Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz –KostRMoG)

Stellungnahme vom 27.01.2004

 

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wird am 11. Februar 2004 den Entwurf des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes abschließend beraten. Der Entwurf befasst sich nur am Rande mit dem notariellen Kostenrecht. Die wenigen vorgesehenen Änderungen sind für den Berufsstand gleichwohl von einiger Bedeutung. Der Deutsche Notarverein nimmt deshalb die Befassung des Rechtsausschusses zum Anlass, diesem gegenüber insbesondere zu den das Notariat betreffenden Bestimmungen des Entwurfs Stellung zu nehmen.

 

I. Allgemeine Bewertung des KostRMoG
Mit der Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wird für den Bereich der Rechtsanwaltschaft eine dringend gebotene Inflationsbereinigung des Gebührenverlaufs vorgenommen. Es ist sachlich geboten, die durch Teuerung entstehenden Verzerrungen in der Vergütung zulasten der Leistungserbringer regelmäßig auszugleichen, weil der Gebührenverlauf degressiv ist und damit nicht proportional zur Inflation steigt. Der Deutsche Notarverein erwartet, dass diese richtige Erkenntnis und Entscheidung der Bundesregierung auch bei den nach der Kostenordnung abzurechnenden Gebühren der Gerichte und Notare umgesetzt werden wird.

 

Die Abschaffung des Gebührenabschlags für Anwälte führt dazu, dass dieser Sondernachteil des Beitrittsgebiets auch für Notare abgeschafft werden muss und systemgerecht auch für die Gerichtskosten abgeschafft  werden sollte. Darüber hinaus ist fraglich, weshalb weitere Neuregelungen der Kostenordnung vorgezogen werden sollen. Der Deutsche Notarverein sieht bei den angesprochenen Fragen noch erheblichen Klärungsbedarf.

 

II. Einzelfragen
1.         Abschaffung des Gebührenabschlages Ost

 

Ausdrücklich begrüßt wird die Aufhebung des Gebührenabschlags Ost, die die Forderung des Deutschen Notarvereins nach einer zeitnahen politischen Lösung erfüllt. Diese Ankündigung zeigt, dass die Argumente des Bundesverfassungsgerichts, die für eine Abschaffung sogar aus verfassungsrechtlichen Gründen sprechen, ernst genommen werden und eine gerichtliche Klärung auf Verfassungsbeschwerden hin vermieden werden soll. Durch diesen umsichtigen Schritt werden auch die Justizhaushalte am Wegfall des Abschlags beteiligt und erhalten notwendige Mittel. Ebenso wird die Abwanderung hervorragender Anwälte und Notare aus den neuen Bundesländern gebremst werden können.

 

2.         Begrenzung des Geschäftswertes (Art. 4 Abs. 29 Ziff. 6 KostRMoG)
Eine Geschäftswertobergrenze lehnt der Deutsche Notarverein mit Entschiedenheit ab. Obwohl in dem Gesetzenentwurf ein Auslagentatbestand für die Einzelversicherung (Art. 4 Abs. 29 Ziff. 13 Buchst. d) KostRMoG) geschaffen wird und der Betrag der Geschäftswertobergrenze gegenüber anderen Entwürfen sowie gegenüber dem RVG (§ 40 Abs. 2: 30 Millionen €) und dem GKG angehoben ist, um den stärkeren Degressionsverlauf der KostO zu berücksichtigen, bleibt der Deutsche Notarverein bei seiner ablehnenden Haltung, der er bereits in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf gegenüber dem Bundesministerium der Justiz Ausdruck verliehen hat.

 

Eine pauschale Gebührenobergrenze ist nach Auffassung des Deutschen Notarvereins nicht zuletzt verfassungsrechtlich bedenklich: Notare sind verpflichtet, die ihnen angetragenen Beurkundungen vorzunehmen. Für ihre persönliche unbeschränkte und unbeschränkbare Haftung erhalten sie in Fällen der Geschäftswertobergrenze bzw. des Gebührendeckels nicht einmal mehr einen symbolischen Ausgleich. Gebührendeckel werden erfahrungsgemäß nicht angepasst und führen dann zu unangemessenen Vergütungen.

 

Insofern erscheint der Vorschlag, einen Auslagentatbestand für Versicherungskosten zu schaffen, auf den ersten Blick gerecht und zunächst vorteilhaft. Er wäre bei rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung nicht zu beanstanden. Der Auslagentatbestand würde allerdings zu einer drastischen Erhöhung der Kosten (Gebühren und Auslagen) führen: Statt sich bei Geschäftswerten über 50.000.000,00 Euro je 250.000 Euro um 7 Euro zu erhöhen, wüchse der Gesamtaufwand je 250.000 Euro um rund 250 Euro (netto, zuzüglich Versicherungsteuer), denn die Versicherungskosten betragen rund 0,1% der Haftungs­summe, ohne wie die KostO eine Degression vorzusehen.

 

Der Deutsche Notarverein lehnt diesen Vorschlag vor allem aus systematischen Gründen ab: Mit dem Auslagentatbestand käme eine Variable ins Kostenrecht – die Abhängigkeit der Kosten von den Versicherungskonditionen des beurkundenden Notars. Dies würde zu Streit um die Angemessenheit der Versicherungsprämie führen, was nicht justizentlastend wirkt. Dogmatisch ist die Frage der gesetzlichen Kosten nach § 140 KostO berührt.

 

Ferner unterstellt der Entwurf die grundsätzliche Versicherbarkeit dieser Risiken. Nach Auskunft von Versicherungsmaklern geht der Deckungszusage bereits vor dem Schwellenwert 60 Millionen Euro eine Prüfung voraus, oft mit internen Vorlagepflichten. Bereits ab 100 Millionen Euro ist für die meisten Versicherungsgesellschaften die Grenze der Rückversicherungsmöglichkeit erreicht, so dass diese Versicherungsschutz erst nach Klärung der Risikoverteilung bzw. nach Bildung von Konsortien gewähren können. Auch für Großversicherer ist es nahezu unmöglich, oberhalb des Wertes von 100 Millionen Euro kurzfristige Deckungszusagen zu geben.

 

Selbst wenn im Endergebnis eine Versicherung bereit ist, das Risiko zu übernehmen, würde das Verfahren schließlich zu Verzögerungen führen. Als Mindestbearbeitungszeit ist eine Frist von drei Werktagen anzunehmen, bei Werten oberhalb von € 60 Millionen kommen meist weitere drei Werktage für die Bearbeitung bei einer internen Vorlage hinzu. Diese Frist ist zu rechnen ab Fertigstellung der wesentlichen Vertragsunterlagen, weil die Versicherer regelmäßig selbst eine Risikoeinschätzung aufgrund des vorgelegten Materials vornehmen möchten. Eine solche Vorlage ist im Lichte der Amtsverschwiegenheit nicht unproblematisch. Es gibt ein weiteres praktisches Problem: Regelmäßig werden in der Beurkundungsverhandlung von den Beteiligten noch Änderungen gewünscht, oder die Beteiligten tragen neue Aspekte vor, die der Notar zu würdigen und gegebenenfalls in der Urkunde umzusetzen hat. Die richtige Reaktion ist für das Haftungsrisiko mitentscheidend. Also müsste in der Beurkundungsverhandlung ein Versicherungsvertreter anwesend sein, um über den Fortbestand der Deckung zu entscheiden.

 

Soweit Überlegungen zur Gebührenbegrenzung mit Auslagenersatz für Versicherungskosten im Zusammenhang mit dem Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsneuordnungsgesetzes angestellt werden, sind diese auf die Notare nicht übertragbar. Der Unterschied zu Rechtsanwälten besteht darin, dass deren Tätigkeit und Haftung zivilrechtlicher Natur sind und dem Rechtsanwalt eine Haftungsbegrenzung auf € 250.000,00 möglich ist. Selbst im Formularvertrag ist eine Haftungsbegrenzung bei Fahrlässigkeit auf € 1.000.000,00 möglich (§§ 51, 51a Abs. 1 BRAO). Auch kann der Rechtsanwalt im Unterschied zum Notar Mandate ablehnen (§ 44 BRAO, anders für Notare in § 15 BNotO). Für die hoheitliche Tätigkeit der Gerichte und der Notare passt das nicht. Staatshaftung – auch die Staatshaftung nach § 19 BNotO – ist ihrer Natur nach unbeschränkt und unbeschränkbar.

 

Die pauschale Gebührenobergrenze ist für den gerichtlichen Bereich ebenso problematisch wie für die Notare. Hervorzuheben ist, dass Haftungsrisiken nicht (nur) auf rechtlichen Fehlern beruhen können, sondern auch – selbst leicht fahrlässige – Verzögerungen in Verfahren zu Schäden und damit zu einer Haftung führen können.

 

3. Keine Anpassung der Notargebühren an die Kaufkraftentwicklung

 

Der Deutsche Notarverein bedauert, dass der Gesetzentwurf im Hinblick auf die Kostenordnung –anders als im Bereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz- nicht einmal den Versuch einer Inflationsbereinigung im Hinblick auf die Notargebühren unternimmt.

 

Die Notargebühren folgen als Wertgebühren der Entwicklung der Geschäftswerte. Rückläufige Geschäftswerte und gleichzeitig zurückgehende Urkundszahlen haben das notarielle Gebührenaufkommen in den vergangenen Jahren stark sinken lassen. Da das Grundstücksgeschäft einen wesentlichen Teil der notariellen Tätigkeit darstellt, sind die Notargebühren in besonderem Maße von der Entwicklung dieses Marktsegmentes abhängig. Dabei ist festzustellen, dass die Immobilienumsätze im Jahr 1993 ca. 190 Mrd. Euro betrugen, während sie 2002 nur noch ca. 140 Mrd. Euro ausmachten[1]. Seit 1999 ist ein stetiger Rückgang zu beobachten. Im Jahr 2002 ging der Immobilienumsatz gegenüber dem Vorjahr in den alten Bundesländern um 1,8 % auf 125,7 Mrd. Euro und in den neuen Ländern um 1,5 % auf 15,1 Mrd. Euro zurück. Im Jahr 2001 hatte die Rückgangsquote in Ostdeutschland 19,3 % und in Westdeutschland 2 % betragen. Auch die Zahl der fertiggestellten Immobilien geht stetig zurück. Während im Jahr 2000 bundesweit noch 423.044 Wohnungen fertiggestellt wurden, lag diese Zahl im Jahr 2002 bei 289.590; ein Rückgang um 31,5 % in drei Jahren.

 

Die Auswirkungen der vorbeschriebenen Entwicklung auf das Notariat lassen sich besonders deutlich an der Entwicklung in den neuen Bundesländern ablesen. So wurden beispielsweise in Sachsen im Jahr 1994 (bereinigt) 312.536 Urkundsgeschäfte von 186 Notaren vorgenommen; dies entspricht einem Urkundsaufkommen von 1.680 Urkunden je Notar. Im Jahr 2002 wurden (bereinigt) 177.972 Urkundsgeschäfte von 171 Notaren vorgenommen; das sind 1.041 Urkunden je Notar. Die übrigen neuen Länder weisen eine ähnliche Entwicklung auf. Trotz der seit 1995 erfolgenden systematischen Verringerung der Notarstellen im Wege der Einziehung ist es nicht annähernd gelungen, die Einnahmeverluste aufzufangen. Dies belegen auch die uns von der Ländernotarkasse zur Verfügung gestellten Zahlen. Danach haben sich die abgabepflichtigen Gebühren in den neuen Ländern in den letzten zehn Jahren folgendermaßen entwickelt; Ausgangspunkt ist das Jahr 1993 (=100 %):

 

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
100,00 109,67 110,58 117,25 104,64 108,18 92,45 80,83 75,69 72,14 65,70*

* Von der Ländernotarkasse anhand der bislang vorliegenden Zahlen hochgerechnet.

 

Von 1996 bis heute haben sich die abgabepflichtigen Gebühren damit um 43,97 % verringert. Dem steht eine entsprechende Entwicklung bei den notwendig gewordenen Einkommensergänzungen gegenüber.  Hierzu liegen uns die Zahlen von 1991 bis 2002 vor:

 

Kalenderjahr Anträge positiv beschieden negativ beschieden
1991 1 1 0
1992 1 1 0
1993 6 1 5
1994 4 2 2
1995 8 6 2
1996 9 6 3
1997 17 13 4
1998 12 8 4
1999 23 17 6
2000 41 31 9 (1 x noch offen)
2001 50 32 18
2002 67 41 16 (10 x noch offen)

 

Im Jahr 2002 bezog danach jeder 13. der insgesamt 536 Notare in den neuen Bundesländern Einkommensergänzung; jeder Achte hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Einkommensergänzung hat damit ein Ausmaß angenommem, das die Leistungsfähigkeit der Ländernotarkasse allmählich an ihre Belastungsgrenze führt.

 

Auch das Notariat in den alten Bundesländern ist von dem Rückgang der Geschäftswerte und der Urkundszahlen betroffen. So ist nach Auskunft der Landesnotarkammer Bayern das abgabepflichtige Gebührenaufkommen im Kammerbereich von 1993 bis 2001 um insgesamt 24,67 % zurückgegangen. Aus anderen Kammerbereichen liegen dem Deutschen Notarverein zwar keine Informationen zum Gebührenaufkommen, wohl aber zum Urkundsaufkommen vor. In Hamburg ist das bereinigte Urkundsaufkommen in der Zeit von 1999 bis 2002 von 117.279 auf 103.213 Urkunden zurückgegangen; das entspricht einem Rückgang von etwa 12 % in vier Jahren. Legt man denselben Zeitraum für den Bereich der Rheinischen Notarkammer zu Grunde, so ist bei den hauptberuflichen Notaren dort ein Rückgang von 695.565 auf 639.378 Beurkundungen zu verzeichnen, was einer Abnahme der Urkundszahlen von etwa 9 % entspricht. Berücksichtigt man zudem, dass in demselben Zeitraum die Geschäftswerte zurückgegangen sind, so kann man sich die Auswirkung auf das Gebührenaufkommen leicht vor Augen führen.

 

An den vorstehenden Zahlen lässt sich ablesen, dass sich das Notariat – insbesondere in den neuen, aber auch in den alten Ländern – in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet. Diese ist einerseits durch die allgemeine schwache wirtschaftliche Lage in Deutschland gekennzeichnet. Sie hat aber andererseits ihre Ursache zumindest auch darin, dass eine Anpassung der Notargebühren an die allgemeine Preisentwicklung seit 1986 nicht mehr stattgefunden hat. Aus Sicht des Deutschen Notarvereins hätte es deshalb nahe gelegen, im Kostenrechtsmodernisierungsgesetz auch eine Anhebung der Notargebühren vorzusehen. Dies gilt jedenfalls im Hinblick darauf, dass durch die Einführung einer Geschäftswertobergrenze in das System der Notargebühren zum Nachteil der Berufsträger eingegriffen wird.

 

III. Zusammenfassung
Der Deutsche Notarverein spricht sich angesichts der zu erwartenden kurzfristigen Behandlung des Gesetzentwurfes dafür aus, mit dem KostRMoG aus dem Bereich der Kostenordnung lediglich den Wegfall des Gebührenabschlags Ost zu regeln. Allein diese Regelung steht in einem Sachzusammenhang mit der Rechtsanwaltsvergütung und den Kosten nach dem GKG.

 

Dagegen sollte die Geschäftswertobergrenze aus dem Entwurf gestrichen werden. Sie könnte dann im Zusammenhang mit der ohnehin anstehenden grundlegenden Reform des Kostenrechts noch einmal erörtert werden. Bei dieser umfassenden Reform sollte dann auch die eindeutige Verankerung eines Auslagentatbestandes für Abrufkosten aus elektronischen Registern und die überfällige Anhebung von Geschäftswertobergrenzen bei Unterschriftsbeglaubigungen, Vollmachten oder gesellschaftsrechtlichen Vorgängen behandelt werden. Um eine zügige Verabschiedung der Reformen in der Rechtsanwalts­vergütung und dem Gebührenabschlag Ost nicht zu behindern, spricht sich der Deutsche Notarverein trotz der Dringlichkeit auch dieser Anliegen für die „kleine“ Lösung aus.

 

Für Rückfragen steht der Deutsche Notarverein gerne zur Verfügung.
Fußnoten:

[1] Quellen: Statistisches Bundesamt und DEGI Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds, Marktbericht 2003, im Internet veröffentlicht unter www.degi.de.

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