprechend der registergerichtlichen Praxis auf die Fristvorgabe durch die Aktionäre der betroffenen Gesellschaft formfrei verzichtet werden kann.[4]

 

IV. Zu §§ 72a, 72b UmwG-E

§ 72a UmwG-E und § 72 UmwG-E geben der AG, KGaA und SE künftig die Möglichkeit an die Hand, den Anteilseignern im Falle eines nicht angemessenen Umtauschverhältnisses anstelle barer Zuzahlung zusätzliche Aktien der übernehmenden Gesellschaft zu gewähren. Die erforderlichen Anteile können im Wege einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage unter Einbringung des Anspruchs der Aktionäre auf Gewährung zusätzlicher Aktien geschaffen werden. Es ist zu begrüßen, dass auch insoweit die aktienrechtlichen Kapitalaufbringungsvorschriften gewahrt bleiben, insbesondere nach §72b Abs. 2 UmwG-E i.V.m. § 183 Abs. 3 AktG weiterhin eine Prüfung der Werthaltigkeit des einzubringenden Anspruchs zu erfolgen hat.

Eine Erweiterung dieser Gestaltungsoption auf die Rechtsform der GmbH erscheint angesichts deren vorwiegend personalistisch anzutreffenden Struktur im Einklang mit der Begründung des Referentenentwurfs (S. 62) nicht zwingend angezeigt.

 

V. Grenzüberschreitende Umwandlungen (§§ 305 ff. UmwG-E)

Unter Aufhebung der geltenden §§ 122a ff. UmwG soll das Recht der grenzüberschreitenden Umwandlungen künftig in einem Buch 6 im Umwandlungsgesetz mit den §§ 305 bis 345 UmwG-E umfassend neu kodifiziert werden.

 

1. Anwendungsbereich

Der gesetzliche Anwendungsbereich der §§ 305 ff. UmwG-E beschränkt sich im Wesentlichen auf grenzüberschreitende Umwandlungen von Kapitalgesellschaften (vgl. §§ 306, 321, 334 UmwG-E). Im Hinblick auf grenzüberschreitende Spaltungen regelt der Referentenentwurf im Einklang mit der Umwandlungsrichtlinie (nur) die Spaltung zur Neugründung; für die Spaltung zur Aufnahme ist lediglich insoweit eine – partiell überschießende – Umsetzung vorgesehen, als der Anwendungsbereich gemäß § 320 Abs. 1 Nr. 2 UmwG-E i.V.m. § 332 UmwG-E Gesellschaften vorbehalten bleibt, die in den letzten sechs Monaten vor Bekanntmachung des Spaltungsplans durchschnittlich weniger als 400 Arbeitnehmer bzw. vier Fünftel der nach dem ausländischen Mitbestimmungsrecht maßgeblichen Zahl an Arbeitnehmern vom Anwendungsbereich beschäftigen. Zuzugeben ist, dass die Beschränkung dem Schutz der unternehmerischen Mitbestimmung dient, da die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme nicht Bestandteil der Mobilitätsrichtlinie ist und damit auch die Regelung des § 160l GesR-RL über den Schutz der unternehmerischen Mitbestimmungen bei grenzüberschreitenden Spaltungen keine Anwendung findet. Aus diesem Grund soll nach der Konzeption des Gesetzentwurfs die Anwendbarkeit der umwandlungsgesetzlichen Verfahrensbestimmungen nur solchen Gesellschaften vorbehalten bleiben, die den maßgeblichen Schwellenwert der sog. „Vier-Fünftel-Regelung“ des Art. 160l Abs. 2 GesR-RL bzw. des Drittelbeteiligungsgesetzes nicht überschreiten und damit letztlich kein Herabsenken des Schutzniveaus der unternehmerischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer droht. Diese Intention des Gesetzgebers ist im Ausgangspunkt uneingeschränkt zu begrüßen.

Zugleich steht aus Sicht des Deutschen Notarvereins allerdings zu befürchten, dass die Beschränkung des § 332 UmwG-E zu einem komplexen Nebeneinander zweier Regelungsregime führt, da eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme primärrechtlich gleichwohl von der Niederlassungsfreiheit gedeckt sein dürfte.[5] Wollte man dem nicht folgen, drohen wiederum komplexe Umgehungskonstruktionen, um in den Anwendungsbereich der Verfahrensbestimmungen des § 322 UmwG-E zu gelangen.[6] Als zweckmäßiger erscheint, die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme ohne Beschränkungen hinsichtlich der Arbeitnehmeranzahl zu regeln und zum Schutz der unternehmerischen Mitbestimmung gezielte Regelungen zu treffen.

 

2. Zu § 308 UmwG-E

Dass der nationale Gesetzgeber von der Mitgliedstaatenoption zur Erfüllung der Bekanntmachungspflicht durch Zugang der benannten Unterlagen auf der Internetseite des Unternehmens (Art. 123 Abs. 2 GesR-RL) keinen Gebrauch macht, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dies würde zu Rechtsunsicherheit führen und die Registerpublizität beeinträchtigten.[7]

Zum bisherigen § 122d UmwG wird überwiegend vertreten, dass auf die Einreichung des Verschmelzungsplans zum Handelsregister nicht verzichtet werden könne. Anders als bei § 61 UmwG diene die Einreichungs- und Bekanntmachungspflicht nach § 122d UmwG auch der Information der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter der an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften. Dagegen soll jedoch ein isolierter Verzicht auf die Monatsfrist zulässig sein.[8] Hier wäre eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert. Dabei sollte bedacht werden, dass der Gläubigerschutz in erster Linie über § 122j Abs. 1 Satz UmwG (bzw. § 314 UmwG-E) sichergestellt wird. Mit Zustimmung aller Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft sollte daher auch ein Verzicht auf die Einreichung möglich sein.

Im Hinblick auf die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans durch das Gericht hält der Gesetzentwurf an dem schon in § 122d UmwG verwendeten Begriff der „Unverzüglichkeit“ fest. Leider ist in der Gerichtspraxis festzustellen, dass je nach Gericht hierunter durchaus ein Zeitraum von mehreren Wochen verstanden wird. Nicht immer ist sichergestellt, dass die Bekanntmachung überhaupt vor der Beschlussfassung erfolgt. Da die Verschmelzungsrichtlinie an die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans anknüpft, wird schon die Bestimmung des § 122d UmwG in seiner gegenwärtigen Fassung für nicht richtlinienkonform gehalten.[9] In der Praxis führt dies oft dazu, dass die Frist vorsichtshalber doch von der Bekanntmachung durch das Gericht an berechnet wird. Wünschenswert wäre es, wenn hier dem Gericht nicht mit einem unbestimmten Rechtsbegriff „unverzüglich“ die Möglichkeit gegeben würde, Eintragungsvorgänge unnötig zu verschleppen. Besser wäre es, für die Fristberechnung richtlinienkonform an die Bekanntmachung anzuknüpfen, dem Gericht aber aufzugeben, die Bekanntmachung z.B. innerhalb von zwei Werktagen nach Einreichung vorzunehmen.

Dies würde auch bei der Fristberechnung des § 314 UmwG-E, der wie der bisherige § 122 j UmwG an die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans anknüpft zu einer gewissen Verfahrensbeschleunigung führen. Außerdem könnte in beiden Vorschriften (§§ 308 und 314 UmwG-E an denselben Fristbeginn angeknüpft werden).

 

3. Zu § 309 UmwG-E

Die Regelungen der § 324 Abs. 2 S. 3, § 337 Abs. 3 S. 3 UmwG-E verhalten sich nach unserer Einschätzung redundant zu § 309 Abs. 6 S. 3 UmwG-E und könnten insofern gesetzestechnisch in die Verweisung miteinbezogen bzw. auch in der Gesetzesbegründung verschoben werden.

 

4. Zu § 313 UmwG-E

In § 313 Abs. 3 S. 4, § 327 S. 1 und § 340 Abs. 3 S. 4 UmwG-E stellt der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Annahme des Barabfindungsangebots klar, dass § 15 Abs. 4 GmbHG unberührt bleibt. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen und entspricht den Erwägungen der Richtlinie, dass nationale Formvorschriften unberührt bleiben (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie (EU) 2019/2121). Mangels umwandlungsgesetzlicher Spezialregelung beurteilt sich die Form der Annahmeerklärungen nach dem Recht der jeweiligen Gesellschaftsform.[10] Die gesetzgeberische Klarstellung beugt insoweit etwaigen Missverständnissen zutreffend vor.

Die Gesellschafter einer übertragenden GmbH, die das Barabfindungsangebot annehmen, verpflichten sich damit zur Übertragung ihre Anteile auf die übernehmende GmbH. Die Anwendung des § 15 Abs. 4 GmbHG ist hier dogmatisch folgerichtig und sachlich gerechtfertigt, da auch im Rahmen der Annahmeerklärung die Formzwecke der Beweiserleichterung, der Richtigkeitsgewähr sowie des Übereilungsschutzes die notarielle Beurkundung erfordern. Infolge der notariellen Beurkundung liegt es außerdem in der Verpflichtung des Notars als neutralen Amtsträger, eine neue Liste der Gesellschafter der übertragenden GmbH einzureichen; womit der Richtigkeitsgewähr und Beweisfunktion Rechnung getragen wird. Andernfalls wäre die neue Liste Sache der Geschäftsführer der GmbH, die es aber infolge der Anteilsübertragung gegebenenfalls gar nicht mehr gibt.

 

5. Zum registerrechtlichen Verfahren nach den §§ 314 ff., 328 ff., 341 ff. UmwG-E

Das registerrechtliche Verfahren zum Gläubigerschutz und zur Erteilung der Umwandlungsbescheinigung gemäß §§ 314 ff., 328 ff., 341 ff. UmwG-E enthält Neuregelungen, die aus Sicht des Deutschen Notarvereins zum Teil noch anpassungsbedürftig sind.

 

a) Gläubigerschutz

Nach §§ 314, 328, 341 UmwG-E haben Gläubiger, deren Forderungen vor Bekanntmachung des Umwandlungsplans entstanden, aber noch nicht fällig waren, einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen die Gesellschaft, wenn die Erfüllung ihrer Forderung durch die grenzüberschreitende Umwandlung gefährdet wird. Die Sicherheitsleistung ist gemäß § 316 Abs. 2 S. 1 UmwG-E Voraussetzung für die Erteilung der Umwandlungsbescheinigung; im Falle eines entsprechenden Gläubigerantrags erfolgt die Prüfung der Werthaltigkeit der im Umwandlungsplan dargebotenen Sicherheiten mithin vorgelagert. Durch §§ 314 Abs. 2 und 3 UmwG-E wird die Zuständigkeit für die prozessuale Durchsetzung eines unerfüllten Anspruchs auf Sicherheitsleistung dabei ausschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den zuständigen Registergerichten zugewiesen werden.

Die in der Gesetzesbegründung zugrundeliegenden Erwägungen des vorgelagerten Gläubigerschutzes und der Verfahrenskonzentration sind nachvollziehbar. Bedenken rühren indes daher, dass einzelne Gläubiger gegebenenfalls das gesamte Verfahren verzögern oder vereiteln können. Denn die Ausstellung der Umwandlungsbescheinigung wird nach § 316 Abs. 2 S. 3 HGB gestoppt, bis der Gläubigerantrag rechtkräftig abgelehnt wurde – mitsamt eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens. Dies schafft Stör- und Missbrauchspotential und ist geeignet, die Registergerichte mit einer Vielzahl streitiger Verfahren und Aufgaben eines Erkenntnisverfahrens zu überfrachten, für die sie nicht konzipiert sind. Es steht zu befürchten, dass sich das Argument der Verfahrenskonzentration damit sich ins Gegenteil verkehren und zu einem „Verfahrens-Overkill“ führen würde.[11]

Der vorgelagerte Gläubigerschutz dürfte zugegeben durch Art. 126b GesR-RL weitgehend vorgegebenen sein, wenngleich die dort aufgestellte Vorgabe eines „angemessenen Schutzsystem[s] für die Interessen der Gläubiger“ durchaus Handlungsspielraum für den deutschen Gesetzgeber belässt. Das Stör- und Missbrauchspotential in unionsrechtlich zulässiger Weise abmildern könnte etwa ein dem § 16 Abs. 3 UmwG angelehntes Verfahren, in dem das Gericht auf Antrag des Rechtsträgers durch Beschluss feststellen kann, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht. Alternativ käme in Betracht, den Gläubigerschutz weiterhin den Zivilgerichten als Aufgabe zu übertragen und die Zuständigkeitsvorschrift des § 341 Abs. 2 UmwG-E auf Forderungen der Gläubiger wegen nicht gewährter ausreichender Besicherung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen oder Spaltungen zu erstrecken. Im Erkenntnisverfahren wäre es den Gläubigern danach unbenommen, mit einer einstweiligen Verfügung die Untersagung des Vollzugs der geplanten Umwandlung zu beantragen. Durch die gesetzliche Schadensersatzpflicht des § 945 ZPO im Falle der Erwirkung einer von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung hätte man insoweit auch die wirtschaftlichen Risiken des Klageverfahrens angemessen verteilt.[12]

 

b) Missbrauchskontrolle

Das befasste Registergericht soll nach § 316 Abs. 3, § 329, § 343 Abs. 3 UmwG-E künftig prüfen, ob die grenzüberschreitende Umwandlung „zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich dem Recht der Europäischen Union oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll“. Dieser wortlautgetreu aus den Richtlinienvorgaben[13] übernommene, eher nebulöse Prüfungsmaßstab, wird immerhin in der Gesetzesbegründung näher konturiert, was zu begrüßen ist. Danach ist das Gericht (nur) bei Anhaltspunkten für eine Umwandlung zu missbräuchlichen Zwecken angehalten, diesen nachzugehen. Liegen hingegen keine Anhaltspunkte vor, bedarf es ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 316 Abs. 3 UmwG-E (S. 99) keiner weiteren Sachverhaltsermittlung. Dies stellt einen praxisgerechten Prüfungsmaßstab dar, der aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit auch Einzug in den Gesetzeswortlaut finden sollte. Die strenge Formulierung „das Gericht prüft, ob …“ in § 316 Abs. 3, § 343 Abs. 3 UmwG-E führt insoweit zu Unklarheiten in der rechtspraktischen Anwendung, auch für die Registergerichte, und sollte nach unserem Dafürhalten entsprechend angepasst werden.

Bei Anhaltspunkten für missbräuchliche Zwecke kann das Registergericht gemäß § 317 Nr. 2 UmwG-E Informationen und Unterlagen von öffentlichen inländischen Stellen verlangen. Die Gesetzesbegründung legt nahe, dass darunter auch Notarinnen und Notare erfasst sind. Die Entwurfsbegründung führt zwar aus, dass „überwiegende Vertraulichkeitsinteressen“[14] im Einzelfall das Informationsverlangen beschränken können. Angesichts der hohen Bedeutung der notariellen Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 18 Abs. 1 BNotO halten wir jedoch eine gesonderte Klarstellung zumindest in der Gesetzesbegründung erforderlich, dass die notarielle Verschwiegenheitspflicht im Rahmen des § 18 BNotO einer Weitergabe von Informationen und Unterlagen nach § 317 Nr. 2 UmwG-E entgegensteht.

 

c) Umwandlungsbescheinigung von Amts wegen

Die Regelung des § 316 Abs. 1 S. 4 UmwG-E, demgemäß nun von Amts wegen eine Umwandlungsbescheinigung ausgestellt und über das europäische Business Registers Interconnection System (BRIS) zugänglich gemacht wird (§ 9b HGB-E), ist zur Erleichterung grenzüberschreitender Umwandlungen ausdrücklich zu begrüßen. Um zu vermeiden, dass es zu Verzögerungen bei der Übermittlung der Verschmelzungsbescheinigung und damit zu Verzögerungen bei der Eintragung der Verschmelzung in das Register der aufnehmenden Gesellschaft kommt, wäre eine Frist für die Übermittlung wünschenswert (z.B. bei § 9b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HGB-E „,und zwar innerhalb von zwei Tagen nach Erstellung der Bescheinigung durch das Gericht.“).

 

6. Zu § 319 UmwG-E

Die Fortgeltung der Regelung des § 319 UmwG-E zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union ist nachvollziehbar. Mit Blick auf den absehbaren zeitlichen Horizont sowie den gegenständlich begrenzten Anwendungsbereich der Regelung dürfte es sich gegebenenfalls gleichwohl anbieten, die Vorschrift lediglich z.B. als § 318a UmwG-E zu nummerieren.

 

7. Zu § 329 UmwG-E

§ 329 UmwG-E verweist in der Ausnahme auf „§ 317 Abs. 1 S. 2, 3 und 4 UmwG-E“. Redaktionell dürfte damit wohl § 316 UmwG-E gemeint sein, da dessen Absatz 1 Satz 3 und Satz 4 sich sodann anschließend in § 329 UmwG-E entsprechend wiederfinden.

 

8. Zu § 340 UmwG-E

Regelungstechnisch ergeben sich im Rahmen des § 340 UmwG-E (Barabfindung) vielfältige Redundanzen zu der Fassung des § 313 UmwG-E. Durch eine Verweisung ließe sich dies gegebenenfalls strukturell vereinfachen.

 

9. Zur Begründung zu Nummer 56

In der Entwurfsbegründung zu Nummer 56 auf S. 79 heißt es, dass „mit Umsetzung der UmwRL … auch Vorschriften für grenzüberschreitende Spaltungen zur Aufnahme“ eingeführt werden. Zutreffend dürften hier wohl grenzüberschreitende Spaltungen „zur Neugründung“ beziehungsweise „zur Neugründung und beschränkt zur Aufnahme“ gemeint sein.

 

Druckfassung

 

Fußnoten:

[1] ABl. EU L 321/1 vom 12.12.2019; ABl. EU L 20/24 vom 24.1.2020.

[2] Mit nachvollziehbarer Begründung des Referentenentwurfs zu § 312 UmwG-E (S. 87).

[3] Vgl. dazu aller Koch/Koch, AktG, 16. Aufl. 2022, § 123 AktG Rn 2 mit weit. Nachw.

[4] In diesem Sinne Vossius, Umwandlungsrecht aktuell Stand Mai 2022 in: Widmann/Mayer (Hg.), Umwandlungsrecht, Ziff. A. I. 1. b); zur geltenden Rechtslage vgl. nur Semler/Stengel/Leonard/Diekmann, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 61 UmwG Rn 15.

[5] Vgl. etwa EuGH DNotZ 2006, 210 (zur grenzüberschreitenden Verschmelzung).

[6] Kritisch ebenfalls Vossius, Umwandlungsrecht aktuell Stand Mai 2022 in: Widmann/Mayer (Hg.), Umwandlungsrecht, Ziff. A. I. 1. d) aa); Luy/Redler, notar 2022/6, Ziff. C. I. (im Erscheinen); s. auch Stelmaszczyk, DK 2021, 1, 4.

[7] Begründung des Referentenentwurfs zu § 308 UmwG-E, S. 81; s. dazu auch Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 300, 303; Luy, NJW 2019, 1905, 1909.

[8] Siehe zum Ganzen Widmann/Mayer § 122d UmwG Rn. 30.

[9] Siehe zum Ganzen Widmann/Mayer § 122d UmwG Rn. 8.

[10] Zutreffend dahingehend die Begründung des Referentenentwurfs zu § 313 Abs. 3 UmwG-E, S. 89.

[11] So auch Vossius, Umwandlungsrecht aktuell Stand Mai 2022 in: Widmann/Mayer (Hg.), Umwandlungsrecht, Ziff. A. I. 1. d) bb); Luy/Redler, notar 2022/6, Ziff. C. VII. (im Erscheinen);

[12] Vgl. Vossius, Umwandlungsrecht aktuell Stand Mai 2022 in: Widmann/Mayer (Hg.), Umwandlungsrecht, Ziff. A. I. 1. d) bb).

[13] Vgl. Art. 86 m Abs. 8, 127 Abs. 8, 160m Abs. 8 GesR-RL.

[14] Begründung des Referentenentwurfs zu § 317 UmwG-E, S. 101.

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