Juristenausbildung und Bologna-Prozess

Stellungnahme vom 20.04.2005

 

Der Deutsche Notarverein bedankt sich für die Gelegenheit, im Rahmen der Anhörung des Ausschusses der Justizministerkonferenz zur Koordinierung der Juristenausbildung zur Frage der Einführung des Bachelor/Master-Systems in die Deutsche Juristenausbildung Stellung zu nehmen.

Der Deutsche Notarverein schließt sich den Bedenken an, die von den bereits gehörten Verbänden und Kammern gegen ein Modell vorgebracht wurden, bei dem das grundständige Studium der Rechtswissenschaften auf drei Jahre verkürzt wird und Bachelor- und Masterabschlüsse das Staatsexamen als Zulassungsvoraussetzung zum Referendariat ersetzen.

Ein nur dreijähriges Studium genügt nicht, um die für eine qualifizierte juristische Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Das rechtswissenschaftliche Studium in Deutschland, das im Ausland einen hervorragenden Ruf genießt, würde durch eine derartige Verkürzung ohne abschließende Prüfung ohne Not entwertet. Der Deutsche Notarverein sieht – jedenfalls im Bereich der Rechtswissenschaft – auch keine adäquaten Jobangebote für zwei Drittel der Jurastudenten nach nur drei Studienjahren.

Diese Absolventen kämen ohnehin nicht als taugliche Kandidaten für das Amt des Notars in Betracht. Vielmehr wären dies lediglich diejenigen, die auch einen zweijährigen Master absolviert hätten. Es erscheint aber kaum möglich, das auf einem breiten Wissensfundament aufbauende Studium zum Einheitsjuristen, an dem der Deutsche Notarverein ausdrücklich festhält, in einen dreijährigen und einen zweijährigen Teil aufzuspalten, bei dem der letztgenannte nur noch die Vertiefung in einem Spezialgebiet beinhalten würde.

Abzulehnen ist auch die Abschaffung eines einheitlichen, hochschulübergreifenden Staatsexamens zum Ende der theoretischen Ausbildung. Die Vergleichbarkeit der Hochschulabschlüsse kann nur dadurch gesichert werden, dass es zusätzlich einen hochschulunabhängigen Maßstab gibt. Insbesondere ist es aus Sicht der reglementierten juristischen Berufe erforderlich, das aktuelle Wissen der Kandidaten am Ende der theoretischen Ausbildung zu überprüfen und nicht lediglich die Fähigkeit, ad hoc auf einzelne Prüfungen zu lernen. Diese Anforderungen erfüllt nur ein Staatsexamen nach Abschluss des Hochschulstudiums, nicht jedoch ein durch studienbegleitende Prüfungen gespeister hochschuleigener Bachelor- oder Masterabschluss.

Vor diesem Hintergrund bittet der Deutsche Notarverein um Verständnis, dass die vorgelegten Fragen im einzelnen nicht beantwortet werden, da diese vor dem Hintergrund des vorgeschlagenen Umsetzungsmodells gestellt und formuliert sind, das wir umfassend ablehnen.

Sollte die Justizministerkonferenz dennoch an einer Umsetzung der Bologna-Erklärung auch im Bereich der Rechtswissenschaften festhalten, so sollten aus Sicht des Deutschen Notarvereins zumindest die folgenden Überlegungen berücksichtigt werden:

Die Bologna-Erklärung fordert nicht die geschilderte Umsetzung mit dreijährigem Erststudium. Vielmehr wäre auch ein Modell mit vierjährigem Bachelor- und darauf aufbauendem einjährigen Masterstudium möglich. Dann müsste sich am bisherigen Studienaufbau praktisch nur wenig ändern, insbesondere müsste keine Verkürzung der Inhalte vorgenommen werden.

Auch der Verzicht auf das Staatsexamen ist nicht bereits im Bologna-Modell angelegt. Sollte das Hochschulstudium in Zukunft mit einem oder gar zwei eigenen Abschlüssen enden, deren Leistungen aber studienbegleitend erbracht werden, so würde dies nichts am Erfordernis eines einheitlichen Staatsexamens nach Abschluss des Studiums ändern. Denn dieses prüft etwas ganz anderes: Die Gesamtheit der im Studium erworbenen und am Ende noch vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Hochschulstudium mit Hochschulabschluss und Zulassungs­voraussetzungen zu den reglementierten juristischen Berufen könnten getrennt betrachtet werden. Zu letzteren gehört nach Auffassung des Deutschen Notarvereins in jedem Fall ein Staatsexamen.

Zu fragen wäre allenfalls, ob als Voraussetzung für dieses Staatsexamen und damit das Beschreiten des Weges in einen der reglementierten Berufe wirklich neben dem Bachelor- auch der Master-Abschluss erforderlich ist. Aus Sicht des Einheitsjuristen, der einen großen Vorzug der deutschen Juristenausbildung darstellt, scheint eine frühzeitige Spezialisierung nicht zwingend erforderlich. Sie mag jedoch im Einzelfall sinnvoll sein und die Chancen des Absolventen auf dem Arbeitsmarkt verbessern, die Entscheidung für einen Master könnte jedoch dem Studierenden überlassen bleiben.

 

Für Rückfragen oder weiterführende Gespräche stehen wir jederzeit gern zur Verfügung. Wir würden uns insbesondere freuen, in die weitere Diskussion um alternative Umsetzungsmodelle eingebunden zu werden.

 

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