Vorschläge der Bundesnotarkammer zur Änderung des Beurkundungsgesetzes

Stellungnahme vom 30.05.2008

 

Herzlichen Dank dafür, dass Ihr Haus praxiswichtige Fragen des notariellen Verfahrensrechts zur Diskussion stellt und ebenso herzlichen Dank für die Gelegenheit zur Stellungnahme, die wir gern wahrnehmen. Wir dürfen unserer Stellungnahme folgende Thesen voranstellen:

 

These 1:         Das notarielle Verfahrensrecht, insbesondere die vorgeschriebene Verlesung der Niederschrift, ist das zentrale Mittel der Sicherung inhaltlicher Qualität des Endprodukts, der öffentlichen Urkunde.

 

These 2:         Es gibt Fallgestaltungen, in denen auch durch Verlesung keine Qualitätsverbesserung der öffentlichen Urkunde erreichbar ist. Hier besteht die Gefahr, dass Form zur Förmelei wird.

 

These 3:        Was durch Vorlesen besser werden kann, ist vorzulesen.

 

Unsere Stellungnahme beginnt zur besseren Übersicht mit einer Gliederung. Anschließend folgt eine Bestandsaufnahme der lex lata (nachfolgend A.). Daraufhin möchten wir anhand von Beispielsfällen die Fallgruppen darstellen, die sich derzeit mit Blick auf die o.g. Thesen als problematisch darstellen. Dabei wird sich zeigen, dass sich einige dieser Fallgruppen bereits durch effizientere Nutzung der gegebenen Möglichkeiten des Verfahrensrechts lösen lassen. Zum Teil sind aber Änderungen wünschenswert (unten B.). Anschließend folgen weitere über das Thema „Vorlesen“ hinausgehende Vorschläge zur Modernisierung des Beurkundungsverfahrens (unten C.) Am Ende der Stellungnahme werden alle Formulierungsvorschläge übersichtlich zusammengefasst (unten D.).

 

Gliederung:

 

A. Die Verlesung im geltenden Verfahrensrecht

I.   Verlesung als Regelfall

II.  Ausnahmen

B. Problematische Fallgruppen

I.   „Verbundene Rechtsgeschäfte“

1.  Übernahme eines Rechtsverhältnisses mit einem Dritten

a) Typische Fallgestaltungen

b) Lösung de lege lata („unechte Bezugnahme“)

c) Kein Änderungsbedarf de lege ferenda

2.  Verknüpfung von Rechtsgeschäften

a) Typische Fallgestaltungen

b) Lösung de lege lata (Beurkundung der Verknüpfungsabrede)

c) Kein Änderungsbedarf de lege ferenda

3.  Einbeziehung ausländischer öffentlicher Urkunden

a) Typische Fallgestaltungen

b) Lösung de lege lata

c) Vorschlag de lege ferenda

II.  Abstrakt-generelle Regelungen des Privatrechts

1.  Typische Fallgestaltungen

2.  Lösung de lege lata

3.  Lösung de lege ferenda

III. Tatsächliche Grundlagen vertraglicher Regelungen

1.  Typische Fallgestaltungen

2.  Lösung de lege lata

3.  Vorschlag de lege ferenda

IV. Tatsachenbeurkundungen

1.  Typische Fallgestaltungen

2.  Lösung de lege lata

3.  Kein Veränderungsbedarf de lege ferenda

V. Medienbrüche, Verweisung zu Beweiszwecken

1.  Typische Fallgestaltungen

2.  Lösung de lege lata (Verwahrung statt Mitbeurkundung)

3.  Kein Veränderungsbedarf de lege ferenda

VI. Bestandsverzeichnisse (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG)

1.  Typische Fallgestaltungen

2.  Lösungen de lege lata

3.  Änderungsvorschläge de lege ferenda (Klarstellungen)

C. Weitere Anregungen zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs

I.   Notarielle Bescheinigungen über ausländische Rechtsträger

1.  Ergänzung des § 21 BNotO

2.  Ergänzung des § 32 GBO

II.  Übersetzung ausländischer Urkunden in die deutsche Sprache

D. Zusammenfassende Gesetzgebungsvorschläge

A.  Die Verlesung im geltenden Verfahrensrecht

 

I.   Verlesung als Regelfall

 

Eine notarielle Urkunde kann nach deutschem Verfahrensrecht nur dann wirksam errichtet werden, wenn sie in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen worden ist, § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BeurkG.

 

Damit ist eine historisch sehr alte Sonderregelung für Testamente (vgl. § 29 der Reichsnotariatsordnung Kaiser Maximilians I. von 1512) zum gesetzlichen Regelfall gemacht. Der Prozess des Verlesens mag bei flüchtiger Betrachtung sinnlose Förmlichkeit sein. Jedoch ist das Verlesen eine höchst effiziente Methode der Qualitätssicherung des Endprodukts. Das laute Verlesen schafft im Gegensatz zum bloßen Durchlesen eine größere Distanz zum Text und damit zum Inhalt der Niederschrift. Die größere Distanz ermöglicht zum ersten eine letzte Kontrolle auf formale Fehler und Flüchtigkeiten, zum zweiten einen Test auf Widerspruchsfreiheit, zum dritten aber auch die Überprüfung der Übereinstimmung von rechtsgeschäftlichem Willen und seiner Verkörperung in der Erklärung.

 

Dies gilt um so mehr, wenn der Notar den Text abschnittsweise vorliest, in Worten der Alltagssprache erklärt und somit auch die Sachverhaltsermittlung überprüft bzw. vervollständigt. Nicht von ungefähr verlässt eine notarielle Urkunde den Prozess des Verlesens kaum je genau so, wie sie in ihn hinein gegangen ist. Das „Struck’sche Gesetz“ für den Deutschen Bundestag gilt erst recht in der notariellen Praxis.

 

II.  Ausnahmen

 

Die Pflicht zum Vorlesen ist de lege lata in einigen Fällen durchbrochen:

 

(1)         Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeurkG müssen Karten, Zeichnungen und Abbildungen den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt werden. Ratio legis hierfür ist die faktische Unmöglichkeit des Verlesens dieser Unterlagen. Da jedoch ein Bild bekanntlich mehr als tausend Worte sagt, ist hiervon keine Qualitätseinbuße zu befürchten.

 

(2)         Nach § 13 Abs. 2 BeurkG genügt bei Sammelbeurkundung die Verlesung einer Niederschrift, von den anderen müssen nur die Änderungen gegenüber der „Blaupause“ verlesen werden. Hier zieht das Gesetz selbst die Grenze zwischen Form und Förmelei.

 

(3)         Nach § 13a BeurkG kann auf das (nochmalige) Verlesen einer anderen nach den Vorschriften der §§ 8 ff. BeurkG errichteten Niederschrift unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen verzichtet werden, und zwar auch dann, wenn es sich um verschiedene Beteiligte handelt. Ratio legis ist ebenfalls eine Grenzziehung zwischen Form und Förmelei.

 

(4)         Nach § 14 BeurkG ist die Verlesungspflicht im Interesse der Vermeidung von Formalismen weiter beschränkt. § 14 Abs. 1 Satz 2 BeurkG (die ältere Vorschrift) nimmt nicht eintragungspflichtige Bedingungen von Grundpfandrechten von der Verlesungspflicht aus, eine Konzession an eine früher teilweise ausufernde Kautelarpraxis bei Hypothekenbestellungsurkunden. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG erstreckt diese Ausnahme auf Bestandsverzeichnisse über Sachen, Rechte und Rechtsverhältnisse sowie auf Bilanzen.

 

Die Ausnahmen nach §§ 13a, 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1 Satz 1 BeurkG zeigen den bestehenden Zielkonflikt zwischen effizienter Verfahrungsgestaltung („Form statt Förmelei“) und den in § 17 BeurkG niedergelegten Verfahrenszielen („Qualität durch Form“) allerdings auch deutlich auf.

 

§ 13a BeurkG findet etwa seine ungeschriebene Grenze darin, wenn ein Beteiligter der Folgeurkunde die Verweisungsurkunde nicht lesen kann (z. B. blinder Beteiligter, Verweisungsurkunde in einer Fremdsprache). Hier muss der Notar das Beurkundungsverfahren seinen Zielen entsprechend gestalten, § 17 Abs. 2a Satz 1 BeurkG.

 

Im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 2 BeurkG musste seit jeher darauf geachtet werden, die Beteiligten über die Tragweite mancher Klausel bei Grundpfandrechtsbestellungen hinreichend zu informieren (z. B. über die Bedeutung des Sicherungsvertrages bei Grundpfandrechtsbestellungen oder über die Bedeutung einer wechselseitigen Zustellungsvollmacht im Fall der Trennung von Ehegatten).

 

Zu § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG lässt sich nach einigen Jahren der Praxis folgendes Fazit ziehen. Die Vorschrift hat sicher manchen formalistischen Auswuchs des Beurkundungsverfahrens beseitigt und sich daher im Grundsatz bewährt. Allerdings werden die Möglichkeiten der Vorschrift wohl nicht voll ausgeschöpft, was teilweise an einem mangelnden Projektmanagement liegt, teilweise dem unklaren Wortlaut der Vorschrift geschuldet ist (Einzelheiten nachfolgend unter B.VI.).

 

B. Problematische Fallgruppen

 

Die Erfahrungen in der notariellen Praxis zeigen, dass sich das Spannungsverhältnis zwischen sinnvollem Verlesen und bloßer Förmelei in sechs Fallgruppen als problematisch erweisen kann. Nachfolgend wird untersucht, ob bereits das geltende Recht zufriedenstellende Lösungen zur Verfügung stellt oder ob Änderungen des Verfahrens erforderlich sind.

 

I.   „Verbundene“ Rechtsgeschäfte

 

In der ersten Fallgruppe geht es um die Frage inwieweit über das eigentlich zu beurkundende Rechtsgeschäft hinausgehende Rechtsgeschäfte (mit Dritten oder der Vertragsbeteiligten selbst) verlesen werden müssen oder nicht.

 

1.  Übernahme eines Rechtsverhältnisses mit einem Dritten

 

a) Typische Fallgestaltungen

 

In einem beurkundungspflichtigen Vertrag ist der Eintritt eines Vertragsteils eines notariellen Vertrags in ein nicht beurkundetes Rechtsgeschäft des anderen Vertragsteils mit einem Dritten enthalten, z. B. in einen Miet- oder Kreditvertrag, die Übernahme einer gegebenen Bürgschaft als künftiger alleiniger Bürge, der Eintritt in einen städtebaulichen Vertrag, Erschließungsvertrag, Versicherungsvertrag.

 

Beispielsfall 1:

Ein Grundstückskäufer übernimmt die Rechte und Pflichten aus einem vom Verkäufer und der Gemeinde geschlossenen Erschließungsvertrag.

 

Beispielsfall 2:

Ein Grundstückskäufer tritt in den bestehenden Mietvertrag zwischen Verkäufer und Mieter ein.

 

b) Lösung de lege lata („unechte Bezugnahme“)

 

Gerade bei Übernahme von Rechtsverhältnissen reicht es oftmals aus, wenn das Rechtsverhältnis dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechend in der Niederschrift bezeichnet wird. Zusätzlich kann der Vertrag zu Beweiszwecken in Kopie beigefügt oder auf gewisse Zeit beim Notar verwahrt werden. Dies gilt gerade dann, wenn an den Bestand dieses Rechtsverhältnis weitere Rechtsfolgen geknüpft werden, dieses aber nicht selbst die Pflichten der an der Beurkundung Beteiligten bestimmt.

 

Formulierungsvorschlag zu Beispielsfall 2

(Klausel aus einem Grundstückskaufvertrag):

„Das Kaufobjekt ist mit Mietvertrag vom ____ sowie Nachtrag vom ____ vermietet. Der Käufer übernimmt dieses Mietverhältnis mit Besitzübergang. (optional: Der Mietvertrag wird dieser Urkunde zu Beweiszwecken in Kopie beigefügt.). Auf § 566 BGB hat der Notar hingewiesen. Der Verkäufer garantiert, dass außer den genannten Vereinbarungen keine weiteren Vereinbarungen zwischen ihm und dem Mieter in Bezug auf das Mietverhältnis bestehen, keine Mietminderung geltend gemacht ist und keine Miet- oder Nebenkostenrückstände bestehen.“

 

Die sogenannte „unechte Bezugnahme“ kommt dagegen nicht in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft, auf das verwiesen werden soll, gerade die Pflichten der an der Beurkundung beteiligten Parteien regelt. Paradigma dafür wäre etwa die Baubeschreibung als Grundlage der Pflichten des Werkunternehmers im Bauträgervertrag. In diesem Fall ist die echte Bezugnahme nach § 13a BeurkG oder die Mitbeurkundung des entsprechenden Dokuments veranlasst.

 

c) Kein Änderungsbedarf de lege ferenda

 

Der mit dem Bezugsschreiben versandte Vorschlag der Bundesnotarkammer möchte die Verlesungspflicht bei „in Schriftform geschlossenen Rechtsgeschäften mit Dritten“ einschränken.

 

Der Deutsche Notarverein hält dies aus folgenden Gründen nicht für erforderlich:

 

Zum einen kann mit einer unechten Bezugnahme ein Großteil der dem Vorschlag der Bundesnotarkammer zugrunde liegenden Fallkonstellationen bereits de lege lata gelöst werden.

 

Der Vorschlag der Bundesnotarkammer würde außerdem in der Praxis häufig auftretende Fälle der Bezugnahme auf Rechtsgeschäfte mit Dritten wegen des „Schriftformerfordernisses“ überhaupt nicht erfassen. So liegen z. B.bei Bürgschaften oder Versicherungspolicen meist nur die Erklärungen eines Vertragsteils in privatschriftlicher Form bzw. Textform vor, so dass das Erfordernis vollständiger Schriftform des Rechtsgeschäfts gar nicht gewahrt ist.

 

Zudem sind zuweilen die zu übernehmenden Verträge formnichtig. So ist beim Mietvertrag manchmal die Schriftform nicht gewahrt, da Anlagen dem Vertragstext nicht eindeutig zugeordnet werden können bzw. nicht klar mit ihm verbunden sind. Nicht selten enthalten privatschriftlich geschlossene städtebauliche Verträge Grundabtretungspflichten im Sinne des § 311b Abs. 1 BGB. Selbst die Verlesung dieser Verträge führt nicht zur Konvaleszenz, da nicht die „richtigen“ Parteien der Verhandlung beiwohnen. Fraglich ist, ob diese Fälle vom Vorschlag des Bezugsschreibens erfasst sind.

 

2.  Verknüpfung von Rechtsgeschäften

 

a) Typische Fallgestaltungen

 

Der Abschluss eines beurkundungspflichtigen Geschäfts steht und fällt hier mit dem Zustandekommen eines nicht beurkundungspflichtigen Geschäfts (zwischen den Vertragsbeteiligten oder mit Dritten), z. B. wenn der Abschluss oder der Fortbestand des Grundstückskaufs davon abhängig ist, dass mit einem Mieter ein Aufhebungsvertrag oder mit einem Dritten ein Mietvertrag geschlossen wird.

 

Beispielsfall 3:

Die Konzernmutter M verkauft ein Grundstück an K unter der Voraussetzung, dass K auf einem anderen Grundstück ein Bürogebäude errichtet und dieses an die Konzerntochter T vermietet.

 

Beispielsfall 4:

Der Verkäufer verkauft ein Grundstück an den Käufer. Der Kaufpreis ist erst fällig. wenn ein Mietvertrag mit einem Dritten geschlossen ist, dieser das Grundstück als Mieter in Besitz genommen hat und die erste Miete gezahlt ist. Liegt diese Voraussetzung nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor, soll der Käufer zum Rücktritt berechtigt sein.

 

b) Lösung de lege lata (Beurkundung der Verknüpfungsabrede)

 

Ist ein anderes Rechtsverhältnis nicht Inhalt der zu beurkundenden Rechte und Pflichten, sondern Voraussetzung, explizite Geschäftsgrundlage oder Bedingung für ein formbedürftiges Geschäft, so reicht es – in Abhängigkeit vom Geschäftswillen der an der Beurkundung beteiligten Personen – unter Umständen aus, nur diesen Zusammenhang (die sog. „Verknüpfungsabrede“) zu beurkunden; einer vollständigen Beurkundung des in Bezug genommenen Rechtsverhältnisses selbst bedarf es dann nicht.

 

Lösungsvorschlag zu den Beispielsfällen 3 und 4:

Es genügt, die entsprechende Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzung und ein Rücktrittsrecht zu beurkunden, wobei nur die für die Vertragsparteien wesentlichen Eckwerte des Mietvertrages in der Urkunde niedergelegt werden (z. B. Mietzins, Mietdauer, Bonität des Mieters).

 

c) Kein Änderungsbedarf de lege ferenda

 

Der Deutsche Notarverein sieht im Hinblick auf miteinander verknüpfte Rechtsgeschäfte keinen Änderungsbedarf de lege ferenda. Das Beurkundungsverfahren kann mit den vorhandenen Mitteln sachgerecht gestaltet werden.

 

3.  Einbeziehung ausländischer öffentlicher Urkunden

 

a) Typische Fallgestaltungen

 

In dieser Fallgruppe geht es um die Frage, wie ein deutscher Notar mit ausländischen notariellen Urkunden umzugehen hat. Kann auf diese wie auf inländische notarielle Urkunden nach § 13a BeurkG verwiesen werden oder werden sie im Beurkundungsverfahren wie nicht beurkundete Texte behandelt?

 

Beispielsfall 5:

In einem vor einem italienischen Notar geschlossenen „Business Combination Agreement (BCA)“ wird eine grundsätzliche Einigung über den Verkauf mehrerer Unternehmen in verschiedenen Staaten getroffen. Der deutsche Notar soll durch
Übertragung von GmbH-Anteilen den Deutschland betreffenden Teil des BCA vollziehen. Hierbei soll ein Dritter den im BCA niedergelegten Garantieverpflichtungen des Veräußerers im Wege der kumulativen Schuldübernahme beitreten.

 

Über das Unternehmensrecht hinaus ist ein Bedarf nach Verweisung auf ausländische Urkunden z. B. auch bei Verfügungen von Todes wegen gegeben.

 

Beispielsfall 6:

Wegen einer kollisionsrechtlich verursachten Nachlassspaltung (unbewegliches und bewegliches Vermögen unterliegen unterschiedlichen Erbstatuten) beurkunden mehrere Notare in verschiedenen Ländern jeweils Rechtsgeschäfte, die zusammengesetzt ein Ganzes ergeben, z. B. die Kombination eines Berliner Testaments mit einer donation entre vifs oder einer institution contractuelle, bezogen auf den in Frankreich belegenen Grundbesitz deutscher Ehegatten.

 

b) Lösung de lege lata

 

§ 13a BeurkG erfasst nur inländische Urkunden, die nach den Vorgaben der §§ 8 ff. BeurkG errichtet worden sind, nicht hingegen ausländische Urkunden, und zwar auch dann nicht, wenn im Ausland die lex fori und das deutsche Verfahrensrecht kumulativ beachtet worden sind.

 

Im Beispielsfall 5 muss daher die italienische Urkunde noch einmal verlesen und gegebenenfalls übersetzt werden, obgleich ihr Inhalt nicht mehr zur Diskussion steht und im Sinne der Eingangsthese 2 qualitativ durch das Verlesen nicht mehr besser werden kann. Hier besteht die Gefahr, dass das Verfahren zur bloßen „Förmelei“ wird.

 

Soweit in der ausländischen Urkunde dagegen nicht die Rechte und Pflichten der Urkundsbeteiligten geregelt werden, sondern der Verweis auf die ausländische Urkunde lediglich Identifizierungs- bzw. Beweiszwecken dient, ist eine „unechte Bezugnahme“ (vgl. oben 1 b) ohne Verlesung der ausländischen Urkunde möglich.

 

c) Vorschlag de lege ferenda

 

Die ausländische Urkunde sollte jedenfalls in den Fällen, in denen sie in einem Verfahren errichtet worden ist, das den §§ 8 ff. BeurkG der Zweckrichtung nach vergleichbar ist, in den Kreis der verweisungsfähigen öffentlichen Urkunden nach § 13a BeurkG aufgenommen werden. Die schwierige Normierung der Vergleichbarkeit von Beurkundungsverfahren sollte durch eine „Soll-Bestimmung“ dem Fingerspitzengefühl des damit befassten Notars überantwortet werden. In Zweifelsfällen wird er dann schon zur Vermeidung der eigenen Haftung von einem Verweis nach § 13a BeurkG absehen und die ausländische Urkunde verlesen und gegebenenfalls übersetzen.

 

Ohnehin wird der Notar jeweils prüfen müssen, ob die Verweisung mit § 17 Abs. 2a Satz 1 BeurkG vereinbar ist (insbesondere bei fremdsprachigen Urkunden ist dies von Bedeutung). Die Beteiligten sollten das Risiko der Unwirksamkeit ihrer inländischen Urkunde mangels Vergleichbarkeit des Beurkundungsverfahrens
aber nicht tragen müssen.

 

Formulierungsvorschlag für einen neuen § 13a Abs. 4 Satz 2 BeurkG:

„Gleiches gilt, wenn auf die Niederschrift eines Notars mit Amtssitz im Ausland verwiesen wird; der Notar soll jedoch nur beurkunden, wenn das Verfahren, in dem diese Niederschrift errichtet worden ist, dem Verfahren nach Abs. 1 Satz 1 vergleichbar ist.“

 

II.  Abstrakt-generelle Regelungen des Privatrechts

 

1. Typische Fallgestaltungen

 

Beispiele für abstrakt-generelle Regelungen des Privatrechts sind:

 

(1)     Richtlinien eines Konzerns für die Buchführung und Bilanzierung nach IFRS, in Ergänzung zu den IFRS-Regeln;

 

(2)     „Quasi-Normen“, wie die IFRS, die IAS, die VOB Teil B, AGB der Banken, sonstige AGB, Schiedsordnungen (z. B. der DIS oder der ICC Paris – bei der Schlichtungs- und Schiedsgerichtsordnung des Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare ist das Problem durch Errichtung einer Verweisungsurkunde gelöst), Vorgaben zu Testamentsvollstreckervergütungen, DIN-Normen, TA Luft, TA Lärm usw.;

 

(3)     Festlegungen anderer unternehmensinterner Standardprozeduren, wie z. B.  IT-Sicherheitsstandards, Alarmkalender bei technischen Störungen oder Anschlägen;

 

(4)    Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.

 

Verweisungen auf diese Grundlagen kommen typischerweise bei Garantien bei Unternehmenskaufverträgen oder bei Vorgaben zur Erstellung eines Rechnungsabschlusses zur Kaufpreisfindung vor.

 

Beispielsfall 7 (Garantie im Unternehmenskaufvertrag):

Der Verkäufer garantiert im Unternehmenskaufvertrag, dass die im Unternehmen betriebene IT den eigenen internen Sicherheitsstandards genügt.

 

Beispielsfall 8 (Vorgabe zur Erstellung eines Rechnungsabschlusses):

Der endgültige Kaufpreis entspricht dem x-fachen EBITDA, das sich aufgrund eines auf den Übertragungsstichtag aufzustellenden Zwischenabschlusses ergibt. Der Zwischenabschluss wird nach IFRS in Verbindung mit den für die Unternehmensgruppe des Verkäufers im Jahr des Stichtags gültigen internen Richtlinien für die Buchführung und Bilanzierung nach IFRS aufgestellt.

 

2.  Lösung de lege lata

 

In der Praxis haben derartige „Normen des Privatrechts“ oft einen erheblichen Umfang, der durchaus im Bereich mehrerer hundert Seiten liegen kann. Da die Unterlagen die vertraglich vereinbarten Pflichten zwischen den Urkundsbeteiligten konkretisieren (Nach welchen Regeln ist der Zwischenabschluss aufzustellen? Was genau wird im Hinblick auf die IT-Sicherheitsstandards garantiert?), sind sie nach geltendem Recht zum Teil der Urkunde zu machen und damit zu verlesen. Verfahrensrechtliche Erleichterungen sind für diese Fallgestaltung in § 14 BeurkG nicht vorgesehen.

 

Dies ist im Hinblick auf die Eingangsthesen problematisch. So können etwa die IFRS-Regeln durch das Verlesen nicht besser werden. Auch eine Schiedsordnung kann von den Urkundsbeteiligten nicht verändert werden. Das Verlesen wird in diesen Fällen daher fast immer zur „Förmelei“. Hinzu kommt, dass gerade bei technischen Spezifikationen den an der Beurkundungsverhandlung konkret beteiligten Personen (einschließlich des Notars) häufig der Sachverstand zum Verständnis der zu verlesenden Texte fehlt.

 

3.  Lösung de lege ferenda

 

Daher sollte die Vorlesungspflicht im Hinblick auf abstrakt-generelle Regelungen des Privatrechts de lege ferenda eingeschränkt werden. Dazu könnte der Katalog des § 14 BeurkG erweitert werden. Der Deutsche Notarverein schlägt daher vor, nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG einen neuen Satz 2 einzufügen:

 

„(1)(…)Gleiches gilt für auf eine unbestimmte Zahl von Fällen gerichtete allgemeine Regelungen des Privatrechts, insbesondere allgemeine Richtlinien oder technische Spezifikationen.“

 

Die Formulierung würde es bei abstrakt-generellen Regelungen des Privatrechts ermöglichen, im Einverständnis mit den Beteiligten auf das Verlesen zu verzichten. Die Regelbeispiele sollen die Verweisung etwa auf allgemeine Vertragsmuster ausschließen. Erfasst sind nur ab­strakt-generelle, nicht etwa konkret-generelle oder individuelle Regelungen wie z. B. eine Baubeschreibung, die nur für das hiernach errichtete Gebäude gilt. Der Begriff „technische Spezifikationen“ zielt insbesondere auf DIN-Normen oder Technische Anleitungen ab.

 

Um die Urkunde nicht aufgrund ihres Umfangs unhandlich werden zu lassen, sollten bei abstrakt-generellen Regelungen des Privatrechts zusätzlich die Vorschriften
über die Beifügung dieser Privatrechtsnormen an die Niederschrift gelockert werden. Erforderlich ist jedoch zum einen die allgemeine Zugänglichkeit der Unterlagen (etwa durch deren Veröffentlichung, nicht hingegen ein rein innerbetriebliches Handbuch), zum anderen die Dauerhaftigkeit des Nachweises, woran eine Verweisung auf eine Internetadresse zumeist scheitern dürfte. Ein Formulierungsvorschlag dazu (§ 14 Abs. 5 BeurkG) findet sich unter IV.

 

III. Tatsächliche Grundlagen vertraglicher Regelungen

 

1.  Typische Fallgestaltungen

 

Anwendungsfälle hierfür sind etwa Bodengutachten als Grundlage für ein zu vereinbarendes Altlastensanierungskonzept, ein vorgelegtes Sanierungskonzept für ein aus der Insolvenzmasse zu erwerbendes Unternehmen als Grundlage für eine entsprechende vertragliche Rechtspflicht des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer, ein Businessplan als Grundlage für eine Gewährleistung, ein Wertgutachten für ein Unternehmen oder für ein Grundstück oder die Kostenkalkulation für ein Bauprojekt.

 

Beispielsfall 9 (fiktive Vertragsklausel):

„Dem Käufer ist bekannt, dass das Kaufobjekt schädliche Bodenveränderungen und Altlasten im Sinne des § 2 Abs. 3 und 5 BBodSchG aufweist. Hierzu hat der Verkäufer ein Gutachten erstellen lassen, das diesem Vertrag als Anlage beigefügt ist. Der Verkäufer wird auf seine Kosten die in diesem Gutachten vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen durchführen und steht dem Käufer dafür ein, dass die für eine Verwendung des Kaufobjekts als Supermarkt vorgesehenen, im Gutachten genannten Grenzwerte der festgestellten schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten hierdurch erreicht werden.“

 

 

2.  Lösung de lege lata

 

Im Beispielsfall 9 ist das Gutachten nach geltendem Recht wohl insgesamt zu verlesen, da es Grundlage einer Beschaffenheitsangabe ist und damit den eigentlichen Vertragsinhalt bestimmt.

 

Soweit es um in die Zukunft gerichtete Darstellungen geht, wie z. B. bei einem Businessplan sind Fälle eher selten, in denen tatsächlich die Verwirklichung dieser Planungen vertraglich vereinbart wird. Schon eine Belehrung durch den Notar über die Konsequenzen einer an einen Businessplan geknüpften Rechtspflicht (de facto ein „Sprung ins Dunkle“) bringt die Beteiligten stets zum Nachdenken. Plausibilitätsgarantien lassen sich zudem auch etwas allgemeiner formulieren, so dass man ohne echte Bezugnahme auskommt. So wird es meist genügen, die Erklärung zu beurkunden, dass „der Käufer/Investor von einem bestimmten Businessplan (Stand: ***) Kenntnis genommen hat“. Der Businessplan kann dann nach Wunsch zu Beweiszwecken beigefügt werden.

 

3. Vorschlag de lege ferenda

 

Gerade am Beispiel des Bodengutachtens zeigt sich deutlich das durch die Eingangsthesen gekennzeichnete Spannungsfeld. In der Beurkundungsverhandlung stehen die gutachterlichen Feststellungen (Sachverhalt) nicht mehr zur Diskussion. Verhandlungsspielraum gibt es hingegen, was die hieraus zu ziehenden Folgerungen betrifft (welche Partei schuldet welche Sanierungsleistung?).

 

Der Deutsche Notarverein regt daher an, derartige Gutachten in § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG mit dem Terminus „Darstellungen dem Geschäft zugrunde gelegter Sachverhalte“ zu erfassen. Die aufgrund dieser Sachverhalte vereinbarten Vertragspflichten (z. B. Sanierungskonzepte aufgrund von Bodengutachten, die Baubeschreibung etc.) sollten hingegen beurkundungspflichtig bleiben. Denn auf deren Zustandekommen bzw. deren Inhalt haben die Vertragsteile sehr wohl Einfluss, so dass diese Vertragsbestandteile durch Verlesen noch besser werden können (Eingangsthese 3).

 

IV. Tatsachenbeurkundungen

 

1. Typische Fallgestaltungen

 

Grundlage vertraglicher Abreden können über § 13a BeurkG hinaus auch Tatsachenbeurkundungen nach §§ 36 ff. BeurkG sein.

 

Beispielsfall 10:

Käufer K möchte von Verkäufer V dessen Geschäftsanteil an der X-GmbH erwerben. In der Urkunde soll festgehalten werden, wie die aktuell gültige Fassung der Satzung lautet. V soll erklären, dass noch nicht ins Handelsregister eingetragene satzungsändernde Beschlüsse nicht gefasst sind.

 

2.  Lösung de lege lata

 

Eine Bezugnahme nach § 13a BeurkG kommt im Beispielsfall 8 nicht in Betracht, denn § 13a BeurkG verweist lediglich auf die Beurkundung von Willenserklärungen nach den §§ 8 ff. BeurkG. Auf einfache Zeugnisse im Sinne des § 39 BeurkG sowie Niederschriften nach §§ 36, 37 BeurkG, 130 AktG kann nicht nach § 13a BeurkG verwiesen werden.

 

In Betracht kommen wird allerdings in den meisten Fällen eine „unechte Bezugnahme“, da auf die notarielle Urkunde lediglich zu Identifizierungs- bzw. Beweiszwecken verwiesen wird. Eine Verlesung ist daher schon de lege lata in den meisten Fällen entbehrlich. Im Beispielsfall 10 wäre folgende Formulierung denkbar:

 

„Die Satzung, bescheinigt nach § 181 AktG gemäß Urkunde der Notarin Dr. Melanie Clever in Musterstadt vom ….., UR.Nr. ….., (optional: zu Beweiszwecken beigefügt als Anlage ___,) stellt die derzeit gültige Fassung dar; satzungsändernde Beschlüsse, die noch nicht in das Handelsregister eingetragen sind, bestehen nicht.“

 

3. Kein Veränderungsbedarf de lege ferenda

 

Die typischen Fälle dieser Fallgruppe lassen sich bereits nach geltendem Recht
über „unechte Bezugnahmen“ lösen, so dass der Deutsche Notarverein insoweit keinen Veränderungsbedarf sieht.

 

V. Medienbrüche, Verweisung zu Beweiszwecken

 

1. Typische Fallgestaltungen

 

Nicht selten liegen vertragsrelevante Unterlagen nur als CD/DVD vor, so dass insoweit eine Verlesung ausscheidet.

 

Beispielsfall 11:

Im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages sind sämtliche dem Verkäufer im Rahmen einer due diligence vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Unterlagen auf einer DVD dokumentiert. Im Unternehmenskaufvertrag soll der Verkäufer erklären, dass er dem Käufer die vertragsrelevanten Unterlagen vollständig zur Verfügung gestellt hat.

 

Nicht zuletzt haben gerade große Anwaltskanzleien in letzter Zeit die Archivfunktion der öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde „entdeckt“, denn auch ein eigentlich nicht beurkundungspflichtiges Geschäft/Dokument wird durch Beurkundung „archivpflichtig“.

 

Beispielsfall 12:

Der Verkäufer hat dem Käufer die betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) des verkauften Unternehmens für die letzten zwei Jahre übergeben; obwohl die BWA beurkundungsrechtlich nicht mitbeurkundet werden müssten, möchte die beteiligte Anwaltskanzlei die BWA der Niederschrift zu Beweiszwecken beifügen und damit die Archivfunktion der öffentlichen Urkunde nutzen.

 

Sogar bei der bloßen Unterschriftsbeglaubigung lässt sich die Archivfunktion des Notars nutzen.

 

Beispielsfall 13:

Bei einer bloßen Unterschriftsbeglaubigung besteht der Mandant darauf, dass der Notar statt eines Vermerkblatts das Original oder eine beglaubigte Abschrift der betreffenden Erklärung (samt umfangreichen Anlagen) in die Urkundensammlung aufnimmt. Der Notar wird sich diesem Ansinnen oft faktisch kaum widersetzen können.

 

Der Notar übernimmt damit sowohl die Führung anwaltlicher Handakten (wegen der hohen Fluktuation in den Großkanzleien eine für diese wichtige Funktion) als auch eine geordnete Aktenablage für Unternehmen. Gerade bei Kanzleiwechseln der betreuenden Anwälte oder im Fall der Durchführung einer due diligence beim betreffenden Unternehmen greifen die Beteiligten häufig auf die Urkundensammlung des Notars zu.

 

Zumindest im Falle der Beglaubigung wird dieser Aufwand durch die Beglaubigungsgebühr nicht angemessen abgegolten. § 39a BeurkG hat allerdings durch die Möglichkeit elektronischer Archivierung den Druck teilweise abgebaut, der Aufwand des Scannens bleibt jedoch.

 

2.  Lösung de lege lata (Verwahrung statt Mitbeurkundung)

 

Die Beifügung zu Beweiszwecken entlastet zwar zunächst die Beurkundungsverhandlung (Verlesung nicht erforderlich), führt aber zu wegen ihres Umfangs kaum mehr handhabbaren Urkunden.

 

Die Archivfunktion des Notars lässt sich jedoch über die Verwahrung von Unterlagen im Rahmen einer sonstigen Betreuungstätigkeit nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO effektiver nutzen als durch das schiere Aufblähen des Umfangs notarieller Urkunden. Oft müssen diese Unterlagen nämlich nur bis zum Ablauf von Gewährleistungsfristen verfügbar sein und nicht ad infinitum (etwa bei einer Beifügung zu Beweiszwecken wegen § 442 BGB). Die Mitbeurkundung schießt daher häufig in zeitlicher Hinsicht über das angestrebte Ziel hinaus.

 

Ein Lösungsvorschlag zu Beispielsfall 11 könnte wie folgt aussehen:

 

„Der Verkäufer steht dem Käufer dafür ein, dass er ihm im Rahmen der due diligence alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, auf denen nach der gewöhnlichen Verkehrsanschauung der Vertragswille des Käufers aufbaut. Eine Dokumentation der übergebenen Unterlagen ist ihm und dem beurkundenden Notar auf einer DVD ausgehändigt worden. Der Notar darf die DVD an den Verkäufer zurückgeben, wenn die in diesem Vertrag bestimmte Frist für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen abgelaufen ist, es sei denn, der Käufer hat dem Notar gegenüber erklärt, den Verkäufer auf Gewährleistung in Anspruch genommen zu haben. In diesem Fall hat er die DVD an den Käufer herauszugeben.“

 

Denkbar ist auch die Verwahrung von Vertragskopien auf Papier (z. B. aus einem Datenraum) durch den Notar auf die für den Lauf von Gewährleistungsfristen anzusetzenden Zeitraum, z. B. auch in einem von den Parteien angemieteten Bankschließfach, dessen Schlüssel beim Notar hinterlegt wird. Auch hierbei handelt es sich nicht um eine Verwahrung nach §§ 23 BNotO, 54a-54d BeurkG, sondern um eine sonstige Betreuungstätigkeit nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO.

 

3.  Kein Veränderungsbedarf de lege ferenda

 

Die Ausführungen unter Ziffer 2. haben gezeigt, dass sich Medienbrüche und wegen bloßer Beweiszwecke (Archivierungsfunktion der öffentlichen Urkunde) aufgeblähte Urkunden über eine notarielle Verwahrung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO und so mit den bereits bestehenden Mitteln lösen lassen. Darüber hinausgehenden Veränderungsbedarf sieht der Deutsche Notarverein nicht.

 

VI. Bestandsverzeichnisse (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG)

 

Für Bestandsverzeichnisse regelt § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG bereits Ausnahmen von der Verlesungspflicht. Hintergrund ist hier, dass derartige Bestandsverzeichnisse im Regelfall nicht sinnvoll verlesen werden können. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen anhand von Beispielsfällen (1.), dass die Möglichkeiten des geltenden Rechts zum Teil nicht ausgeschöpft werden (2.), teilweise aber auch gesetzliche Klarstellungen wünschenswert sind (3.).

 

1. Typische Fallgestaltungen

 

Beispielsfall 14:

In einem Unternehmenskaufvertrag soll der Verkäufer garantieren, dass alle betriebsnotwendigen Versicherungen bestehen, die Prämien hierfür pünktlich bezahlt wurden und keine Versicherungsfälle offen sind. Die Versicherungsverträge sollen sich aus einer Anlage ergeben. Zur Beurkundung bringt der Verkäufer einen Leitzordner mit kopierten Versicherungspolicen mit.

 

Beispielsfall 15:

Ein als Anlage beizufügendes Schriftstück enthält ein Bestandsverzeichnis nach § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG. Im gleichen Schriftstück finden sich daneben auch (verlesungspflichtige) textliche Darstellungen.

 

Beispielsfall 16:

In einem Unternehmenskaufvertrag soll die Richtigkeit einer Gewinn- und Verlustrechnung garantiert werden. Im Urkundstext soll auf die Gewinn- und Verlustrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG verwiesen werden.

 

2.  Lösungen de lege lata

 

Beispielsfall 14 zeigt die Probleme mangelhaften Projektmanagements im Vorfeld größerer Transaktionen auf. Statt der (völlig ausreichenden) Liste der Versicherungsverträge mit den Angaben „Versicherungsart, Versicherer und Versicherungsscheinnummer“ wird zur Beurkundung ein Leitzordner mit kopierten Versicherungspolicen geliefert, weil sich im Vorfeld niemand um die Erledigung dieser Aufgabe gekümmert hat.

 

Da die Liste nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG behandelt werden könnte, der Leitzordner aber nicht, wird hier in der Praxis manchmal die Beurkundungsverhandlung unterbrochen, um die Liste zu erstellen.

 

In Beispielsfall 14 wäre eine klare Strukturierung der Prozesse unter Rückgriff auf die in der Industrie weithin gebräuchlichen Standards wünschenswert gewesen. Der Notar und auch die häufig beteiligten Anwälte sollten darauf hinwirken, dass der korrekten Erstellung der Bestandsverzeichnisse im Vorfeld die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet wird, zumal die gelisteten Bestände häufig vom Verkäufer garantiert werden und diesen insoweit eine verschuldensunabhängige Haftung trifft.

 

Wegen der Fehleranfälligkeit von Bestandsverzeichnissen, insbesondere wenn diese erst kurz vor dem „Closing“ kurzfristig zusammengestellt werden müssen, sind zudem Stichproben des Notars durchaus ratsam.

 

Sind die Bestandsverzeichnisse nicht allzu umfangreich bietet es sich zudem an, auf die Verfahrenserleichterung des § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG zu verzichten und das Bestandsverzeichnis aus Gründen der Qualitätskontrolle zu verlesen:

 

Beispielsfall 17:

Ein kleines Unternehmen wird verkauft. In der notariellen Urkunde ist vorgesehen, unter Verzicht auf die Verlesungspflicht auf eine Liste der im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter nach § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG zu verweisen. In der Beurkundungsverhandlung entschließt sich der Notar von § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG keinen Gebrauch zu machen und verliest die Liste. Die anwesende Ehefrau eines Urkundsbeteiligten weist sodann darauf hin, dass es außer den auf der Liste verzeichneten vier Vollzeitmitarbeitern noch einen fünften gebe. Wäre hier nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG verfahren worden, hätte die unvollständige Liste zu einem Garantiefall für den Verkäufer geführt.

 

Der Beispielsfall 17 zeigt, dass gerade bei kürzeren Anlagen/Bestandsverzeich­nissen der das Vorlesen prägende Qualitätssicherungsaspekt (Eingangsthese 1) „durchschlagen“ kann. Hier bleibt es jedoch dem Fingerspitzengefühl des beurkundenden Notars überlassen, inwieweit die Verfahrenserleichterungen des § 14 BeurkG in Anspruch genommen werden sollen oder nicht.

 

Im Beispielsfall 15 stellt sich die Frage, ob die in der Anlage vorhandenen textlichen Darstellungen auch zur Verlesungspflicht des in der gleichen Anlage enthaltenen Bestandsverzeichnisses führen. Diese Frage ist wohl schon de lege lata zu verneinen. Zu verlesen sind nur die textlichen Darstellungen, nicht jedoch das Bestandsverzeichnis. Nur diese Auslegung entspricht Sinn und Zweck von § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass ohne weiteres auch zwei Anlagen (eine verlesungspflichtige mit den textlichen Darstellungen; eine nicht verlesungspflichtige mit dem Bestandsverzeichnis) hergestellt werden könnten. Eine solche „gemischte Anlage“ hat jedoch zur Folge, dass der Notar in der Urkunde genau bezeichnen muss, welche Teile der Anlage verlesen wurden und im Hinblick auf welche Teile die Beteiligten nach § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG auf eine Verlesung verzichtet haben.

 

Formulierungsvorschlag zum Beispielsfall 15:

„(…) Auf die dieser Urkunde beigefügte Anlage 1 wird verwiesen. Auf das Vorlesen der S. 4 bis 9 der Anlage 1 (Verzeichnis des Anlagevermögens) wurde von allen Beteiligten verzichtet. Die S. 4 bis 9 der Anlage 1 wurden den Beteiligten zur Kenntnisnahme vorgelegt und von ihnen auf jeder Seite unterzeichnet.

(…) Vorstehende Niederschrift samt Anlage 1 (S. 1 bis 3) wurde den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig wie folgt unterschrieben:“

 

3.  Änderungsvorschläge de lege ferenda (Klarstellungen)

 

Änderungsbedarf sieht der Deutsche Notarverein jedoch hinsichtlich einiger unklarer Formulierungen in § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG, die die Beurkundungspraxis unnötig erschweren.

 

So ist z. B. im Beispielsfall 16 unklar, ob auch die „Gewinn- und Verlustrechnung“ unter den von § 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG verwendeten Begriff „Bilanz“ subsumiert werden kann. Was gilt weiter für Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA), den Anhang, den Lagebericht oder den Prüfungsbericht eines Wirtschaftsprüfers?

 

Unklar ist auch, ob eine Liste von Arbeitnehmern ein „Bestandsverzeichnis“ von „Rechtsverhältnissen“ ist, wenn explizit sonst von „Sachen“ die Rede ist? Das Deutsche Notarinstitut hat (wohl zu unrecht) in einem Gutachten eine Liste zu übertragender Grundstücke nicht als „Inventar“ im Sinne des § 14 BeurkG und damit als taugliche Grundlage einer Auflassungserklärung angesehen.

 

Der Deutsche Notarverein schlägt daher erstens vor, den Begriff „Bilanzen“ durch „Unterlagen zur kaufmännischen Rechnungslegung“ zu ersetzen. Damit wären andere Teile des Jahresabschlusses, Lageberichte und Betriebswirtschaftliche Auswertungen zweifelsfrei erfasst.

 

Weiter ist die Aufzählung „Inventare, Nachlassverzeichnisse oder sonstige Bestandsverzeichnisse“ redundant und kann auf „Verzeichnisse über Inbegriffe“ in Anlehnung an § 240 HGB verkürzt werden. „Sachen“ und „Rechte“ lassen sich unter dem Oberbegriff „Gegen­stände“ zusammen fassen (§ 90 BGB).

 

§ 14 Abs. 1 S. 1 BeurkG wäre sodann wie folgt zu formulieren:
“(1) Werden Unterlagen zur kaufmännischen Rechnungslegung, Verzeichnisse über Inbegriffe von Personen, Gegenständen oder Rechtsverhältnissen oder Darstellungen dem Geschäft zugrunde gelegter Sachverhalte in ein Schriftstück aufgenommen, auf das in der Niederschrift verwiesen und das dieser beigefügt wird, so braucht es nicht vorgelesen zu werden, wenn die Beteiligten auf das Vorlesen verzichten.“

 

C. Weitere Anregungen zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs

 

Die Globalisierung stellt auch die Tätigkeit der deutschen Notare vor neue Herausforderungen. Der Deutsche Notarverein darf daher zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs zwei zusätzliche Vorschläge unterbreiten. Die erste betrifft notarielle Vertretungs- und Existenzbescheinigungen über ausländische Rechtsträger, die am inländischen Rechtsverkehr teilnehmen (I.). Die zweite Anregung betrifft die notarielle Übersetzung von ausländischen Urkunden in die deutsche Sprache (II.).

 

I.   Notarielle Bescheinigungen über ausländische Rechtsträger

 

Bereits in unserer Stellungnahme vom 7. März 2008 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen (gerichtet an Ministerialrat Dr. Neye) haben wir Vorschläge zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs im Gesellschaftsrechts unterbreitet.

 

Dabei geht es um die Frage, wie gegenüber deutschen Registergerichten die Existenz und Vertretungsberechtigung von ausländischen Rechtsträgern nachgewiesen werden kann.

 

Beispielsfall 18:

Eine amerikanische Gesellschaft erwirbt in Deutschland ein Grundstück.

 

Beispielsfall 19:

Eine englische Limited erwirbt den Kommanditanteil an einer deutschen GmbH & Co. KG.

 

Gegenüber dem Grundbuchamt und dem Handelsregister sind in den Beispielsfällen die Nachweise (Existenz der Gesellschaft, Vertretungsberechtigung der handelnden Personen) durch Vorlage öffentlicher Urkunden (§ 29 GBO, § 12 HGB) zu führen. Von der Eintragung in das Register hängt im Beispielsfall 18 konstitutiv der Eigentumserwerb ab (§ 873 BGB), im Beispielsfall 19 die Haftungsbeschränkung nach § 176 HGB.

 

Die Nachweisfrage stellt die notarielle und registerrechtliche Praxis vor enorme Probleme. So scheitert etwa der Existenzbeweis durch öffentliche Urkunden, wenn die ausländische Gesellschaft nicht oder noch nicht in einem Register eingetragen ist. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist in der Regel der Nachweis der Vertretungsbefugnis durch öffentliche Urkunden überhaupt nicht möglich. Hier stellt sich dann die Frage, welche gleichwertigen Nachweise im Wege der Substitution an die Stelle der öffentlichen Urkunde treten können. Bedauerlicherweise stellen die Registergerichte und Grundbuchämter in Deutschland hier derart unterschiedliche Anforderungen, dass für den Notar und die Beteiligten eine einigermaßen vorhersehbare Abwicklung nicht gewährleistet ist. Transaktionen mit erheblichen individuellen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen können so oft erst abgewickelt werden, wenn das jeweilige Gericht sich mit seinen spezifischen verfahrensrechtlichen Anforderungen befriedigt sieht.

 

Die vom Bundesjustizministerium vorgeschlagenen Änderungen im Internationalen Gesellschaftsrecht (vgl. den o. g. Referentenentwurf) werden im Registerverfahren nicht weiterhelfen, denn dieses Verfahren richtet sich nach allgemeiner Meinung ausschließlich nach der lex fori, also dem deutschen Recht. Die materiell-rechtlichen Regelungen des EGBGB lösen somit die Probleme im täglichen Register- und Grundbuchvollzug nur partiell.

 

Der Deutsche Notarverein schlägt daher vor, das Verfahrensrecht so zu ergänzen, dass deutsche Notare zukünftig – unter Übernahme der persönlichen Haftung bei Fehlern – von den Registergerichten (als öffentliche Urkunden) zu akzeptierende Bescheinigungen über ausländische Rechtsträger erstellen dürfen. Dazu sind § 21 BNotO und § 32 GBO jeweils um einen neuen Absatz 3 zu ergänzen.

 

1. Ergänzung des § 21 BNotO

 

Nach § 21 Abs. 1 BNotO ist der deutsche Notar befugt:

 

„1. die Bescheinigung über eine Vertretungsberechtigung sowie

2. Bescheinigungen über das Bestehen oder den Sitz einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft, die Firmenänderung, eine Umwandlung oder sonstige rechtserhebliche Umstände auszustellen, wenn sich diese Umstände aus einem Handelsregister oder einem ähnlichen Register ergeben. Die Bescheinigung hat die gleiche Beweiskraft wie ein Zeugnis des Registergerichts.“

 

Zwar kann der deutsche Notar Vertretungsbescheinigungen nach § 21 BNotO auch aufgrund der Einsichtnahme in ausländische Register erstellen (LG Aachen vom 20.04.1988 – 3 T 20/88, RNotZ 1988, 157). Nach herrschender Meinung haben derartige Bescheinigungen aber lediglich den Charakter einer gutachterlichen Stellungnahme gemäß § 24 BNotO (insbesondere, wenn die Vertretungsberechtigung nicht unmittelbar aus dem Register ersichtlich ist, wie z. B. in England) und erfüllen somit nicht die Anforderungen der §§ 29 GBO, 12 HGB („öffentliche Urkunde“) – wenngleich sie von den Registergerichten oft akzeptiert werden.

 

Es bietet sich daher an, den Beweiswert derartiger Bescheinigungen generell auf das Niveau des § 21 BGB zu erheben. Die Bescheinigung nach § 21 BNotO ist nach § 39 BeurkG in Beurkundungsform (einfaches Zeugnis in Vermerkform) zu errichten und erfüllt damit die Anforderungen der §§ 29 GBO, 12 HGB.

 

Daher wird folgende Formulierung eines neuen Absatzes 3 des § 21 BNotO vorgeschlagen:

 

„(3)Bei einer ausländischen Gesellschaft, einem Verein oder einer juristischen Person, die in einem öffentlichen Register eingetragen ist, gelten Abs. 1 und 2 entsprechend. Ergibt sich die Vertretungsbefugnis aus dem öffentlichen Register nicht, soll der Notar die Bescheinigung nur ausstellen, wenn er des fremden Rechts hinreichend kundig ist oder sie auf der Bescheinigung eines im Ausland bestellten Notars, eines Vertreters eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs, eines Konsularbeamten oder einem wissenschaftlichen Rechtsgutachten beruht. Satz 1 und 2 geltend entsprechend für den Nachweis des Bestehens und der Vertretungsbefugnisse einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person, die nicht oder noch nicht in einem öffentlichen Register eingetragen ist.“

 

Da der Notar im Falle einer eigenen Bescheinigung für deren Richtigkeit haftet, scheint es zweckmäßig, als Grundlage der Bescheinigung auch die Stellungnahme eines ausländischen Anwalts (legal opinion) zu nennen. Der Vorschlag, auch „wissenschaftliche Rechtsgutachten“ als Grundlage der Bescheinigung ausreichen zu lassen, ermöglicht insbesondere eine vereinfachte Verwendung von Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts für Internationales und Ausländisches Privatrecht sowie des Deutschen Notarinstituts (DNotI), wo es mittlerweile mehr als einhundert entsprechende Gutachten gibt.

 

 

2.  Ergänzung des § 32 GBO

 

Die Grundbuchordnung regelt den Nachweis der Vertretungsberechtigung bei Handelsgesellschaften in einem eigenen § 32 GBO. Dieser hat folgenden Wortlaut:

 

㤠32

Nachweis der Vertretungsberechtigung bei Handelsgesellschaften

 

(1)            Der Nachweis, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus den im Handelsregister eingetragenen Personen besteht, wird durch ein Zeugnis des Gerichts über die Eintragung geführt.

(2)            Das gleiche gilt von dem Nachweis der Befugnis zur Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft, einer Partnerschaftsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.“

 

Es ist umstritten, ob § 32 GBO auf ausländische Gesellschaften entsprechende Anwendung findet. Dies führt in der Praxis dazu, dass Grundbuchrechtspfleger und Grundbuchrichter bei der Beteiligung von Auslandsgesellschaften gelegentlich Anforderungen an Existenz- und Vertretungsnachweise stellen, die entweder gar nicht oder nur mit großem Zeit- und Kostenaufwand beizubringen sind.

 

Transaktionskosten könnten erheblich gemindert werden, wenn § 32 GBO um folgenden Abs. 3 erweitert würde:

 

„(3)Bei ausländischen Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen des
Privatrechts, die in einem öffentlichen Register eingetragen sind, gelten Abs. 1
und 2 entsprechend. Ergibt sich aus dem öffentlichen Register nicht, welche
Organmitglieder zur Vertretung befugt sind, genügt die Bescheinigung eines
deutschen Notars oder eines Konsularbeamten.“

 

Der Vorschlag orientiert sich an Art. 1 Ziff. 9 c) MoMiG RegE. Der dort genannte „Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs“ (d. h. im Wesentlichen Rechtsanwälte) sollte hier nicht genügen, da § 29 GBO im Grundsatz öffentliche (notarielle) Urkunden verlangt. Die „Bescheinigung des Notars“ würde dann nach dem oben (unter a)) vorgeschlagenen § 21 Abs. 3 BNotO erstellt.

 

II. Übersetzung ausländischer Urkunden in die deutsche Sprache

 

Der Notar darf seine Urkunden in einer Fremdsprache errichten, bzw. selbst in diese übersetzen, § 16 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BeurkG. Er muss dazu nicht auf einen (vereidigten) Übersetzer zurückgreifen. Weiter darf er die deutsche Übersetzung „seiner“ in einer ausländischen Sprache gefertigten Urkunde nach § 50 Abs. 1 BeurkG selbst mit einer Bescheinigung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung versehen.

 

Die Fertigung der Übersetzung einer fremden Urkunde, auch wenn der Notar diese selbst entworfen hat und sie dann im Ausland beurkundet worden ist, ist dagegen nicht explizit geregelt.

 

Zur Erläuterung sollen drei Beispielsfälle dienen:

 

Beispielsfall 20 (authentischer Fall bei einem bayerischen Grundbuchamt):

Zum Vollzug eines Kaufvertrages über ein deutsches Grundstück liegt eine Löschungsbewilligung über ein Grundpfandrecht einer Bank mit Sitz in London in Rechtsform der plc vor. Die Löschungsbewilligung ist vor einem Londoner scrivener notary von zwei rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten der Bank unterzeichnet, die Vollmacht selbst ist von zwei directors der plc unterzeichnet, deren Unterschriften sind ebenfalls notariell beglaubigt. Beglaubigte Abschrift der im Original bei Unterzeichnung der Löschungsbewilligung vorgelegten Vollmacht ist dem Dokument beigefügt. Der Text der Löschungsbewilligung und die Beglaubigungsvermerke sind in deutscher, die Handlungsvollmacht selbst ist in englischer Sprache verfasst. Der Vollzugsnotar des Kaufvertrages übersetzt die Vollmacht ins Deutsche, versieht die Übersetzung mit einer Bescheinigung der Richtigkeit und Vollständigkeit in Form einer Eigenurkunde und reicht diese mit den Unterlagen dem Grundbuchamt zum Vollzug der Löschung des Grundpfandrechts ein. Das Grundbuchamt beanstandet die Vorlage durch Zwischenverfügung und verlangt die Vorlage der Übersetzung eines vereidigten Übersetzers für die englische Sprache.

 

Beispielsfall 21:

Eine von mehreren ausländischen Eigenkapitalgebern finanzierte Start-up-Aktiengesellschaft benötigt sehr rasch eine Überbrückungsfinanzierung, um die Insolvenz bis zur nächsten Finanzierungsrunde zu vermeiden. Die Hauptversammlung der AG beschießt hierzu die Begebung einer Wandelanleihe mit bedingtem Kapital, die von den Investoren dann gezeichnet wird. Aus Zeitgründen werden die Bedingungen der Wandelanleihe der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung nur in der Verhandlungssprache Englisch von den Beteiligten geliefert und als Anlage beigefügt. Sofort nach Beschlussfassung kann die Wandelanleihe gezeichnet und der geschuldete Betrag ausgezahlt werden. Anlässlich der Vorlage zum Handelsregister versieht der Notar sein Protokoll (§§ 36 f. BeurkG, 130 AktG) ebenfalls mit einer von ihm gefertigten und bescheinigten Übersetzung der Anleihebedingungen.

 

Beispielsfall 22 (authentischer Fall vor einem bayerischen Vormundschaftsgericht):

Die sorgeberechtigte geschiedene Mutter eines hier lebenden Minderjährigen erklärt für diesen vor einem deutschen Notar die vorbehaltlose Annahme der Erbschaft nach seinem in Frankreich verstorbenen Vater (französischer Staatsangehöriger). Zur besseren Abwicklung von Gesellschaftsbeteiligungen des Erblassers in Frankreich ist es höchst tunlich, diese Annahme als „acceptation pure et simple“, d.h. ohne Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zu erklären. Hierzu ist nach französischem materiellem Recht die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich, das deutsche Vormundschaftsgericht ist hierzu international zuständig. Die Genehmigung kann unter Berücksichtigung der Interessen des Mündels dann erteilt werden, wenn die Aktiva des Nachlasses die Schulden deutlich übersteigen. Hierzu wird das von dem französischen mit dem Nachlassverfahren betrauten Notar erstellte Inventar vorgelegt.

 

Die in den Beispielen geschilderte Notartätigkeit nimmt in der Praxis zu. Bei den Handelsregistern (Beispielsfall 21) herrscht eine pragmatische Sichtweise vor. Vom Notar gefertigte und bescheinigte Übersetzungen von Fremdurkunden werden dort überwiegend akzeptiert. Gerade bei ausländischen Zweigniederlassungen trägt dies zur Entlastung der Gerichte bei. Bei den Grundbuchämtern (Beispielsfall 20) ist die Handhabung (leider) i.d.R. restriktiver. Im Beispielsfall 22 hatten alle Beteiligten das Glück, an eine Rechtspflegerin zu geraten, die sehr gut Französisch sprach. Ein Aktenvermerk des Notars über die Rechtslage samt Kopien der Rechtsquellen auf Französisch sowie einige Telefonate, in denen die gemeinsame Linie abgestimmt wurde, reichten aus. Die gesamte Verfahrensdauer löste in Frankreich Bewunderung über die deutsche Justiz aus.

 

Die Notartätigkeit in diesen Fällen liegt im „juristischen Niemandsland“ zwischen notarieller Eigenurkunde, § 16 und § 50 BeurkG. Man könnte hier an eine Gesamtanalogie dieser Vorschriften in Verbindung mit dem ungeschrieben Rechtsinstitut der notariellen Eigenurkunde denken. Dafür spricht, dass, was die Fremdsprachenkenntnisse des Notars selbst betrifft, das deutsche Verfahrensrecht zu Recht auf die Selbsteinschätzung der Notare und ihr Verantwortungsbewusstsein vertraut. Auch im Vergleich zu ausländischen Verfahrensordnungen nimmt das deutsche Verfahrensrecht einen liberalen Standpunkt ein, der sich bislang bewährt hat.

 

Nach Auffassung des deutschen Notarvereins bietet sich gerade mit Blick auf die uneinheitliche Registerpraxis eine gesetzliche Klarstellung an. Zudem dürfte es im wohlverstandenen Eigeninteresse Deutschlands liegen, die Teilnahme ausländischer Rechtsträger am inländischen Rechtsverkehr weiter zu erleichtern. Gerade bei Übersetzungen im Rahmen des Urkundsvollzugs ist der Notar (es handelt sich fast durchweg um kürzere Texte) ungleich schneller als ein Übersetzer, der erst gesucht, beauftragt werden und sich dann in die oft fremde Materie einarbeiten muss. Zudem lässt sich die in hohem Maße gerade bei den jüngeren Notarinnen und Notaren vorhandene Fremdsprachenkompetenz als Wettbewerbsvorteil für das deutsche Rechtssystem nutzen. Allerdings sollte der Notar nicht gezwungen werden, Übersetzungen selbst anzufertigen. Wird er dagegen als Übersetzer tätig, hat er insoweit auch das Haftungsrisiko zu tragen. Der Rückgriff auf den Notar als Übersetzer erleichtert – bei Übersetzung in eine Fremdsprache – auch den Einsatz der deutschen Urkunde im Ausland und dient daher den Interessen von Wirtschaft und Bürgern (z. B. Vorsorgevollmacht eines in Florida oder Spanien lebenden Ruheständlers mit Übersetzung ins Englische/Spanische, zweisprachiges Testament bei Vorhandensein von Auslandsvermögen).

 

Wir schlagen daher vor, § 50 BeurkG wie folgt zu fassen:
“(1)Ein Notar kann die Übersetzung einer Urkunde mit der Bescheinigung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen. Für die Bescheinigung gilt § 39 entsprechend. Der Notar soll die Bescheinigung nur erteilen, wenn er der fremden Sprache hinreichend mächtig ist.

(2) Eine Übersetzung, die mit einer Bescheinigung nach Abs. 1 versehen ist, gilt als richtig und vollständig. Der Gegenbeweis ist zulässig.

(3) Hat der Notar eine Urkunde selbst errichtet oder ist er für die Erteilung einer Ausfertigung zuständig, kann er auch von einer derartigen Übersetzung Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften erteilen. Die Übersetzung soll in diesem Fall zusammen mit der Urschrift verwahrt werden.“

 

D. Zusammenfassende Gesetzgebungsvorschläge

 

Die Verlesung ist das zentrale Mittel zur Sicherung der inhaltlichen Qualität der notariellen Urkunde. Die besonderen Wirkungen der öffentlichen Urkunde (Beweiswirkung: § 415 ZPO, Vollstreckungswirkung: 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) beruhen auf der (zwingenden) gesetzlichen Ausgestaltung des Beurkundungsverfahrens, wozu insbesondere die Verlesung der Urkunde gehört.

 

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist daher darauf zu achten, „das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten“. Die Verlesung führt bei der ganz überwiegenden Zahl der notariellen Beurkundungen zu keinerlei Problemen. Wie oben gezeigt, kann es bei nicht so umfangreichen Texten sogar sinnvoll sein, von den Möglichkeiten der §§ 13a, 14 BeurkG keinen Gebrauch zu machen. Gesetzgeberische Maßnahmen sollten deshalb nicht unter dem Eindruck weniger Ausnahmefälle (große Unternehmenskaufverträge mit umfangreichen Anlagen) ergriffen werden, sondern stets das grundsätzlich funktionierende Gesamtsystem im Auge behalten. Dies gilt umso mehr, da sich viele als problematisch angesehene Fallgestaltungen bereits nach geltendem Recht zufriedenstellend lösen lassen (vgl. oben B. zu den einzelnen Fallgruppen).

 

Allenfalls in Randbereichen sowie zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs sieht der Deutsche Notarverein folglich gesetzgeberischen Korrektur- bzw. Klarstellungsbedarf und schlägt daher eine Ergänzung des § 13a BeurkG, eine Neufassung des § 14 BeurkG, eine Änderung des § 50 BeurkG, eine Änderung des § 21 BNotO sowie eine Änderung des § 32 GBO wie folgt vor:

 

1.  § 13a Abs. 4 BeurkG wird um folgenden Satz 2 ergänzt:

 

„Gleiches gilt, wenn auf die Niederschrift eines Notars mit Amtssitz im Ausland verwiesen wird; der Notar soll jedoch nur beurkunden, wenn das Verfahren, in dem diese Niederschrift errichtet worden ist, dem Verfahren nach Abs. 1 Satz 1 vergleichbar ist.“

 

2.  § 14 BeurkG wird wie folgt neu gefasst:

 

㤠14

Eingeschränkte Vorlesungspflicht

 

(1)  Werden Unterlagen zur kaufmännischen Rechnungslegung, Verzeichnisse über Inbegriffe von Personen, Gegenständen oder Rechtsverhältnissen oder Darstellungen dem Geschäft zugrunde gelegter Sachverhalte in ein Schriftstück aufgenommen, auf das in der Niederschrift verwiesen und das dieser beigefügt wird, so braucht es nicht vorgelesen zu werden, wenn die Beteiligten auf das Vorlesen verzichten. Gleiches gilt für auf eine unbestimmte Zahl von Fällen gerichtete allgemeine Regelungen des Privatrechts, insbesondere allgemeine Richtlinien oder technische Spezifikationen.

 

(2)  Absatz 1 gilt entsprechend für Erklärungen, die bei der Bestellung einer Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld, Schiffshypothek oder eines Registerpfandrechts an Luftfahrzeugen aufgenommen werden und nicht im Grundbuch, Schiffsregister, Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen selbst angegeben zu werden brauchen. Eine Erklärung, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, muss in die Niederschrift selbst aufgenommen werden.

 

(3)  Wird nach Absatz 1 und 2 das beigefügte Schriftstück nicht vorgelesen, so soll es den Beteiligten zur Kenntnisnahme vorgelegt und von ihnen unterschrieben werden; besteht das Schriftstück aus mehreren Seiten, soll jede Seite von ihnen unterzeichnet werden. § 17 bleibt unberührt.

 

(4)  In der Niederschrift muss festgestellt werden, dass die Beteiligten auf das Vorlesen verzichtet haben, es soll festgestellt werden, dass ihnen das beigefügte Schriftstück zur Kenntnisnahme vorgelegt worden ist.

 

(5)  Nimmt die Niederschrift in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 auf Regelungen Bezug, die dauerhaft in einer allgemein zugänglichen Quelle enthalten sind, so finden die vorstehenden Absätze 3 und 4 dann keine Anwendung, wenn diese in der Niederschrift angegeben wird.“

 

3.  § 50 BeurkG wird wie folgt geändert:

 

a) In Abs. 1 Satz 1 entfällt das Wort „deutsche“ vor „Übersetzung“. Weiter wird das Komma nach „versehen“ durch einen Punkt ersetzt. Der restliche Satzteil entfällt.

 

b) Abs. 3 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

 

„Hat der Notar eine Urkunde selbst errichtet oder ist er für die Erteilung einer Ausfertigung zuständig, kann er auch von einer derartigen Übersetzung Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften erteilen.“

 

4. § 21 BNotO wird um folgenden Absatz 3 ergänzt:

 

„(3) Bei einer ausländischen Gesellschaft, einem Verein oder einer juristischen Person, die in einem öffentlichen Register eingetragen ist, gelten Abs. 1 und 2 entsprechend. Ergibt sich die Vertretungsbefugnis aus dem öffentlichen Register nicht, soll der Notar die Bescheinigung nur ausstellen, wenn er des fremden Rechts hinreichend kundig ist oder sie auf der Bescheinigung eines im Ausland bestellten Notars, eines Vertreters eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs, eines Konsularbeamten oder einem wissenschaftlichen Rechtsgutachten beruht. Satz 1 und 2 geltend entsprechend für den Nachweis des Bestehens und der Vertretungsbefugnisse einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person, die nicht oder noch nicht in einem öffentlichen Register eingetragen ist.“

 

5.  § 32 GBO wird um folgenden Absatz 3 ergänzt:

 

„(3) Bei ausländischen Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen des Privatrechts, die in einem öffentlichen Register eingetragen sind, gelten Abs. 1 und 2 entsprechend. Ergibt sich aus dem öffentlichen Register nicht, welche Organmitglieder zur Vertretung befugt sind, genügt die Bescheinigung eines deutschen Notars oder eines Konsularbeamten.“

 

Zu weiteren Erläuterungen sind wir gern bereit.

 

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