Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

Stellungnahme vom 13.01.2017

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

I.

Für den Bereich des Notariats, das durch den Grundsatz der höchstpersönlichen Amtsausübung geprägt ist, können nach unserer Kenntnis mit den bisherigen berufsrechtlichen Regelungen zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden, die sowohl dem besonderen Vertrauen in die Verschwiegenheit als auch den sich wandelnden – insbesondere technischen – Rahmenbedingungen Rechnung tragen.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Gesetzgebung vorausschauend betrieben wird und sich Gesetzgebungsinitiativen nicht nur als Reaktion auf bestimmte Ereignisse darstellen.

Auch die Gesetzesbegründung verweist nur auf die abstrakte Gefahr. Der einige Jahre zurückliegende Fall eines Frankfurter Pizzabäckers, der ein versehentlich an ihn gerichtetes Telefax mit politisch brisanten Informationen an die Presse weitergeleitet hat, wird nicht erfasst und soll auch gar nicht erfasst werden. Auch der nicht so lang zurückliegende Skandal um die Datensicherheit des Rechnernetzes des Deutschen Bundestags scheint kein Motiv zu sein. Die Täter dieses Hackerangriffs kennt man immer noch nicht.

Da kein aktueller Handlungsbedarf besteht, hat uns die Vorlage eines bereits ausformulierten Entwurfs überrascht und der enge Zeitplan verwundert.

 

II.

Wir regen an, nicht nur verschwiegenheitsbezogene berufsrechtliche Regelungen und Straftatbestände auf ihre Handhabbarkeit zu prüfen, sondern einen umfassenderen Untersuchungs- und Lösungsansatz zu wählen.

In rechtssystematischer Sicht ist z. B. anzumerken:

Bisher entspricht der Kreis tauglicher Täter in § 203 StGB in etwa dem Kreis derjenigen, denen im Strafprozess ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, § 53 StPO. Das erscheint systematisch konsequent. Nunmehr wird (vgl. die neuen Absätze 3 und 4) der Kreis tauglicher Täter („bei der ordnungsgemäßen Ausübung seiner Tätigkeit mitwirkende Person“) erheblich weiter gezogen, ohne das in § 53 StPO und anderen Verfahrensordnungen entsprechend gleichgezogen wird. Außerdem wird die Strafbarkeit um einen neuen objektiven Tatbestand erweitert, nämlich die Sorgfaltspflichtverletzung bei der Auswahl von Hilfspersonen (§ 203 Abs. 4 Nr. 1 RefE).

Dieser Systembruch wirft die Frage nach dem gesetzgeberischen Motiv auf. Das Strafrecht soll Rechtsgüter von besonderer Bedeutung schützen. Erfahrungsgemäß reagiert der Gesetzgeber mit dem Strafrecht auf Missstände. Dann müsste es solche gegeben haben. Dazu ist uns nichts bekannt.

Deshalb ist die Frage angebracht, ob ein stärkeres Outsourcing bei den hier angesprochenen Berufsgruppen gefördert werden soll.

Es scheint, jedenfalls nach der Begründung des Entwurfs, vordringlich um IT-Dienstleister für die in § 203 Abs. 1 und Abs. 2 StGB genannten Berufs- und Amtsträger zu gehen. Der Wortlaut des neuen § 203 Abs. 3 StGB geht jedoch darüber hinaus.

Hierzu ein

Beispiel:

Fotokopierer werden üblicherweise nicht gekauft, sondern geleast. Hierzu wird mit dem Hersteller bzw. dessen Vertriebsagenten ein Wartungsvertrag geschlossen. Fällt ein Kopierer aus, kommt der Kundendienst, und zwar innerhalb vertraglich garantierter Zeitspannen. Damit ist die Arbeitsfähigkeit des Büros rasch wiederhergestellt. Welcher Techniker kommt, liegt im Verantwortungsbereich des Vertragspartners des Wartungsvertrags, nicht in dem des Kunden.

Soweit so gut. Moderne Kopierer verfügen aber über eine große interne Festplatte, auf der z. B. die Scans der Urkunden für den elektronischen Rechtsverkehr gespeichert werden. Ein Techniker, der es darauf anlegt, könnte diese interne Festplatte auslesen. Was kann man tun? Eine für den normalen Nutzer zugängliche Löschfunktion hat diese Festplatte nicht. Zudem reicht bekanntermaßen das bloße Löschen nicht, da die Datei dennoch physisch erhalten bleibt. Allenfalls Neuformatieren der internen Platte des Kopierers würde (vielleicht) das Lesen der Datei unmöglich machen. Das kann der normale Kunde erst recht nicht und soll es auch nicht können, da dann die Software für den Betrieb des Kopierers mit gelöscht würde. Als Kunde kann man also nichts tun. Diese Gefahr relativiert sich jedoch, denn natürlich hat der typische Servicetechniker weder Zeit noch Muße, sich über die internen Festplatten seiner Kunden herzumachen.

Da ein Neuformatieren der Platte vor Eintreffen des Servicetechnikers nicht in Betracht kommt, handelt es sich bei dem Servicetechniker um eine Person, die an der beruflichen Tätigkeit des Notars mitwirkt und bei der das Offenbaren von Berufsgeheimnissen jedenfalls durch Eröffnung einer faktischen Zugriffsmöglichkeit für die Tätigkeit des Notars erforderlich ist.

Zudem muss der Notar diese Person, d. h. den Servicetechniker, sorgfältig auswählen, zur Geheimhaltung verpflichten und seine Tätigkeit überwachen. All das ist nicht möglich: Sorgfältig auswählen wird der Notar seinen Kopiererlieferanten, wobei hier die Zuverlässigkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund stehen. Nach welchen Kriterien sollte man vorgehen, wenn man straftatbezogen nach der Vertrauenswürdigkeit auswählt. Die zahllosen Geheimdienstskandale zeigen, dass noch nicht einmal die „Profis“ hierfür eine Lösung haben. Den Techniker selbst kann der Notar zudem gar nicht auswählen, schon gar nicht sorgfältig. Jeder Wartungsdienstleister wird solche Eingriffe in seine Personaldisposition entweder nicht dulden oder der Kunde müsste erheblich längere Wartezeiten in Kauf nehmen.

Theoretisch könnte der Notar den Techniker beim Eintreffen zur Geheimhaltung verpflichten. Das geht zu Lasten der Arbeitszeit des Technikers, so dass die Preise für Wartungsverträge steigen werden. Wie aber soll die Überwachung seiner Tätigkeit aussehen? Schließt der Techniker ein Notebook an einen Kopierer an, um Fehlermeldungen der Steuersoftware auszulesen, kann ein Nichtfachmann gar nicht feststellen, ob daneben die gesamte interne Festplatte kopiert wird.

Man kann das Beispiel auch weiter abwandeln: Einmal jährlich schickt der Vermieter des Notars einen Mitarbeiter eines Dienstleisters (z. B. der Firmen Brunata oder Thermomess) in das Büro, um die Verbrauchsmessgeräte an den Heizkörpern abzulesen. Kriecht dieser unter den Schreibtischen herum, ist nicht auszuschließen, dass er zufällig einen Blick auf eine herumliegende Urkunde oder einen Brief wirft. Auch diesen Mitarbeiter kann der Notar gar nicht selbst auswählen, das ist Sache seines Vermieters.

Gleiches könnte auch bei dem aus Sicht des Unterzeichners für dessen berufliche Tätigkeit wichtigstem Mitarbeiter vorkommen, nämlich dem für die Wartung der Kaffeemaschine zuständigen Servicetechniker. Gleiches gilt für den Getränke- und Blumenlieferanten, sogar für den Büroboten der juristischen Fachbuchhandlung, der das neue Bundesgesetzblatt bringt.

 

III.

Die Beispiele zeigen, dass der Kreis der „Mitwirkenden“ im neuen § 203 StGB erheblich weiter gezogen ist, als es der Intention des Entwurfs entspricht. Das und eine Reihe von unscharfen Begriffen wie „ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit“ oder „sorgfältige Auswahl“ (ist damit ein Übergang in ein Fahrlässigkeitsdelikt gemeint?) werfen zum einen Fragen nach der inhaltlichen Bestimmtheit des Straftatbestandes auf (Art. 103 Abs. 2 GG), zum anderen Fragen nach dem dahinterstehenden gesetzgeberischen Motiv. Geht es darum, den großen Anbietern auf dem Rechts- und Steuerberatungsmarkt zu ermöglichen, Prüfungsvorgänge (Abschlussprüfung, due diligence) auf externe IT-Dienstleister auszugliedern, die dann unter Nutzung künstlicher Intelligenz Datenräume auswerten? Ist dieses Outsourcing nötig und – vor allem – ist es nötig, zu dessen Ermöglichung uferlose Straftatbestände zu schaffen? Welchen Interessen soll damit gedient werden?

Die Finanzverwaltung macht bei der rechnergestützten Auswertung von Steuererklärungen und Bilanzen vor, dass solches hausintern unter Wahrung des Steuergeheimnisses zu bewerkstelligen ist. Von dieser Seite dürfte der Ruf nach dem Strafgesetzgeber nicht kommen.

Wenn man hier schon Dienstleistungen externalisieren will, sollte man den Kreis tauglicher Täter deutlich genauer definieren als im Entwurf. Zudem muss § 53 StPO „nachgeführt“ werden.

 

IV.

Im Besonderen haben wir gegen § 26a E-BNotO Bedenken. Die Vorschrift beinhaltet eine Überbürokratisierung.

Zum einen übersieht die Vorschrift, dass der Notar viele dieser Dienstleister gar nicht selbst auswählen kann, weil ihm das konkrete Personal vorgegeben ist (durch Vermieter oder Gerätehersteller, vgl. oben I.).

Zu zweiten bedeutet das Erfordernis eines schriftlichen Dienstvertrages mit dem Inhalt des § 26a Abs. 2 Satz 2 E-BNotO, dass statt des Formblatts über die Verpflichtung künftig dieser komplette Vertrag in Kopie zu den Generalakten der Notarstelle zu nehmen ist. Die Dienstaufsicht kann sich dann, statt einen Blick auf die gesammelten Verpflichtungserklärungen zu werfen, aus jedem dieser Verträge die entsprechende Passage heraussuchen. Sie nimmt zwangsläufig auch den sonstigen Inhalt zur Kenntnis, was aber über den gesetzlichen Umfang der Dienstaufsicht und ihren Prüfungsauftrag hinausgeht. Das greift in die Organisationshoheit des Notars ein und bindet zudem Zeit und personelle Ressourcen bei den Aufsichtsbehörden (d. h. den Landgerichten).

 

V.

Im Ergebnis halten wir daher, jedenfalls soweit das Notariat in Rede steht, Änderungen des StGB und der BNotO nicht für angezeigt.

 

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