Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts

Stellungnahme 29.01.2008

 

Gerne nimmt der Deutsche Notarverein die Gelegenheit wahr, sich zu dem Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts“ zu äußern.

 

A.    Vorbemerkung

 

Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist nach Auffassung des Deutschen Notarvereins trotz der europäischen Tendenz zur Errungenschaftsgemeinschaft und seiner leicht missverständlichen Bezeichnung, aufgrund derer viele juristische Laien von einer echten Vermögensgemeinschaft ausgehen, nach wie vor der vorzugswürdige Güterstand für die durchschnittliche Ehe. Auch 50 Jahre nach Inkrafttreten des geltenden Güterrechts hat sich die Lebenswirklichkeit nicht derart geändert, dass eine umfassende Reform des Zugewinnrechts erforderlich wäre. Der Deutsche Notarverein begrüßt daher den Ansatz des Entwurfs, die Regelungen der Zugewinngemeinschaft zwar behutsam zu überarbeiten, aber im Grundsatz unangetastet zu lassen. Im Hinblick auf die zunehmende Zahl von mitunter beratungsintensiven Fällen, wie z.B. Zweitehen und Ehen vermögender Erben oder von Unternehmern, sollte allerdings auch aus Sicht des Gesetzgebers betont werden, dass nur unter Beibehaltung einer weitgehenden Ehevertragsfreiheit ein Regelgüterstand für alle Ehen gesetzlich vorgegeben werden kann (vgl. deutlich BGH NJW 2004, 930, 933). Zum Teil hat man in der Literatur und gerichtlichen Praxis den Eindruck, dass dies nicht mehr selbstverständlich ist, sondern der Zugewinngemeinschaft eine starke Regelwirkung zugeschrieben wird.

 

Der Entwurf greift im Detail wichtige Forderungen aus der Praxis, insb. die Berücksichtigung eines negativen Anfangsvermögens und die Stichtagsproblematik auf, und gestaltet den Güterstand der Zugewinngemeinschaft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerechter. Wir erlauben uns dennoch im Folgenden auf einige Punkte näher einzugehen (Teil B.) und weitere Änderungen (Teil C.) anzuregen.[1]

 

B.    Zu den vorgeschlagenen Änderungen

 

1.     Aufhebung des § 1370 BGB

 

Die Aufhebung des § 1370 BGB stellt den Zustand her, der in der Vorstellung der meisten juristischen Laien bereits heute bestehen dürfte, und beseitigt eine Norm, die bei langer Ehedauer zu schwierigen Ermittlungen, aber auch Zufallsresultaten und damit ungerechten Ergebnissen geführt hat. Auch wenn § 1370 BGB scheinbar eine konsequente Ausformung des Gütertrennungsprinzips während der Ehe beinhaltet, dürfte die Vorstellung der meisten Ehepaare eher auf den Erwerb von Miteigentum gerichtet sein, wenn neue Haushaltsgegenstände aus gemeinsamen Mitteln angeschafft werden.

 

Da den meisten Haushaltsgegenständen heute kein besonderer Wert mehr zukommt, bzw. diese mit vergleichbar niedrigem Aufwand wieder beschafft werden können, hat sich auch die wirtschaftliche Bedeutung der Norm weitgehend überholt. Die Aufhebung des § 1370 BGB dient damit der Vereinfachung des Gesetzes, wobei der Deutsche Notarverein aus den gleichen Gründen vorschlägt, auch § 1369 BGB aufzuheben (vgl. dazu Teil C.1.b).

 

Lediglich redaktionell erlauben wir uns anzumerken, dass die Formulierung in Ziffer 1.b) des Gesetzesentwurfs der in Ziffer 1.g) entsprechen sollte:

„§1370 (weggefallen)“.

 

 

2.           Berücksichtigung negativer Vermögenswerte, §§ 1374 ff. BGB-E

 

a)     Begrüßenswerte Neuregelung

 

Mit der Berücksichtigung eines negativen Anfangs- und Endvermögens wird der juristische Begriff des Zugewinns ökonomisiert und bildet somit Vermögensveränderungen während der Ehedauer realitätsnäher ab als bisher.

 

Wenn Ehegatten Verbindlichkeiten in die Ehe einbringen, raten Notare in der Regel zur ehevertraglichen Modifikation des Zugewinnrechts. Die meisten Paare, die sich in einer solchen Fallkonstellation juristisch beraten lassen, wünschen auch aufgrund der Beratung eine Gestaltung unter Berücksichtigung eines negativen Anfangsvermögens. Man kann daher davon ausgehen, dass diese Gestaltung mittlerweile so typisch ist, dass sie zum gesetzlichen Regelfall gemacht werden sollte. Das gegen einen Schuldenabzug gelegentlich vorgebrachte Argument, der nicht verschuldete Ehegatte wisse, worauf er sich einlasse, und baue die Schulden quasi freiwillig ab, trägt dagegen nicht, da den meisten nicht beratenen Personen die genaue Systematik des bisherigen Zugewinnrechts überhaupt nicht bekannt ist.

 

Die weitergehende Überlegung, dass der Zugewinn auch insgesamt – entgegen der im Entwurf unverändert gelassenen Vorschrift des § 1373 BGB – negativ werden kann, wäre geeignet, die wirtschaftliche Vermögensentwicklung der Ehegatten noch genauer im Zugewinnrecht abzubilden. Außerdem würde eine entsprechende Änderung die Ungerechtigkeiten entschärfen, die aus § 1380 BGB entstehen, wenn größere Zuwendungen zwischen Ehegatten aus dem Anfangsvermögen eines Partners stammen. Allerdings ist rechtspolitisch gut vertretbar, dass das Halbteilungsprinzip nur im echten Vermögensaufbau gilt, und damit jeder Ehegatte etwaige Schulden für sich allein im Rahmen der Vermögenstrennung zu verantworten hat. Außerdem wird dadurch eine indirekte Mithaftung des anderen Ehegatten zu Gunsten der Gläubiger vermieden.

 

b)     Umsetzung in § 1374 ff. BGB-E

 

Die gewählte Methode, in einem ersten Schritt bei der Ermittlung des Anfangs- und Endvermögens in §§ 1374, 1375 BGB-E alle Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, und erst in einem zweiten Schritt in § 1378 Abs. 2 BGB-E die mögliche Ausgleichforderung auf das rechtspolitisch gewünschte Maß zu begrenzen, überzeugt.

 

Dem bisher gegen den Schuldenabzug vorgebrachten Einwand, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte mit einer Forderung in einer Höhe belastet werden könne, die in seinem (Aktiv-)Vermögen bei Beendigung des Güterstandes nicht vorhanden ist, vgl. Palandt-Brudermüller, 66. Auflage 2007, § 1374 Rn. 5, wird dabei effektiv auf Ebene des § 1378 Abs. 2 BGB-E entgegen gekommen, so dass trotz der umfassenden Berücksichtigung der Verbindlichkeiten im Anfangs- und Endvermögen im Ergebnis nicht mehr als die Hälfte des vorhandenen positiven Vermögens als Ausgleich zu erbringen ist. Gleichwohl wird durch die Reform der Gerechtigkeitsgehalt in solchen Fällen erhöht, in denen beide Ehegatten einen Zugewinn zu verzeichnen haben, und somit eine Saldierung in Betracht kommt.

 

Es wird insbesondere begrüßt, dass das nach herrschender Auffassung bestehende Verrechnungsverbot zwischen einem positiven oder negativen Anfangsvermögens nach § 1374 Abs. 1 BGB und dem Saldo der Hinzurechnungsbeträge nach Abs. 2 durch die neue Regelung des § 1374 Abs. 3 BGB-E entfällt. Denn dieses Verbot führte im Ergebnis dazu, dass der rechnerische Zugewinn nicht die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung im Vermögen eines Ehegatten abbildete und damit je nach Fallkonstellation einen der Ehegatten zu benachteiligen vermochte.

 

§ 1375 BGB enthält ferner eine notwendige Folgeänderung, um auch Vermögenszuwächse „im Minus“ (z.B. von -100.000 € auf  -50.000 €) erfassen zu können. Auch wenn in diesen Fällen ein möglicher Zugewinnanspruch häufig an der Kappungsgrenze des § 1378 Abs. 2 BGB-E scheitern wird, ist die konsequente Berücksichtigung der Verbindlichkeiten sowohl im Anfangs- wie auch im Endvermögen für eine wirtschaftlich gerechtere Behandlung der Fälle, bei denen beide Ehegatten einen Zugewinn erzielen, notwendig.

 

c)     Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB bei negativem Vermögen

 

Vom Gesetzesentwurf nicht behandelt wird die Vorschrift des § 1377 Abs. 3 BGB. Danach wird vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt, wenn die Ehegatten kein Vermögensverzeichnis erstellen.

 

Bislang wurde durch diese Vorschrift der ausgleichsberechtigte Ehegatte geschützt, indem ein möglichst hoher Zugewinn unterstellt wird. Die Beweislast liegt bei dem Ehegatten, der sich auf ein vorhandenes positives Anfangsvermögen und damit einen geringeren Zugewinn beruft. Die Wirkung des § 1377 Abs. 3 BGB wird sich bei Zulassung eines negativen Anfangsvermögens aber umdrehen. Denn dann wird zu Lasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten vermutet, dass das Anfangsvermögen des anderen Ehepartners „Null“ ist, d.h. keine Schulden vorhanden waren.

 

Beispiel: Der Ehemann hatte bei Heirat nur 20.000 € Schulden bei Familienangehörigen, die er sodann aus seinem Einkommen zurückführte. Die Ehefrau hat darüber keine konkreten Informationen, so dass bei Scheidung nach zehn Jahren umstritten ist, ob und in welcher Höhe Verbindlichkeiten bestanden.

 

Beispielsrechnung: AV Zuwachs EV Zugewinn
Wirtschaftlich – 20.000 50.000 30.000 50.000
Gemäß § 1377 Abs. 3 vermutet 0 30.000 30.000 30.000
Eigentlicher Zugewinn (ohne § 1377 Abs. 3) -20.000 50.000 30.000 50.000

 

Auch ohne die gesetzliche Vermutung würde sich an der Beweislast nichts ändern. Das Vorhandensein von Verbindlichkeiten bei einem Ehegatten müsste auch künftig von dem anderen bewiesen werden, da diese Tatsache dessen Ausgleichsanspruch erhöht. Allerdings wären die Gerichte ohne die gesetzliche Vermutung etwas freier in der Beweiswürdigung und müssten nicht in jedem Fall den vollen Gegenbeweis fordern. Der Deutsche Notarverein schlägt daher vor, den § 1377 Abs. 3 BGB mit folgendem Wortlaut auf die Vermutung zu begrenzen, dass kein positives Anfangsvermögen vorliegt, aber keine Vorgaben für ein etwaiges negatives Anfangsvermögen zu machen:


“(3) Soweit kein Verzeichnis aufgenommen ist, wird vermutet, dass ein Ehegatte kein positives Anfangsvermögen hat.“

 

d)     Neuregelung des § 1378 Abs. 2 BGB

 

Wie bereits dargelegt, hält der Deutschen Notarverein die Neuregelung des § 1378 Abs. 2 BGB-E inhaltlich für gelungen.

 

Mit der Einführung der Kappungsgrenze von 50% des einzusetzenden Vermögens wird zwar in vielen Fällen die konsequente Berücksichtigung des negativen Anfangsvermögens abgeschwächt, rechtspolitisch ist dies jedoch durch die Erwägung, dass jedem Ehegatten zumindest die Hälfte des tatsächlich vorhandenen Vermögens verbleiben soll, durchaus gerechtfertigt. Die Regelung dient auch der Verhinderung eines Rückfalls in die Überschuldung, die drohen würde, wenn ein Ehegatte aufgrund des Zugewinnausgleichs (nahezu) sein gesamtes positives Vermögen abgeben müsste.

 

Dieses Prinzip der Halbteilung kann aber nicht als Schutz für illoyal handelnde Ehegatte dienen, so dass auch die Regelung in § 1378 Abs. 2 Satz 2 BGB-E bezüglich illoyaler Vermögensminderungen überzeugt.

 

Allerdings erlauben wir uns anzumerken, dass die Formulierung der Vorschrift noch verbessert werden kann. Zum einen sollte dabei der Begriff der „Erhöhung der Begrenzung der Ausgleichsforderung“ vermieden werden, da sich nicht die Begrenzung, sondern die Ausgleichsforderung selbst erhöht.

Zum anderen ist die Zweiteilung zwischen dem bisherigen Absatz 1 und dem neuen Absatz 2 unglücklich. Bislang hatte Absatz 2 den Charakter einer Ausnahmevorschrift für mögliche Vermögensverschlechterungen zwischen dem Stichtag des § 1384 BGB und dem Tag der Beendigung des Güterstandes. Der neue Absatz 2 enthält aber eine generelle gesetzgeberische Wertung zur Höhe der Ausgleichsforderung, so dass es nicht plausibel erscheint, zunächst im unverändert gelassenen Absatz 1 eine scheinbar höhere Ausgleichsforderung zu begründen, um diese dann allgemein durch § 1378 Abs. 2 BGB-E zu begrenzen. Die Absätze sollten daher zusammengefasst werden, z.B. mit folgenden Wortlaut:

 

„(1) Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu, höchstens jedoch in Höhe des hälftigen Wertes des nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes vorhandenen Vermögens des Ausgleichspflichtigen. Soweit dem Endvermögen in den Fällen des § 1375 Abs. 2 BGB ein Betrag hinzuzurechnen ist, erhöht sich die Ausgleichsforderung um die Hälfte dieses Betrages über die Begrenzung nach Satz 1 hinaus.“

 

3.     Auskunftsanspruch, § 1379 BGB-E

 

a)    Verzeichnis des Anfangsvermögens

 

Die Aufnahme eines Auskunftsanspruchs bezüglich des Anfangsvermögens ist eine notwendige Änderung im Hinblick auf die Zulassung des negativen Anfangsvermögens. Insbesondere im Hinblick auf die in § 1377 Abs. 3 beschriebene Beweislastverteilung wird der Auskunftsanspruch häufig das einzige Mittel eines Ehegatten sein, von einem etwaigen negativen Anfangsvermögen des anderen Ehegatten zu erfahren bzw. dessen konkrete Höhe zu ermitteln.

 

Berücksichtigt werden sollte jedoch, dass die Sätze 2 und 3 des Absatz 1 für die Ermittlung des Anfangsvermögens nicht geeignet sind. Zwar ist auch in diesem Fall die Hinzuziehung des Auskunftsverlangenden oder die Aufnahme durch eine Behörde, insbesondere einen Notar, gedanklich nicht ausgeschlossen. Diese Verfahren werden aber angesichts der Tatsachen, dass das Anfangsvermögen meist auf viele Jahre zurück zu ermitteln ist, und dann Unterlagen nur noch in der Hand des Auskunftsverpflichteten vorhanden sind, in der Regel keinerlei „Mehrwert“ bringen. Anders als bei der Ermittlung aktueller Vermögensbestände, bei denen der Notar bewegliches Vermögen in Augenschein nehmen und eigene Nachforschungen anstellen kann, wäre er bezüglich des Anfangsvermögens fast ausschließlich auf die Angaben des Auskunftsverpflichteten angewiesen. Dies entwertet die Verfahren und rechtfertigt nicht den zusätzlichen Kostenaufwand. Bei Zweifeln über die erteilte Auskunft wird allein die eidesstattliche Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB ein angemessenes Druckmittel darstellen. In den Sätzen 2 und 3 sollte daher jeweils der Begriff „Verzeichnis“ in

„Verzeichnis über das Endvermögen“

geändert werden.

 

b)     Belegpflicht

 

Die Vorlage von Belegen erscheint auf den ersten Blick wünschenswert. Insbesondere für Notare, die Ehepaare bei Scheidungsvereinbarungen beraten und etwaige Meinungsverschiedenheiten moderieren, wäre der Hinweis auf eine Belegpflicht hilfreich. Die Belegpflicht ist damit geeignet, ein transparenteres Verfahren zu schaffen.

 

Dennoch bleiben Bedenken: Die Belegpflicht im Unterhaltsrecht bzw. allgemein in § 259 BGB findet sich bislang nur bei der Rechenschaftspflicht über Einkünfte, Einnahmen und Ausgaben. Diese Positionen sind in der Regel unproblematisch belegbar. Die Auskunftspflicht zu einem Vermögensbestand ist dagegen bislang über die Vorlage eines Verzeichnisses nach § 260 BGB zu erfüllen, und war – auch im Unterhaltsrecht, vgl. § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB – nicht belegpflichtig. Hier entsteht die durch den Entwurf nicht gelöste Frage, welche rechtlichen Folgen das Nichtvorhandensein von Belegen hat. Allenfalls für Geldvermögen und Versicherungen wird man in der Regel Belege haben, wobei auch diese von vielen Personen nach einigen Jahren weggeworfen und von Dritten nach Ablauf der Speicherfristen gelöscht werden. Andere Vorgänge, wie z.B. Kaufquittungen, werden noch früher vernichtet, bzw. sind nur durch Zeugenaussagen beweisbar, wie z.B. geliehene Gelder zwischen Verwandten. Prozessual dürfte sich die Frage stellen, wie die Belegpflicht tituliert werden soll, wenn weder die Art des Belegs noch dessen Vorhandensein sicher ist.

 

4.     Stichtagslösung, § 1384 BGB-E

 

Mit dem Übergang zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags als maßgeblichem Stichtag für die Berechnung der Höhe der Ausgleichsforderung wird ein Gleichlauf mit § 1378 BGB erreicht, der in größerem Umfang vor illoyalen Vermögensverschiebungen schützt. Die Neuregelung wird daher begrüßt.

 

5.     Beendigung der Zugewinngemeinschaft,  §§ 1385 – 1389 BGB-E

 

Noch  Änderungsbedarf sieht der Deutsche Notarverein jedoch bei den §§ 1385 – 1388 BGB-E:

 

a)    § 1385 BGB-E

 

Grundsätzlich ist die Neuformulierung der Vorschrift geeignet, den Charakter als Gestaltungsklage besser zum Ausdruck zu bringen. Redaktionell müsste aber zwischen „…ihnen vorzeitige…“ ein „die“ eingefügt werden.

 

Jedoch schlägt der Deutsche Notarverein aufgrund der nachfolgend dargestellten Überlegungen eine Zusammenfassung der §§ 1385, 1386 BGB-E vor.

 

b)    § 1386 BGB-E

 

Der generelle Ansatz, den bislang nur spärlich ausgeprägten vorläufigen Rechtsschutz in diesem Bereich zu verbessern, und die Diskussion hierüber zu beenden, vgl. Palandt–Brudermüller, § 1389, Rn. 9 m.w.N., ist sicherlich richtig. Die Sicherheitsleistung nach § 1389 BGB bietet bislang keinen ausreichenden  Schutz vor unredlichen Vermögensverschiebungen. Auch die maßvolle Ausweitung der Tatbestandsvoraussetzungen in § 1386 BGB-E ist sachgerecht.

 

Durch die Umgestaltung des § 1386 BGB-E in eine Leistungsklage ergeben sich jedoch aus unserer Sicht zwei Probleme, die noch nicht zufriedenstellend gelöst sind:

 

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass auch der ausgleichsberechtigte Ehegatte illoyale Vermögensminderungen vornehmen kann, um seinen Zugewinnanspruch zu erhöhen. Bei der Neufassung des § 1386 BGB-E könnte der ausgleichspflichtige Ehegatte in diesen Fällen nicht mehr auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns klagen, weil ihm als Zahlungspflichtigen kein Leistungsanspruch zusteht.

 

Zum anderen bestehen Bedenken, ob prozessual die Leistungsklage ein geeignetes Mittel ist, zugleich die Gestaltungswirkung des § 1388 BGB-E herbeizuführen. Bislang wurde ein Urteil nach § 1386 BGB mit „Der Zugewinn ist vorzeitig auszugleichen“ tenoriert. Erst danach (beziehungsweise in Klagehäufung nach obsiegendem Teilurteil aus § 1386 BGB) konnte eine Leistungsklage auf Zahlung des Zugewinnausgleichs erhoben werden. Nach dem Reformvorschlag kann direkt auf Zahlung geklagt werden. Die Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich als Leistungsklage ist aber eine reguläre Zahlungsklage (vgl. S. 35 der Gesetzesbegründung). Der Tenor müsste dementsprechend lauten: „A wird verurteilt, an B … € zu bezahlen“. Hieraus ergibt sich nun aber gerade nicht die Wirkung des § 1388 BGB-E. Unklar ist dabei auch die Frage der Reichweite der Rechtskraft. Ergibt sich die Folge des § 1388 BGB-E nicht aus dem Tenor, sondern gegebenenfalls nur aus den Gründen, so ist fraglich, ob diese Folge überhaupt in Rechtskraft erwächst, vgl. etwa Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, Vor § 322, Rn. 40. Erwächst die Folge des § 1388 BGB-E aber bei der Klage nach § 1386 BGB-E nicht in Rechtskraft, so fallen materielles Recht (Folge des § 1388 BGB-E) und prozessuale Situation  auseinander.

 

Fraglich ist auch, wie ein Unterliegen des Klägers behandelt werden soll, wenn sich herausstellt, dass er der Höhe nach keinen Ausgleichsanspruch hat. Der Tenor würde dann lauten: „Die Klage wird abgewiesen.“. Dennoch müsste der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gemäß § 1388 BGB-E  enden und Gütertrennung eintreten.

 

Aus diesen Gründen sollte die Gestaltungsklage nach § 1385 BGB-E auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1386 BGB-E umfassen und die Leistungsklage ggf. in Verbindung mit dieser erhoben werden. Vorzugswürdig wäre dann wohl, dies in einer Norm zusammen zu fassen; ein Vorschlag könnte lauten:

 

㤠1385

Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und

vorzeitiger Zugewinnausgleich

 

1)    Jeder Ehegatte kann die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn

a)    die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben,

b)    Handlungen der in den §§ 1365[2] oder 1375 Abs. 2 bezeichneten Art zu befürchten sind, und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist,

c)    der andere Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, dass er sie auch in Zukunft nicht erfüllen wird, oder

d)    der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert, ihn über den Bestand seines Vermögens zu unterrichten.

 

2)    Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann zugleich vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns verlangen.“

 

§ 1386 BGB würde dann entfallen; § 1388 BGB-E könnte auf das Gestaltungsurteil begrenzt werden:

„Mit der Rechtskraft des Urteils, durch das die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufgehoben wird, tritt Gütertrennung ein.“

 

6.     Zu § 1390 BGB-E

 

a)     Umkehrung Prioritäten

 

Sinnvoll erscheint uns die vorgeschlagene Umkehrung der Prioritäten in § 1390 BGB-E derart, dass ein Dritter zunächst Geldersatz nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zu leisten hat und dies durch die Herausgabe des erlangten Gegenstandes abwenden kann. Dies entspricht eher der auf Zahlung eines Geldbetrages gerichteten Natur der Zugewinnausgleichsforderung.

 

Um die Risiken einer Vollstreckung gegen zwei Schuldner und mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, ist es auch gerechtfertigt, den Anspruch gegen den Dritten in voller Höhe der Ausgleichsforderung zuzulassen, selbst wenn der ausgleichsverpflichtete Ehegatte noch pfändbares Vermögen besitzt. Ein klärender Satz in der Gesetzesbegründung wäre vielleicht aber dahingehend angebracht, dass der Dritte diejenige Summe nicht herausgeben muss, um welche die Zuwendung die Ausgleichsforderung als solche übersteigt. Nach dem derzeitigen Wortlaut und der Gesetzesbegründung wäre auch das denkbar.

 

b)     Gesamtschuldnerschaft?

 

Unklar ist für den Deutschen Notarverein der Verweis auf die Gesamtschuldnerschaft mit dem Zitat von BGH NJW 1965, S. 1175 ff. Ein (kollusives) Zusammenwirken zwischen Drittem und ausgleichspflichtigem Ehegatten im Sinne der in dieser Entscheidung genannten Gesamtverantwortlichkeit von Architekt und Bauunternehmer (!) setzt § 1390 BGB-E gerade nicht voraus. Ob also eine dieser Entscheidung tatsächlich vergleichbare Konstellation vorliegt, ist fraglich.

 

Überdies kann der Verweis auf die die materiell-rechtliche Gesamtschuldnerschaft ohnehin nur für das Verhältnis zwischen Drittem und „illoyalem“ Ehegatten eine Rolle spielen. In diesem Verhältnis dürften die Regelungen der Gesamtschuldnerschaft aber regelmäßig durch die vertraglichen Vereinbarungen im Innenverhältnis dieser Personen überlagert sein, da der illoyalen Vermögensübertragung ja immer ein unentgeltlicher Übertragungstatbestand zu Grunde liegen wird. So wird die Forderung des ausgleichsberechtigten Ehegatten gegen den Dritten aus § 1390 BGB-E eben gerade nicht auf den illoyalen Ehegatten übergehen, wenn er die Zugewinnausgleichsforderung befriedigt. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall: Warum sollte die Zugewinnausgleichsforderung auf den Dritten übergehen, wenn er das Erlangte herausgibt?

 
c)     Sicherheitsleistung

 

Ohne Ausführungen dazu in der Gesetzesbegründung zu machen, übernimmt § 1390 Abs. 4 BGB-E im Ergebnis die Regelungen zur Sicherheitsleistung nach § 1390 BGB. Es stellt sich insoweit die Frage, warum diese einerseits in § 1389 BGB als unzureichend angesehen und gestrichen wird, andererseits aber die (beinahe) identische Regelung mit den (beinahe) identischen Schwierigkeiten (vgl. hierzu nur Palandt-Brudermüller, § 1390 BGB, Rn. 9 m.w.N.) in § 1390 BGB-E aufrechterhalten wird.

 

7.     Aufhebung der HausratsVO, Integration in das BGB, §§ 1568a, b, BGB-E

 

a)     Systemwechsel

 

Der Deutsche Notarverein befürwortet die Integration des Verordnungsinhalts in das BGB, da die Auseinandersetzung der Ehewohnung und des Hausrats inhaltlich zu den Scheidungsfolgen gehört. Auch der Systemwechsel von einem nach billigem Ermessen rechtsgestaltend tätigen Richter zu einzelnen Anspruchsgrundlagen ist konsequent.

 

Mit dem Gesetzesentwurf ist der Deutsche Notarverein der Überzeugung, dass nach wie vor Bedarf nach Vorschriften zur Regelung dieses Bereichs der ehelichen Gemeinschaft besteht. Wir erlauben uns aber darauf hinzuweisen, dass die Betonung der Bedeutung dieser Ansprüche durch Hereinnahme in das BGB im Gegensatz zu der mit dem FamFG-E geplanten Abschaffung des § 630 ZPO als Voraussetzung für die einvernehmliche Scheidung steht. Es sollte gerade vermieden werden, dass einzelne, emotional oft hochstreitige  Rechtsfragen ausgeklammert und nach der Scheidung in isolierten Prozessen aufgerollt werden.  Es wird daher angeregt, im Zuge der Beratung dieses Entwurfs die entsprechende Änderung im FamFG-E zu streichen.

 

b)     Redaktionelle Anmerkungen

 

Aus Sicht des Deutschen Notarvereins sollte der bloße Begriff „überlässt“ in § 1568a Abs. 1 BGB-E vermieden werden. „Überlassung“ wird in der notariellen Praxis und der Literatur als Oberbegriff für alle Arten der unentgeltlichen und teilentgeltlichen Eigentumsübertragung verwendet. Auch in § 1361b Abs. 1 BGB wird zumindest von „zur alleinigen Benutzung überlässt“ gesprochen, was die Klarheit der Norm erhöht.

Wir würden daher für § 1568a Abs. 1 BGB folgende Formulierung vorschlagen:

 

„(1) …, dass er anlässlich der Scheidung die Ehewohnung zur künftigen alleinigen Benutzung erhält.“

 

Gleiches gilt für § 1568b Abs. 1 BGB-E, zumal hier aus unserer Sicht auch die Bedeutung von Absatz 1 gegenüber Absatz 3 klargestellt werden sollte. So ist zweifelhaft, ob in § 1568b Abs. 1 BGB ausschließlich die Einräumung des Alleinbesitzes zu verstehen ist oder ob Überlassung im Sinne des Abs. 1 auch die Übereignung als lex generalis zu Abs. 3 umfassen soll.

 

Soll auch die Begründung eines Mietverhältnisses möglich sein, wie dies bislang etwa bei § 9 Abs. 2 HausratsVO möglich war, so fehlt nach unserer Auffassung eine Regelung über die Gegenleistung, da Abs. 4 ausdrücklich nur für die Übereignung gilt.

 

Handelt es sich bei Abs. 1 um eine Generalklausel analog zu § 1568a BGB-E, was die Gesetzesbegründung nahe legt, so wird der Begriff „überlassen“ in zwei aufeinander folgenden Vorschriften mit jeweils verschiedenem Inhalt gebraucht. Dies sollte besser vermieden werden.

 

Der Entwurf sollte daher klarstellen,

– ob auch die Einräumung (ausschließlich) des Besitzes in Betracht kommt,

– welche Gegenleistung hierfür geleistet werden muss,

– und wann nur die Einräumung des Besitzes und wann die Übereignung in Betracht kommt.

 

Zu § 1568a Abs. 2 BGB-E sei schließlich die Anmerkung erlaubt, dass es – trotz des bisherigen Wortlauts von § 3 HausratsVO – Eigentum an einem „Haus“ nicht gibt. Dies sollte bei der Reform bereinigt werden.

 

c)        Übergang des Mietverhältnisses, § 1568a Abs. 3 Nr. 1. BGB-E

 

Nach der Neuregelung des § 1568a Abs. 3 Nr. 1. BGB-E können Ehegatten künftig praktisch in jedem Scheidungsfall, bei dem einer von ihnen aus der Ehewohnung auszieht, dessen Entlassung aus der Haftung für das Mietverhältnis durch eine übereinstimmende Mitteilung an den Vermieter erreichen.
Diese Änderung mag zwar in der Umstellung der Gesetzessystematik auf von den Ehegatten selbst zu erfüllende Anspruchsgrundlagen begründet sein. Ohne die Grundlage eines richterlichen Gestaltungsakts greift sie jedoch unverhältnismäßig in die Rechte des Vermieters ein, insbesondere in den Fällen, die bislang – z.B. weil beide Ehegatten finanziell unanhängig und auf die konkrete Wohnung gar nicht angewiesen sind – gar nicht dem Anwendungsbereich der HausratsVO unterliegen. Allein der Verweis auf § 563 Abs. 4 BGB und etwaige befristete Anordnungen des § 209 Abs. 1 FamFG-E sind nicht geeignet diese Schlechterstellung des Vermieters zu rechtfertigen, zumal der Vermieter in beiden Verfahren ein erhebliches Prozessrisiko trägt.

 

d)        Unbefristetes Mietverhältnis, § 1568a Abs. 5  BGB-E

 

Wirtschaftlich unverständlich ist auch die Entscheidung, allein aufgrund der Anpassung an die Dogmatik des Mietrechts die Möglichkeit von richterlich befristeten Mietverhältnissen, wie diese nach § 5 Abs. 2 HausratsVO bestanden, abzuschaffen.
Der Verweis auf die Befristungsmöglichkeiten des § 575 BGB genügt dabei nicht, da davon weitere wirtschaftliche Befristungsbedürfnisse nicht umfasst sind. Im Hinblick darauf, dass z.B. in vielen Bereichen Deutschlands vermietete Wohnungen praktisch gar nicht oder nur mit erheblichen Wertabschlägen zu verkaufen sind, besteht ein legitimes Interesse des Eigentümers, nach Beendigung der schutzwürdigen Interessen des berechtigten Ehegatten wieder über eine geräumte Immobilie zu verfügen. Bei kreditfinanzierten Immobilien kann das unbefristete Mietverhältnis sogar dazu führen, dass der Eigentümer aufgrund niedriger Vergleichsmieten und fehlender Verkaufsmöglichkeiten, seine Schulden nie abzahlen kann und nie in den Genuss seines in der Immobilie gebunden Eigenkapitals kommt. Die limitierte Zahl der Befristungsgründe in § 575 BGB ist bei freiwillig eingegangenen Mietverhältnissen aufgrund der Sozialbindung des Eigentums zulässig, bei einem gesetzlich erzwungenen Mietvertrag erscheint sie dagegen unverhältnismäßig, wenn das Schutzbedürfnis des berechtigten Ehegatten selbst nur für eine bestimmte Zeit besteht.

 

Beachtet werden sollte auch, dass die fehlende Befristung dazu führt, dass geschiedene Ehegatten oder deren Verwandte mitunter jahrzehntelang als Vermieter und Mieter aneinander gekoppelt werden. Dies widerspricht der eigentlich erwünschten Tendenz, nach Scheidung möglichst bald einen „clean cut“ der wirtschaftlichen Beziehungen zu erreichen.

 

Weiterhin erlauben wir uns den Hinweis, dass bei der Teilungsversteigerung gemäß § 183 ZVG die Anwendung des § 57a ZVG ausgeschlossen ist, so dass die Gesetzesbegründung auf Seite 43 oben nicht ganz zutreffend ist.

 

e)        Zu § 1568b BGB-E

 

Für den Deutschen Notarverein weiterhin fraglich ist, ob die Einführung des  § 1568b Abs. 4 S. 2 BGB sinnvoll ist. Nach Abschluss des Hauratsverteilungsverfahrens neuen Streit über etwaige Ausgleichsansprüche zuzulassen, erscheint unter dem Gesichtspunkt des Rechtsfriedens nachteilig, zumal der tatsächliche Wert von Haushaltsgegenständen nur extrem unsicher zu ermitteln ist. Im übrigen gibt es nach Auffassung des Deutschen Notarvereins sehr wohl einen Grund eine mögliche Wertdifferenz gerade nicht in andere Ausgleiche einzubeziehen, nämlich den Grundsatz lex specialis derogat leges generales. Wenn die Verteilung der Hausratsgegenstände durch die HausratsVO eine Festsetzung anhand anderer Kriterien als des Verkehrswerts ermöglicht, dann sollte dies auch respektiert werden. Insofern spricht für uns kein Grund dafür, dem Ehegatten mit der einen Hand etwas zu geben und ihm mit der anderen wieder etwas weg zu nehmen.

 

Die in der Gesetzesbegründung demgegenüber genannten Beispiele wertvoller Einzelstücke sind in der Praxis heutzutage wohl eher „Exoten“ und können je nach Verständnis bereits gar keinen Hausrat mehr darstellen, vgl. etwa Palandt-Brudermüller, § 1361a, Rn. 3 ff. Im übrigen könnte man überspitzt die Frage stellen, ob es für Ehegatten nicht zumutbar wäre, sich das Tafelsilber zu teilen und sich für den Alltagsgebrauch bei ebay ein neuwertiges 12-teiliges Cromargan-Besteck für unter 50 Euro zu ersteigern.

 

C.    Weitere Anregungen

 

1.     Aufhebung der §§ 1365 bis 1369 BGB

 

Der Deutsche Notarverein regt ergänzend an, bei der Gesetzesnovelle die Zustimmungserfordernisse der §§ 1365 und 1369 BGB aufzuheben.

 
a)        Abschaffung des § 1365 BGB

 

Die Regelung des § 1365 BGB ist aus Sicht des Deutschen Notarvereins unbefriedigend, weil einerseits der eigentliche Schutzzweck aufgrund des engen Anwendungsbereichs der Norm nur in seltensten Fällen erreicht wird, anderseits das allein auf formale Kriterien abstellende Zustimmungserfordernis hinderlich ist und missbräuchlich genutzt werden kann.

 

Da Verfügungen über das „Vermögen im Ganzen“ praktisch nie vorkommen, hat § 1365 BGB im wesentlichen Bedeutung für Verfügungen über einzelne Immobilien und Unternehmensbeteiligungen, wenn diese das wesentliche Aktivvermögen eines Ehegatten ausmachen. Als Schutzzweck wird dabei die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Familiengemeinschaft und in Trennungsfällen die Sicherung der Zugewinnausgleichsforderung genannt, vgl. Palandt-Brudermüller, § 1365 Rn. 1.

 

Häufig wird dieser Schutz aber gar nicht benötigt, z.B. weil Ehegatten – mittlerweile sicherlich der Regelfall – Miteigentümer der Immobilie sind, und damit Verfügungen eines von ihnen über seinen Anteil wirtschaftlich praktisch ausgeschlossen sind, oder weil z.B. Banken bei Hypothekendarlehen ohnehin die Schuldhaft beider Ehegatten verlangen.

 

Zum großen Teil kann ferner der Schutzzweck nicht erreicht werden, weil der Anwendungsbereich der Norm gar nicht eröffnet ist. In immer größerer Zahl haben Immobilienbesitzer heute neben der Immobilie auch noch Eigenmittel, so dass das Wesentlichkeitskriterium der Rechtssprechung nicht erfüllt ist. Die Schwäche der formalen Wertermittlung zeigt sich z.B. auch an der unterschiedlichen Behandlung folgender Fälle, die eigentlich vom Schutzbedürfnis keinen Unterschied machen dürften: Im ersten Fall besitzt ein Ehegatte eine Immobilie im Wert von 200.000 Euro, die aber mit 150.000 Euro belastet ist. Zugleich besitzt er Geldmittel (z.B. Aktiendepot, Lebensversicherung) von 50.000 Euro. Er könnte damit ohne Zustimmung über die Immobilie verfügen. Im zweiten Fall hat der Ehemann die gleiche Immobilie mit nur 100.000 Euro Verbindlichkeiten, dafür aber nur geringe Geldmittel. Er könnte nicht verfügen, obwohl sein Reinvermögen gleich hoch ist.

Solange man nur auf das Aktivvermögen abstellt und damit jeder Ehegatte ohne Zustimmung des anderen unbeschränkt Verbindlichkeiten begründen kann, wird man von einem effektiven Schutz der Lebensgrundlagen der Familie ohnehin nicht reden können, was auch die immer weiter steigende Zahl überschuldeter Privathaushalte belegt.

 

Entwertet wird der Schutzgedanke schließlich vollends durch das ungeschriebene Tatbestandmerkmal, dass Dritte positive Kenntnis von den sonstigen Voraussetzungen des § 1365 BGB haben müssen, vgl. BGH 1980, 2350. Gerade wenn ein Ehegatte „hinter dem Rücken des anderen“ eine Verfügung treffen will, wie z.B. den Verkauf einer Immobilie, kann er dies relativ einfach  mit der Erklärung, dass dies nicht sein wesentliches Vermögen darstellt, erreichen. Ein effektiver Schutz kann damit nicht über § 1365 BGB, sondern nur über die Regeln der §§ 1361b, 1975 Abs. 2, 1978 Abs. 2  und 1390 BGB-E, die richtigerweise auf den Einzelfall abstellen, ermöglicht werden.

 

Diese Schwäche des § 1365 BGB allein wäre möglicherweise nicht Anlass genug, ihn abzuschaffen, wenn er nicht zudem häufig missbräuchlich eingesetzt würde. Jeder Notar wird bereits Fälle erlebt haben, bei denen während der Trennung ein Ehegatte aus Desinteresse oder sogar in der Absicht, sich sonstige Vorteile zu verschaffen oder Schaden anzurichten, die Zustimmung verweigert oder verzögert hat. Dies betrifft insbesondere Fälle, bei denen ein Ehegatte eine hochverschuldete Immobilie schnell verkaufen will und die Unternehmensumstrukturierungen, da auch eine Gesamtrechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz der Zustimmung des § 1365 BGB unterliegt. Die Ersetzung der Zustimmung gemäß § 1365 Abs. 2 BGB zu erreichen, ist dabei in der Praxis nicht realistisch, weil die Bearbeitungszeiten zu lange sind, und die Vormundschaftsgerichte verständlicherweise die zum Teil schwierigen wirtschaftlichen Erwägungen nicht vollumfänglich prüfen können. Außerdem erscheint es im Hinblick auf die Entlastung der Gerichte nicht sinnvoll, Parallelverfahren zu den meist bereits anhängigen familiengerichtlichen Verfahren zu eröffnen.

 

Der Deutsche Notarverein schlägt daher vor, § 1365 BGB aufzuheben und die Ehegatten im begründeten Einzelfall auf die oben beschriebenen, durch die Reform ohnehin verbesserten Rechte samt einstweiligem Rechtsschutz zu verweisen.

 

b)        Abschaffung des § 1369 BGB

 

Die Bedeutung des Hausrates hat sich in den letzten 50 Jahren erheblich gewandelt. Kam früher dem Hausrat in der Ehe ein erheblicher materieller Wert zu, ging dieser in letzter Zeit weitgehend verloren: Schon im Augenblick der Anschaffung verlieren Möbel und technische Geräte erheblich an Wert bzw. sind unter vergleichbar niedrigem Aufwand bei Discountern, Möbelmärkten u.ä. wieder beschaffbar.

 

Zudem wird schon heute die Bestimmung des § 1369 BGB von der Bevölkerung nicht mehr beachtet. Im Grunde sind sogar tausende Geschäfte allein auf E-Bay, bei denen kein Käufer nachfragt, ob der weitgehend anonyme Verkäufer verheiratet ist bzw. die Zustimmung erteilt wurde, schwebend unwirksam.

 

Der Deutsche Notarverein regt daher an, das Gesetz den Realitäten anzupassen, und § 1369 aufzuheben. Für Ehegatten, die in Trennung leben und auf einzelne Haushaltgegenstände angewiesen sind, bietet § 1361a BGB den geeigneteren Schutz.

 

2.     Reform der Gütergemeinschaft

 

Abschließend möchten wir auf die größte Veränderung im Familienrecht der letzten 50 Jahre hinweisen: Die Tatsache, dass Gütergemeinschaften praktisch kaum mehr neu vereinbart werden. Grund dafür sind insbesondere die zu strenge Gesamthaftung der Ehegatten und die unzufriedenstellenden Auseinandersetzungsregeln. Diese Entwicklung ist bedauerlich, denn in der Praxis wäre durchaus das Bedürfnis nach einem modernen, gesetzlich detailliert geregelten Wahlgüterstand mit einer echten Vermögensgemeinschaft vorhanden, wobei diese möglicherweise auch eher an eine Errungenschaftsgemeinschaft angelehnt werden könnte (zu deren Vorteilen vgl. Henrich FamRZ 2002, 1521, 1525).

 

Ohne eine Reform der Gütergemeinschaft liegen zwei Drittel der familienrechtlichen Vorschriften brach. Der Deutsche Notarverein regt daher ergänzend an, alsbald auch die Gütergemeinschaft zu reformieren, wobei er bei entsprechenden Überlegungen gerne die Expertise seiner Mitglieder einbringen kann.

 

Für Rückfragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

[1] Vorschriften des BGB in der Fassung des „Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts“ werden dabei mit „BGB-E“ bezeichnet.
[2] Entfällt jedoch nach unserer Anregung in  Teil C.1.a.

 

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