Fragebogen „Regulierung der freien Berufe und ihre Folgen“

Stellungnahme vom 10.06.2003

 

Mit ihrer Einladung zur Stellungnahme vom 27. März 2003 verfolgt die Kommission das Ziel, einen vollständigen Überblick über die Reglementierung freier Berufe zu erhalten. Der Deutsche Notarverein begrüßt, dass auf diesem Weg das Bild von der Regulierung freier Berufe, das sich aus der Studie des Instituts für Höhere Studien ergibt, durch Beteiligung der interessierten Kreise ergänzt und korrigiert werden kann. Der Deutsche Notarverein erhofft sich eine offene Diskussion, die sich um eine differenziertere Betrachtung der Problematik bemüht, als das bis­her geschehen ist.

 

Ob der veröffentlichte Fragebogen, vor allem in dem an die Nutzer der Dienstleistungen ge­richteten ersten Teil, geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen, bezweifelt der Deutsche Notarverein. Ein Fragebogen der voraussetzt, dass der Nutzer einer freiberuflichen Dienstleistung vertiefte Kenntnisse über berufsrechtlichen Regelungen zu Fragen nach zulässigen Unternehmesfor­men, berufsübergreifender Zusammenarbeit oder Werbeverboten hat, geht an einem Großteil der Nutzer der freiberuflichen Dienstleitungen vorbei. Solche Kenntnisse wären aber für einen Nutzer notwendig, um beispielsweise die Frage beantworten zu können, ob die jeweilige Rege­lung  seine Interessen schützen oder behindern (Frage 3) oder wie sich solche Regelungen auf den Wettbewerb auswirken (Frage 11). Ein so gestalteter Fragebogen birgt zum einen die Ge­fahr, nur solche Nutzer anzusprechen, die weit überdurchschnittlich im Berufsrecht bewandert sind. Das würde dann die Aussagekraft der Befragung – die ohnehin nicht annähernd ein reprä­sentatives Ergebnis zu liefern in der Lage ist – weiter minimieren. Die zweite Gefahr besteht darin, von Nutzern, die die notwendigen berufsrechtlichen Kenntnisse nicht haben, Antworten zu bekommen, die von falschen Prämissen ausgehen. Auch das würde zu einem weiter ver­zerrten Bild führen. Der Deutsche Notarverein regt an, die eingegangenen Fragebögen von Nutzern unter den genannten Gesichtspunkten kritisch zu betrachten.

 

Aus der Sicht des Deutschen Notarvereins bedarf auch der Teil des Fragebogens, der sich an die Berufsverbände richtet und der in diesem Schreiben für die Berufsgruppe der Notare (Liste 1: b) beantwortet werden soll, aufgrund der besonderen Stellung der Notare lateinischer Prä­gung einer zusätzlichen Kommentie­rung.

 

Der Notar in Deutschland übt wie die Notare in den meisten kontinentaleuropäischen Staaten ein öffentliches Amt aus (§ 1 Bun­desnotarordnung – ­BNotO). Die so ausgeprägten Notariats­systeme werden auch als lateinisches Notariat bezeichnet. Der Notar nimmt in diesen Syste­men unmittelbar staat­liche Auf­gaben wahr und übt öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 45 EG-Ver­trag (EGV) aus. An dieser Tatsache ändert sich nichts durch die Form der Ausübung des Notaramtes. Der Notar übt sein Amt wirtschaftlich selbständig aus. Diese Ausübungsform führt zu einer besonders effizienten Erledigung der notariellen Amtsgeschäfte. Die Form der Berufs­ausübung ist folglich ein dienendes Element; sie dient dem Amt.

 

Der Notarberuf kann daher nur eingeschränkt als freier Beruf – ein Begriff mit ohnehin fehlender Eindeutigkeit – bezeichnet wer­den. Die Bezeichnung trifft allenfalls auf die Ausübungsform zu, funktional ist der Notar der hoheitlichen freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzurechnen.

 

Der Fragebogen hingegen geht davon aus, dass der Freiberufler (wie ja für Apotheker, Archi­tekten oder Rechtsanwälte zutreffend) seinen Beruf grundsätzlich ohne staatliche Regulierung ausüben könnte und in dieser Freiheit – aus welchen Gründen auch immer – durch staatliche Regulierung eingeschränkt wird. Genau dies trifft aber auf den Notar nicht zu. Dessen Beruf kann es aufgrund der von ihm ausgeübten staatlichen Funktionen ohne staatliche Regelung überhaupt nicht geben. Staatliche Regelungen beschränken den Notar nicht, sondern eröffnen ihm erst sein Arbeitsfeld. Dies drückt sich in einer Reihe von im Vergleich mit echten Freiberuf­lern abweichenden Regelungen aus, von denen hier einige aufgezählt seien:

 

Der Notar wird zur Ausübung seines Amtes vom Justizminister des Bundeslandes be­stellt;
er unterliegt der Disziplinaraufsicht durch die Landesjustizverwaltung; die Auswahl der Notare richtet sich wie bei Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung; das Verhältnis zwischen Notar und Klient basiert nicht auf Zivilrecht, sondern ist ein öffentlich-rechtliches Verfahrensrechtsverhältnis; die Zahl der Notarstellen wird vom Staat kraft seiner Organisationsgewalt bestimmt; ausschließliches Kriterium bei der Bestimmung sind die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege.

Die Notare besitzen das Beur­kundungsmonopol. Diese ausschließliche Beurkundungszustän­digkeit wurzelt im Wesen der Beurkundung. Das Beurkundungsverfahren mündet in die Herstellung einer öffentlichen Urkunde. Die öffentliche Urkunde hat bestimmte Funktionen, die ihr nur zukommen können, wenn ihre Errichtung aufgrund staatlicher Kompetenz geschieht. Das bedeutet, dass die Herstellung nur durch einen Amtsträger, der bestimmten Bindungen und Kontrollen unterworfen ist, denkbar ist. Die Notare sind diese Amtsträger, auf die der Staat Be­urkundungs- und Beglaubigungskompetenzen übertragen hat. Nur diesem qualitativ ausge­suchten und quantitativ beschränkten Personenkreis kann die Anfertigung von öffentlichen Ur­kunden anvertraut werden, ansonsten die öffentliche Urkunde ihrer Wirkung beraubt würde. Die Zuweisung bestimmter ausschließlicher Beurkundungskompetenzen dient also nicht dem ein­zelnen Berufsträger oder der Abschottung eines Berufsstandes, sondern dem Allgemeinwohl.

 

Aufgrund dieser vollständig anderen Ausgangslage, kann der Notar nicht in einen Vergleich mit Freiberuflern klassischer Prägung einbezogen werden. Wir stehen der Einbeziehung der Notare in den vorliegenden Fragebogen daher mit Skepsis gegenüber. Jedenfalls müssen zuvor skizzierten Besonderheiten des Notarberufs bei der Auswertung der Antworten auf den Frage­bogen stets berücksichtigt werden, um eine weitere Verzerrung des Ergebnisses zu verhindern.

 

Die Studie des Instituts für höhere Studien in Wien ist mit ihrem schematischen Ansatz den dar­gelegten Besonderheiten nicht gerecht geworden. Wohlwissend, dass es sich bei der Studie um einen Diskussionsbeitrag handelt, der nicht die Meinung der Kommission widerspiegelt, möchte der Deutsche Notarverein  doch auf einige der methodischen Mängel der Studie hinweisen, die zu einem verzerrten Bild der Regulierung der freien Berufe und insbesondere des Notariats in den Ergebnissen der Studie geführt haben.

 

Schon der grundsätzliche Ansatz der Studie, dass höhere Umsätze und eine höhere Wert­schöpfung in den Mitgliedsstaaten mit niedrigem Regulierungsgrad ein Qualitätsmerkmal dieser „Märkte“ sein sollen, ist für „juristische Dienstleistungen“ zweifelhaft. Rechtsberatungs- und Rechtsverfolgungskosten sind Transaktionskosten, die im gesamtwirtschaftlichen Interesse möglichst gering zu halten sind. Hohe Kosten bedeuten nicht ein Mehr an Wohlstand, sondern eine höhere Belastung von Unternehmen und Verbrauchern mit Transaktionskosten, die im übrigen auch binnenmarktfeindlich sind. Darauf hat auch die europäische Kommission zu Recht immer wieder hingewiesen, zuletzt in Ihrem Konsultationspapier zum Europäischen Vertrags­recht. Wenn mehr und teurere Prozesse geführt werden, hat das höhere Umsätze bei Rechts­anwälten zur Folge. Ob Unternehmen und Verbraucher davon mehr profitieren, als von preis­werter vorsorgender Rechtspflege und den niedrigeren Umsätzen die dadurch erzielt werden, darf bezweifelt werden.

 

Zudem erscheint es fragwürdig, dass die praktische Bedeutung der einzelnen Tätigkeiten, die für die Ermittlung der Regulierung des Marktzugangs herangezogen werden, vollständig unbe­rücksichtigt bleibt.  Dabei hätte es gerade hier einer differenzierenden Betrachtung bedurft. So wird in der Studie die Berechtigung des Notars zur Rechtsberatung im Heimatrecht, im interna­tionalen Recht und im ausländischen Recht, zur Steuerberatung und zur Vertretung gegenüber Verwaltungsbehörden untersucht und – unabhängig von ihrer praktischen Bedeutung – für das deutsche Notariat, wie auch für die meisten anderen lateinischen Notariatsformen, als vorbe­haltene Tätigkeit („exercise reserved“) gewertet. Diese schematische Wertung setzt jede ein­zelne der genannten Tätigkeiten für die Beurteilung der Regulierung des Marktzugangs mit der ausschließlichen Beurkundungszuständigkeit der Notare gleich. Während aber, wie dargelegt, für letztere tatsächlich ein wohl begründetes Monopol der Notare besteht, dürfen die anderen der genannten Tätigkeiten in Deutschland auch von Rechtsanwälten und Steuerberatern er­bracht werden. Dürfte in Deutschland der Notar beispielsweise nicht im ausländischen oder in­ternationalen Recht beraten oder den Mandanten nicht gegenüber Verwaltungsbehörden ver­treten, würde dies zu einem deutlich niedrigeren Wert auf der Regulierungsskala führen, obwohl dies das Berufsbild nur wenig verändern würde.  Das gleiche würde sogar dann gelten, wenn diese Tätigkeiten nicht durch das Rechtsberatungsgesetz mehreren Berufsgruppen vorbehalten sondern freigegeben wären. Die Gleichgewichtung dieser „shared exclusive tasks“ mit echten ausschließlichen Zuständigkeiten unabhängig von ihrer praktischen Bedeutung führt dazu, dass der ermittelte Wert für den Regulierung des Marktzugangs jeglicher Aussagekraft entkleidet wird.

 

Schließlich spielen Unterschiede in der Qualität der untersuchten Dienstleistungen für die Stu­die  keine Rolle. Die Vergleichbarkeit der Daten besteht nach der Studie schon damit, dass es in den Mitgliedsstaaten mit „niedrigerem Regulierungsniveau“ kein Anzeichen für ein „offen­sichtliches Marktversagen“ gab. Das erscheint zumindest als eine sehr dünne Ausgangsbasis für einen aussagekräftigen Vergleich.

 

Vor diesem Hintergrund beantwortet der Deutsche Notarverein die gestellten Fragen wie folgt:
Frage 15:

 

§ 1 der Bundesnotarordnung (BNotO) beschreibt einen Notar als einen unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes. Die Merkmale der Unabhängigkeit und der Amtsträgerschaft geben den Rahmen für die wichtigsten Pflichten des Notars.

 

Ausfluss aus der Amtsträgerschaft ist die Pflicht zur Amtsausübung: der Notar darf nach § 15 BNotO die Urkundstätigkeit nur dann verweigern, wenn er durch die Vornahme der Amtshand­lung gegen Gesetze verstoßen würde. Der Notar darf sich seine Mandanten nicht wie Freibe­rufler klassischer Prägung aussuchen, sondern ist auch zur Ausübung wirtschaftlich unrentabler Tätigkeiten verpflichtet.

 

Als Amtsträger ist der Notar auch nicht frei im Ort seiner Tätigkeit, sondern, wie etwa auch ein Richter, an seinen Amtsbereich gebunden (§§ 10 ff. BNotO). Dieses Prinzip der Territorialität dient in Zusammenschau mit dem in § 4 der Bundesnotarordnung normierten numerus clausus, nach dem ausschließliches Kriterium bei der Bestimmung der Anzahl der Notarstellen die Erfor­dernisse einer geordneten Rechtspflege ist, der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit den Leistungen der vorsorgenden Rechtspflege. Gleichzeitig dienen diese Prinzipien der Wahrung der Unabhängigkeit des Notars. Unabhängigkeit bedeutet auch wirtschaftliche Unab­hängigkeit.  Die Zahl der Notare in einem Amtsbezirk, die wie dargelegt für ihre Amtsausübung auf diesen Bezirk beschränkt und dort zur Amtsgewährung verpflichtet sind, korrespondiert mit dem Volumen der nachgefragten notariellen Leistungen.

 

Die Unabhängigkeit des Notars verlangt es, dass er Sozietäten nur mit anderen Notaren bilden darf, § 9 BNotO. Für Notare, die gleichzeitig Rechtsanwälte sind, sieht das Gesetz Ausnahme­regelungen vor. Die Unabhängigkeit des Notars ist auch Voraussetzung für die seinen Beruf kennzeichnende Pflicht zur Unparteilichkeit. Der Notar ist – ähnlich einem Richter – nach § 14 BNotO unabhängiger und unparteilicher Betreuer der Beteiligten, nicht Vertreter einer Partei. Wie andere Amtsträger unterliegt der Notar der Dienstaufsicht (§§ 92 ff. BNotO), welche die Wahrung seiner Amtspflichten überprüft und sicherstellt.

 

Nach § 17 der Bundesnotarordnung obliegt dem Notar die Pflicht zur Erhebung gesetzlicher Gebühren. Dies ist zum einen Ausfluss der Amtsträgerschaft des Notars: Unternehmen und Verbraucher bezahlen die staatliche Leistung des Notars, wie auch die der anderen Einrichtun­gen der vorsorgenden Rechtspflege, einheitlich nach einer nach sozialen Gesichtspunkten ge­staffelten Gebührenordnung. Zum anderen sichern die Gebühren die Unabhängigkeit des No­tars.

 

 

 

Frage 16:

 

Auch die Frage nach der „Ehre und Würde“ des Berufsstandes kann sich für den Notarberuf nur vor dem Hintergrund seiner Stellung als Träger eines öffentlichen Amtes beantworten lassen: Der Notar als Amtsträger ist Repräsentant des Staates. Dementsprechend muss seine Amtsfüh­rung den höchsten Ansprüchen genügen.  § 14 BNotO erlegt deshalb dem Notar die Pflicht auf, sich innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und dem Vertrauen, das dem Notaramt entgegengebracht wird, würdig zu erweisen. Jedes gewerbliche Verhalten, insbesondere eine dem öffentlichen Amt nicht entsprechende Werbung, wäre damit nicht vereinbar und wird dem Notar von § 29 BNotO untersagt.

 

 

Frage 17:

 

Frage 17 soll ergründen, ob sich bestimmte berufsrechtliche Regelungen für den Anbieter einer freiberuflichen Deinstleistung auf einem Markt positiv oder negativ auswirken. Unabhängig davon, dass nach Ansicht des Deutschen Notarvereins die Einordnung auf einer Punkteskala ohne Einbeziehung des Hintergrundes und der Begründung für die Antwort ohnehin kein dem Thema angemessenes, differenziertes Ergebnis erwarten lässt, trifft schon der Ausgangspunkt der Frage auf Notare nicht zu. Schon aus den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Notare nicht als Teilnehmer eines freien Marktes “Notarielle Dienstleistungen” oder “Rechtsberatung” angesehen werden können. Sie sind in erster Linie Träger eines öffentlichen Amtes. Bestandteile des notariellen Berufsrechts wie feste Wert­gebühr, Werbebeschränkungen, Bedarfsprüfung oder Beschränkungen der interprofessionellen Zusammenarbeit zielen nicht auf eine Einschränkung eines Marktes, sondern dienen der Sicherstellung der Amtstätigkeit in Form der besonders effizienten selbständigen Berufsausübung.

 

 

Frage 18:

 

Der Deutsche Notarverein hofft, dass die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen konnten, dass für den Notar lateinischer Prägung als Organ der vorsorgenden Rechtspflege schon der Ausgangspunkt der Konsultation nicht zutreffend ist. Dies könnte an jeder einzelnen der berufsrechtlichen Regelungen aufgezeigt werden. Die folgenden Antworten beziehen sich auf die Regeln über die feste Wertgebühr (Liste 2: 1) für die Notare in Deutschland. Am Beispiel der Wertgebühr hofft der Deutsche Notarverein illustrieren zu können, dass es sich bei den untersuchten Regeln des notariellen Berufsrechts um Bestimmungen handelt, die nur vor dem Hintergrund der Stellung des Notars als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes verstanden werden können.

 

 

Fragen 19 – 22:

 

Die Regelung über feste Wertgebühren für Notare hat ihren Ursprung in dem Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung – KostO). In diesem Gesetz werden die Gerichts- und Notarkosten für die freiwillige Gerichtsbarkeit geregelt. Wie auch für das Tätigwerden eines Gerichts auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit überall in Deutschland die gleiche Gebühr erhoben wird, ist auch der Notar an die gesetzlichen Gebühren gebunden.

 

Ziel dieses Systems ist die flächendeckende, gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit allen Leistungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Genauso wenig, wie man mit einem Richter über den „Preis“ seines Urteils feilschen kann, stehen die Gebühren der Notare zur Disposition. Ein Notar, der „guten Kunden“ einen Rabatt geben oder einen Klienten mit einen aufwendigen aber wenig einträglichen Beratungsauftrag durch eine hohe Gebührenforderung abschrecken darf, würde nicht den Grundsätzen von der unabhängigen und unparteilichen Ausübung des öffentlichen Amtes entsprechen.

 

Wie auch die Gebühren der Gerichte, basiert die Gebühr, die ein Notar für sein Tätigwerden nach der Kostenordnung zu erheben hat, auf dem Wert des Gegenstandes. Das System ist degressiv ausgestaltet, für viele Gebührentatbestände bestehen Höchstgrenzen. Der Notar haftet nach den Regeln der Staatshaftung unbeschränkt für Amtspflichtverletzungen. Anders als in anderen rechts- und wirtschaftsberatende Berufe ist dementsprechend eine rechtsgeschäftliche Haftungsbegrenzung nicht möglich.

 

Das System der Wertgebühr hat für den Bereich des freiberuflichen Notariats dazu geführt, dass Unternehmen und Verbraucher notarielle Dienstleistungen von hoher Qualität im Durch­schnitt zu – im internationalen Vergleich – niedrigen Preisen erhalten. Dies beruht darauf, dass sich die freiberuflichen Notarinnen und Notare längst nicht mehr auf die bloße Beurkundung be­schränken, sondern einen umfassenden Service bieten, der eine eingehende rechtliche Bera­tung und die gesamte, inzwischen sehr komplexe rechtliche und wirtschaftliche Abwicklung der Beurkundungsgeschäfte umfasst. Diese notariellen Dienstleistungen lassen sich aufgrund des in den Notariaten vorhandenen „know-how“ im Zusammenhang mit der Beurkundung sehr effi­zient, schnell und kostengünstig erbringen; ein „Service“, der von den Rechtsuchenden gern und wie selbstverständlich in Anspruch genommen wird.

 

Das Wertgebührensystem hat eine starke soziale Komponente. Bei niedrigen Geschäftswerten führt es zu niedrigen Gebühren, die bei weitem nicht kostendeckend sind. Dieses System stellt sicher, dass qualifizierte notarielle Rechtsbetreuung auch und gerade für den sozial Schwachen und damit i.d.R. wirtschaftlich Unerfahrenen flächendeckend zur Verfügung steht. Häufig zählen die Rechtsgeschäfte, die der notariellen Beurkundung bedürfen, für Verbraucher zu den wich­tigsten Lebensentscheidungen: der Kauf des Wohnhauses, die vertragliche Grundlage auf der eine Ehe geschlossen wird, das Testament. Durch das Wertgebührensystem wird eine rechtli­che Beratung und Betreuung dieser zentralen Rechtsgeschäfte zu günstigen Preisen auf höchstem Niveau ermöglicht.  Der Staat verwirklicht auf diese Weise das Sozialstaatsgebot des deutschen Grundgesetzes.

 

 

Frage 23:

 

Die Frage geht davon aus, dass Notare als Marktteilnehmer im Wettbewerb mit anderen Be­rufen stehen.  Notare sind jedoch nicht Dienst­leister oder Teilnehmer des Rechtsbesorgungs­marktes, deren Tätigkeit ­den Mechanismen des Mark­tes unterworfen ist. Sie nehmen hoheit­liche Aufgaben in der Rechts­pflege wahr; ihre Tätigkeit kann nicht rein marktorientierten Über­legungen unterzogen werden. Sie stehen jedenfalls im Bereich der vom Staat delegierten Beur­kundungs- und Beglaubigungstätigkeit nicht in einem Wett­bewerbsverhältnis mit anderen Rechts- und Wirt­schaftsberatern wie Rechts­anwälten oder Steuerberatern. Soweit sich Aufga­benbereiche, etwa die juristische oder steuerliche Beratung, mit denen anderer Berufe über­schneiden, führt auch das nicht zu einem Wett­bewerbsverhältnis. Solche Aufgaben sind als un­selbständiger Bestandteil der hoheitlichen Tätigkeit des Notars einzuordnen.

 

 

Frage 24:

 

Die Notare in Deutschland sind wie in vielen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Teil der vorsorgenden Rechtspflege. Ihre Einschaltung bei der Vertragsgestaltung wirkt streitvermeidend. Sie üben in bestimmten Gebieten des Privatrechts eine vorbeugende staatliche Kontrolle der Rechtsausübung aus und dienen damit der Durchsetzung der vom Gesetz geschaffenen Rechtsordnung als solcher, der Rechtssicherheit, dem Verbraucherschutz, dem Schutz besonderer Rechtsteilnehmer (Minderjährige, Ausländer, Behinderte) und anderen im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zwecken, ohne dabei die Privatautonomie der Beteiligten zu beeinträchtigen.

 

Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser vorsorgenden Rechtspflege sind weit geringer als die volkswirtschaftlichen Kosten allein streitiger Rechtspflege. Gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind aber die Kosten streitiger Rechtsverfolgung besonders hoch. Die notarielle Beratung und Vertragsgestaltung als Teil der vorsorgenden Rechtspflege vermeidet hohe  Rechtsverfolgungskosten.

 

Die Beratung durch einen der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit verpflichteten Notar dient dem Verbraucherschutz. Der Notar ist durch die berufsrechtlichen Regelungen gehalten, gerade die wirtschaftlich und rechtlich unerfahrenen Vertragsteilnehmer umfassend aufzuklären und zu beraten. Dies geschieht primär im persönlichen Gespräch. Damit wird sicher gestellt, dass die oft weitgehenden Folgen eines Rechtsgeschäfts von den Vertragsparteien auch tatsächlich bedacht werden.

 

Die von einem Notar hergestellte öffentlichte Urkunde genießt eine erhöhte Beweisfunktion. Damit ist sie ein Garant für Rechtssicherheit. Die vollstreckbare öffentliche Urkunde steht im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung auf einer Ebene mit einem richterlichen Urteil. Sie ist ein preiswertes, effizientes und verkehrsfähiges Mittel der Rechtsdurchsetzung.  Der Verkehrsfähigkeit von Vollstreckungstiteln kommt in einem zusammenwachsenden Europa entscheidende Bedeutung zu. Das bestätigen auch Initiativen der Kommission wie der Vorschlag zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen. In diesem Vorschlag wird das Ziel vorgegeben, dem Gläubiger eine zügige und effiziente Zwangsvollstreckung im Ausland ohne kostenintensive Exequaturverfahren zu ermöglichen. Eine Umsetzung des Vorschlags würde die Verkehrsfähigkeit der vollstreckbaren öffentliche Urkunde weiter erhöhen und die Rechtsdurchsetzung weiter erleichtern.

 

 

Frage 25:

 

Weniger einschneidende Maßnahmen, mit denen die dargestellten Ziele erreicht werden können, sind nicht ersichtlich.

 

 

Frage 26:

 

Auch diese Frage geht davon aus, dass Notare als Marktteilnehmer im Wettbewerb mit anderen Berufen stehen. Diese Annahme trifft, wie oben ausgeführt, nicht zu.
Frage 27:

 

Das System der festen Wertgebühren für notarielle Leistungen nach deutschem Recht zeichnet sich auch durch seine Binnenmarktfreundlichkeit aus: Im Bereich des deutschen Notariats  macht es gebührenrechtlich keinen Unterschied, ob der Notar einen Vertrag nach deutschem oder ausländischem Recht gestaltet. Zusätzliche Kosten für die Beratung über eine fremde Rechtsordnung, die häufig als Hindernis für den Binnenmarkt kritisiert worden sind, zuletzt im Aktionsplan der Kommission zum Europäischen Vertragsrecht, entstehen den Vertragsparteien nicht. Die notarielle Vertragsgestaltung als Teil einer vorsorgenden Rechtspflege wirkt damit gerade bei grenzüberschreitenden Geschäften streit- und kostenvermeidend. Der grenzüberschreitende Verkehr von Dienstleistungen kann davon nur profitieren.

 

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit den Angaben zu dem Fragebogen und den kommentierenden Ausführungen gedient haben. Zu einem weiterführenden Gespräch oder ergänzenden Informa­tionen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

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