Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Stellungnahme vom 10.08.2020

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Wie bereits in unserer Stellungnahme vom 30.11.2018 zum 2. Diskussionsteilentwurf zur Reform des Vormundschaftsrechts zum Ausdruck gebracht, begrüßen wir die Überarbeitung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts.

Das Ziel, neben der stärkeren Individualisierung des Betreuungsverfahrens auch eine Systematisierung und damit einfachere Anwendung dieser Bereiche des Familienrechts zu erreichen, wird aus unserer Sicht gelungen umgesetzt. Unsere Stellungnahme kann sich damit auf wenige Anmerkungen beschränken, die Bezug zur notariellen Tätigkeit haben. Diese folgen der Reihenfolge des Gesetzentwurfs:

 

A. Einführung eines Ehegattenvertretungsrechts (§ 1358 BGB-E)

I. Voraussetzungen und Umfang stehen in einem Spannungsverhältnis

 Wie bereits in der bisherigen politischen Diskussion und der Begründung des Entwurfs zum Ausdruck kommt, steht die Einführung eines gesetzlichen Ehegattenvertretungsrechts in Angelegenheiten der Gesundheitssorge (§ 1358 BGB-E) in einem erheblichen Spannungsverhältnis:

Einerseits ist zu erwarten, dass dadurch die Bereitschaft, eine umfassende Vorsorgevollmacht zu errichten, geschwächt wird. Auch wenn für solche Vollmachten keine Formbedürftigkeit besteht, sind Notare mittlerweile mit einer Vielzahl von Vorsorgevollmachten beschäftigt, die auch hohen individuellen Beratungsbedarfs bedürfen. Dabei fällt auf, dass Anlass vieler Bürger für die Beschäftigung mit diesem Thema eigentlich eine Patientenverfügung (die häufig mit der Vorsorgevollmacht verwechselt wird) und die Sorge um eine „Entbürokratisierung“ in einem schweren Krankheitsstadium ist. Erst bei entsprechender Beratung erkennen sie, dass eine Vorsorgevollmacht zeitlich deutlich früher und länger notwendig werden kann und inhaltlich in viel weiterem Maße benötigt wird. Suggeriert man künftig das Wissen, dass Ehegatten „im Krankenhaus alles regeln könnten“, wird dies daher nicht selten dazu führen, dass die Notwendigkeit, eine Vorsorgevollmacht zu errichten, nicht mehr erkannt wird. Ferner kann das Ehegattenvertretungsrecht dazu führen, dass Ehegatten zusätzliche weitere Vollmachten z. B. für ihre Kinder „auf die lange Bank schieben“, da sie das Gefühl haben, zunächst im Notfall zumindest untereinander handlungsfähig zu sein, sodass es genüge, wenn ein verwitweter Ehegatte erst nach dem Tod des Erstversterbenden eine eigene Vollmacht errichtet. Ob er dann dazu im Hinblick auf das Alter und die Geschäftsfähigkeit noch in der Lage ist, bleibt indes ungewiss.

Gleichwohl besteht ein anerkennungsfähiges Bedürfnis, dass langjährige Ehegatten bei einer akuten Gesundheits-Krise nicht sofort vom Krankenhaus „zum Betreuungsgericht geschickt“ werden müssen und in dieser für sie ohnehin schweren Zeit nicht mit eher formellen Verfahren belastet werden.

In diesem Spannungsverhältnis kann ein sowohl inhaltlich als auch zeitlich beschränktes Ehegattenvertretungsrecht, wie im Entwurf vorgeschlagen, eine angemessene Lösung darstellen, um den Bedürfnissen von Ehegatten, die keine Vorsorge durch Vollmachten getroffen haben, in einer akuten Krise entgegenzukommen, ohne das wichtige Instrument der Vorsorgevollmacht zu sehr zu schwächen. Aus unserer Sicht sollte dieser „Kompromiss“ im weiteren Gesetzgebungsverfahren aber keinesfalls über den derzeitigen Entwurfstand hinaus inhaltlich oder zeitlich erweitert werden.

 

II. Erforderliche Konkretisierung des normativen Anwendungsbereichs

1. Beschränkung auf Fälle der Bewusstlosigkeit oder einer akuten Krankheit (§ 1358 Abs. 1 BGB-E)

In der Begründung des Entwurfs wird zu Recht auf die „Akutversorgung“ respektive „Notvertretung“ bei Bewusstlosigkeit oder im Anschluss an eine akute schwere Erkrankung abgestellt. Unseres Erachtens sollte dies auch im Gesetzestext entsprechend Niederschlag finden. Gerade bei sich langsam verschlechternden Krankheiten, bei denen die Geschäftsunfähigkeit erst nach Beginn der Krankheit einsetzt und der betroffene Ehegatte dennoch keine Vorsorgevollmacht errichtet hat (obwohl er dazu typischerweise – z.B. im Gespräch mit seinem Arzt – ausreichende Hinweise bekommen hat), spricht viel dafür, dass er eine solche Vertretung nicht wünscht. Wir regen daher an, den Anwendungsbereich in § 1358 Abs. 1 BGB-E auf die Fälle

„von Bewusstlosigkeit oder einer akuten Krankheit“ (Hervorhebung nur zur Klarstellung in der Stellungnahme)

zu beschränken.

 

2. Schutz des zu vertretenden Ehegatten durch eine automatisierte Einsicht in das Zentrale Vorsorgeregister und der Sanktionierung einer wahrheitswidrigen Versicherung (§ 1358 Abs. 4 BGB-E)

Richtig ist aus unserer Sicht, dass die Ausübung des Vertretungsrechts durch die notwendige schriftliche Belehrung und Versicherung in § 1358 Abs. 4 BGB-E zumindest in gewisser Weise formalisiert wird, um das Vorliegen der Voraussetzungen in jedem Fall zumindest ins Bewusstsein zu rufen und die notwendige zeitliche Beschränkung kontrollieren zu können.

Allerdings überrascht insoweit die Begründung des Entwurfs, indem sie annimmt, dass es im Verantwortungsbereich eines jeden Ehegatten liege, dem anderen Ehegatten mitzuteilen, nicht von diesem vertreten werden zu wollen. In der notariellen Praxis sind Beratungssituationen hinlänglich bekannt, bei denen deutlich wird, dass ein Ehegatte eine Vorsorgevollmacht nicht allein dem anderen Ehegatten erteilen will (etwa weil er erkennt, dass dieser aufgrund seines Alters damit überfordert ist oder bei diesem eine beginnende Demenz vorliegt), damit indes gerade in höherem Alter und nach langer Ehe den anderen Ehegatten nicht in dieser „Schonungslosigkeit“ konfrontieren will. Gerade die Möglichkeit, einen Widerspruch zum gesetzlichen Ehegattenvertretungsrecht in das Zentrale Vorsorgeregister (ZVR) eintragen zu lassen, soll es ermöglichen, dies zunächst auch ohne zusätzliche Mitteilung an den so Ausgeschlossenen zu tun. Und im Ergebnis liegt ja auch in jeder Vorsorgevollmacht, die ein Ehegatte für eine andere Person (z.B. Kinder) erteilt, ein immanenter Widerspruch zur Ausübung des Ehegattenvertretungsrechts, ohne dass man davon ausgeht, dass die Tatsache einer solchen Vorsorgevollmacht dem anderen Ehegatten zwingend mitzuteilen ist.

Wünschenswert und erforderlich wäre daher, dass Ärzte nicht nur – wie in der Begründung zum Entwurf angedeutet – bei Verdachtsfällen die neu geschaffene Anfrage-Möglichkeit beim ZVR nutzen. Aus unserer Sicht wäre vielmehr eine gesetzliche Pflicht zur entsprechenden Abfrage innerhalb einer bestimmten Frist bzw. unverzüglich nach erstmaliger Ausübung der Vollmacht sachgerecht. Insbesondere Krankenhäuser mit ihrer bestehenden Verwaltung sollten dazu auch unproblematisch in der Lage sein. Dies würde nicht nur der Gewährleistung des Schutzes des Selbstbestimmungsrechts des zu vertretenden Ehegatten dienen, sondern auch der Absicherung der zu behandelnden Ärzte.

Nachteilig erscheint dabei ferner, dass eine wahrheitswidrige schriftliche Bestätigung nach § 1358 Abs. 4 BGB-E keinerlei unmittelbare Konsequenzen für den Ehegatten hat, sofern nicht der (vermutlich seltene) Fall einer Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft aufgrund der fehlenden wirksamen Einwilligung des nicht vertretungsberechtigten Ehegatten in eine ärztliche Maßnahme vorliegt. Sinnvoll wäre daher, die vorsätzlich falsche schriftliche Versicherung eines Ehegatten in jedem Fall mit einer gewissen Sanktion (z. B. als Ordnungswidrigkeit) zu belegen. Zumindest sollte bei der Formulierung der notwendigen Erklärung auf mögliche rechtliche Folgen bei einer bewusst falschen Angabe hingewiesen werden, um deren Ernsthaftigkeit zu betonen; § 1378 Abs. 4 Nr. 2 BGB-E könnte demgemäß wie folgt gefasst werden:

„2.     dem vertretenen Ehegatten diese Bestätigung mit einer schriftlichen Erklärung über die Voraussetzungen nach Absatz 1 und Ausschlussgründe nach Absatz 3 sowie einer Belehrung über die strafrechtlichen Folgen einer vorsätzlich falsch abgegebenen schriftlichen Versicherung nach Ziffer 3 vorzulegen und“

Schließlich sollte aus unserer Sicht deutlicher zum Ausdruck kommen, dass sich die Pflichten des § 1358 Abs. 4 BGB-E (nur) an den Arzt richten, gegenüber dem das Vertretungsrecht erstmals ausgeübt wird, und dass andererseits die Vorlage der schriftlichen Bestätigung zwingende Voraussetzung für die weitere Ausübung des Vertretungsrechts gegenüber sonstigen Ärzten oder Einrichtungen ist, damit die zeitliche Befristung effektiv kontrolliert werden kann. Nur die zwingende Vorlage des Originals ermöglicht es – wie im Vollmachtsrecht (§ 172 Abs. 1 BGB) –, einem etwa doch vorhandenen Vorsorge-Bevollmächtigten oder dem Betreuungsgericht bei nachträglicher Bestellung eines Betreuers im Sinne von Absatz 5 die weitere Ausübung des Ehegattenvertretungsrechts effektiv zu unterbinden, indem diese Original-Bestätigung herauszugeben ist. § 1358 Abs. 4 BGB-E erster Satz sollte demgemäß lauten:

„Der Arzt, gegenüber dem das Vertretungsrecht erstmals ausgeübt wird, hat (…)“

Und der letzte Satz in diesem Absatz könnte wie folgt ergänzt werden:

„Das Dokument ist dem vertretenen Ehegatten für die weitere Ausübung der Vertretungsberechtigung auszuhändigen. Dieses ist bei jeder weiteren Ausübung im Original vorzulegen. Auf Verlangen des Empfängers hat der vertretende Ehegatte die Versicherung nach Abs. 4 Nr. 3 b) dazu erneut abzugeben.“

 

B. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte bei Ausübung des Sorgerechts (§ 1643 BGB-E)

I. § 1643 Abs. 1 BGB-E

 In § 1643 Abs. 1 BGB-E hat es „(…) nach §§ 1850 bis 1854 BGB“ zu heißen (überflüssiges „den“ nach Paragrafenzeichen).

 

II. § 1643 Abs. 3 BGB-E

Zu § 1643 Abs. 3 BGB-E hatten wir in unserer Stellungnahme vom 30.11.2018 auf die unseres Erachtens korrekturwürdige Rechtsprechungsentwicklung zur sog.„selektiven Ausschlagung durch sorgeberechtigte Eltern hingewiesen und empfohlen, § 1643 Abs. 3 BGB-E um folgenden Satz 3 zu ergänzen (der bisherige Satz 2 wird dann zu Satz 3):

„Dies gilt unabhängig davon, wem die Erbschaft durch die Ausschlagung anfällt, sofern dies nicht wiederum der ausschlagende Elternteil ist.“

Zur Vermeidung von Wiederholungen dürfen wir insoweit auf unsere Stellungnahme vom 30.11.2018 (dort Ziff. E. II. 4. lit. a) Bezug nehmen.

 

C. Vormundschaft für Minderjährige

I. Vormundbenennung und Ausschluss von Vormündern (§ 1782 BGB-E)

Die Benennung eines Vormunds durch sorgeberechtigte Eltern (§ 1782 BGB-E) kommt in der notariellen Praxis regelmäßig in zwei Konstellationen vor:

  • Im praktisch völlig unproblematischen Fall benennen beide Eltern gemeinsam einen von ihnen gewünschten Vormund (typischerweise in einem Erbvertrag oder gemeinschaftlichen Testament).
  • Daneben kommt aber auch der Fall vor, dass nur ein sorgeberechtigter Elternteil nach einer Trennung vom Partner den Vormund benennen will, wobei dies durch das regelmäßig fortbestehende gemeinsame Sorgerecht in Scheidungsfällen bzw. die früher nicht gegebene Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechts von nicht verheirateten Paaren zunehmend vorkommt. Ein sorgeberechtigter Elternteil weiß in diesen Fällen regelmäßig nichts von der entsprechenden Verfügung des anderen und nimmt vermutlich nicht selbst auch noch eine Vormundbenennung vor.

Der letztere Fall ist im Gesetzentwurf nicht ausdrücklich geregelt, sodass fraglich sein könnte, ob § 1782 Abs. 2 BGB-E entsprechend anwendbar ist. Dies könnte durch folgenden ergänzenden Satz klargestellt werden:

„(2) Haben die Eltern widersprüchliche letztwillige Verfügungen zur Benennung oder zum Ausschluss von Vormündern getroffen, oder hat nur ein Elternteil eine solche Verfügungen getroffen, so gilt nur die Verfügung durch den zuletzt verstorbenen Elternteil.“

 

II. Vereinheitlichung der Terminologie und sprachliche Modernisierung

In unserer Stellungnahme vom 30.11.2018 (dort Ziff. A. II. und III.) hatten wir bereits eine Vereinheitlichung der im Entwurf verwendeten unterschiedlichen Begriffe „Minderjährigen“, „Kind“ und „Mündel“ für dieselben betroffenen Personen angeregt und ferner auf den sehr veralteten Begriff des „Mündels“ hingewiesen, zumal dieser seit dem Wegfall der Vormundschaft über Volljährige als Oberbegriff nicht mehr benötigt wird.

Wir weisen nochmals darauf hin, dass dieser Begriff aus unserer Sicht im Sprachgebrauch mittlerweile eine starke negative Konnotation hat. Wir empfehlen daher diesen Begriff im Vormundschaftsrecht durchgehend einfach z. B. durch den Begriff „das Kind“ zu ersetzen.

Im Zusammenhang mit der Gesetzessystematik sollte damit keinerlei negative Auswirkung auf den Gesetzesinhalt verbunden sein.

 

III. Pflicht zur Übernahme der Vormundschaft (§ 1786 BGB-E) sollte gestrichen werden

Ferner hatten wir darauf hingewiesen (Stellungnahme vom 30.11.2018, dort Ziff. B. III.), dass die Pflicht zur Übernahme der Vormundschaft nach § 1785 Abs. 1 BGB-E nicht nur ein nicht lösbares Konfliktpotenzial zu § 1785 Abs. 2 BGB-E enthält, sondern auch dessen ungeachtet in der Praxis leerläuft, da das Gericht diese Pflicht weder durchsetzen kann noch jemand gegen seinen Willen zum Vormund bestellen darf.

Aus unserer Sicht entspricht diese Obligation auch in keiner Weise mehr dem überwiegenden Verständnis der Bevölkerung, sodass die Übernahmepflicht in § 1786 Abs. 1 BGB-E ersatzlos entfallen sollte.

 

D. Zuwendungspflegschaft (§ 1811 BGB-E)

In § 1811 Abs. 2 S. 2 BGB-E wird auf „§ 1782“ verwiesen. Dies muss wohl richtig „§ 1783“ lauten, zumal erst durch die negative Regelung des § 1783 zum Übergehen der benannten Person ausreichend zum Ausdruck kommt, dass die Benennung des Zuwendungspflegers durch den Erblasser/Zuwendenden grundsätzlich für das Gericht bindend ist.

 

E. Vorsorgevollmacht und Kontrollbetreuung (§ 1820 BGB-E)

I. Klarstellung für Bezugnahmen auf die Gesetzesangaben und Altfälle (§ 1820 Abs. 2 BGB-E)

Wir weisen darauf hin, dass eine große Zahl von bisher verwendeten Vorsorgevollmachten (sowohl von notariell oder anwaltlich formulierten als auch von verbreiteten Formularvollmachten) die nun in § 1820 Abs. 2 BGB-E erwähnten besonderen Maßnahmen nicht wörtlich, sondern durch eine Bezugnahme auf die bisherigen Gesetzes-Paragrafen des BGB nennt. Es wird kein Zweifel bestehen, dass diese Bezugnahme auf bisherige Gesetzes-Paragrafen den Anforderungen des § 1820 Abs. 2 BGB-E entspricht.

Um jegliche Zweifel an der Wirksamkeit solcher Vorsorgevollmachten zu vermeiden, sollte dies aber klargestellt werden. § 1820 Abs. 2 BGB-E könnte demgemäß wie folgt gefasst werden:

„(2) Folgende Maßnahmen eines Bevollmächtigten setzen voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst, wobei auch eine Bezugnahme auf die nachfolgenden Gesetzesangaben bzw. auf deren entsprechende frühere Fassung des BGB ausreicht:“

 

II. Zum Widerruf der Vorsorgevollmacht (§ 1820 Abs. 5 BGB-E)

Die gesetzliche Fassung der bisherigen Rechtsprechung zur Kontrollbetreuung und zum Widerruf einer Vollmacht in § 1820 BGB-E ist zu begrüßen, insbesondere auch die nun eröffnete Option, eine vorübergehende Herausgabe der Vollmachtsurkunde vor dem eigentlichen Widerruf durch einen Betreuer anzuordnen.

Die Begründung zum Gesetzentwurf weist zutreffend darauf hin, dass der Widerruf der Vorsorgevollmacht als ultima ratio sich gegebenenfalls auch nur auf einzelne Bereiche der Vollmacht, bei denen ein Missbrauch entgegen dem Willen des Bevollmächtigten zu erwarten ist, beschränken kann bzw. muss. Zu dieser Situation passt allerdings insbesondere noch nicht § 1820 Abs. 5 BGB-E letzter Satz, da mit der endgültigen Herausgabe der Vollmachtsurkunde an den Betreuer dem Bevollmächtigten insgesamt die weitere Ausübung der Vollmacht unmöglich gemacht würde. Der Gesetzestext müsste daher wie folgt ergänzt werden:

  • Zum einen in § 1820 Abs. 5 letzter Satz BGB-E, dass dem Bevollmächtigten nach der Herausgabe die Vollmacht mit einem entsprechenden Einschränkungs-Vermerk (aus unserer Sicht idealerweise vom Betreuungsgericht mit Schnur und Siegel verbunden) zurückzugeben ist.
  • Zum anderen in § 1820 Abs. 5 Satz 1 BGB-E, dass ein Widerruf nur möglich ist,

wenn und soweit dies dem nach § 1821 Abs. 2 bis 4 zu beachtenden Wunsch des Betreuten entspricht“ (Hervorhebung nur zur Klarstellung in der Stellungnahme)

 

F. Genehmigungspflicht nach §§ 1833 Abs. 3 Nr. 4, 1850 BGB-E

Zu den grundsätzlich sachgerechten Genehmigungspflichten im Grundstücksbereich dürfen wir zwei redaktionelle Anmerkungen machen, bei denen jeweils – im Gegensatz zur sonstigen Gesetzessystematik – der Spezialfall vor dem Grundfall geregelt wird:

  • In § 1833 Abs. 3 Nr. 4 BGB-E wird eine Verfügung über ein Grundstück oder an einem Recht an einem Grundstück der Genehmigungspflicht unterstellt, sofern dies mit der Aufgabe des Wohnraums verbunden ist. Alle diese Geschäfte – einschließlich des entsprechenden Verpflichtungsgeschäfts – sind allerdings schon nach der allgemeinen Grundnorm des § 1850 Nr. 1, 4 BGB-E genehmigungspflichtig. Zudem ist die Aufgabe des Wohnraums eigentlich niemals mit der „Verfügung über das Recht“ verbunden, sondern allenfalls mit dem zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft, das zur Räumung verpflichtet, wobei die Weiternutzung des Wohnraums gegebenenfalls auch nur schuldrechtlich in sicherer Weise vereinbar ist. Zweck der gesetzlichen Spezialregelung soll wohl nur sein, dass die allgemein für die Verfügung erforderliche betreuungsgerichtliche Genehmigung bei der Aufgabe von Wohnraum auch diesen speziellen Aspekt (vorrangig) zu berücksichtigen hat. Aus unserer Sicht könnte und sollte dies jedoch gesetzestechnisch nicht mit einem speziellen vorrangigen Genehmigungsvorbehalt in § 1833 Abs. 3 Nr. 4 BGB zum Ausdruck gebracht werden. Vorzugswürdig und einfacher wäre vielmehr ein (weiterer) Absatz in § 1833 BGB, dass bei einer Genehmigung nach § 1850 BGB-E zu einem Rechtsgeschäft, das mit der Aufgabe von Wohnraum des Betreuten verbunden ist, die Voraussetzungen des § 1833 Abs. 1 BGB-E mit zu berücksichtigen sind.
  • In § 1850 Nr. 4 BGB-E wird der Spezialfall des unentgeltlichen Erwerbs von Wohnungs- und Teileigentum geregelt und sodann in Nr. 5 nochmals darauf Bezug genommen, bevor in Nr. 6 der Grundfall des entgeltlichen Erwerbs von Grundbesitz, der natürlich auch Wohnungs- und Teileigentum umfasst, geregelt wird. Aus unserer Sicht wäre es redaktionell schlüssiger, die Regelung der Nr. 4 erst nach der der Nr. 6 anzufügen, z.B. mit der Formulierung:

„zu einem Rechtsgeschäft, durch das der Betreute unentgeltlich Wohnungs- oder Teileigentum erwirbt bzw. zu einem solchen Erwerb verpflichtet wird.“

 

G. Genehmigungspflicht nach § 1851 BGB-E

Auch zum § 1851 BGB-E dürfen wir eine redaktionelle Anmerkung machen: In Nr. 1 werden entsprechend dem bisherigen Gesetzestext die Ausschlagung einer Erbschaft und der Verzicht auf ein Vermächtnis bzw. Pflichtteilsanspruch mit dem Erbauseinandersetzungsvertrag kombiniert.

Der Erbauseinandersetzungsvertrag passt aber systematisch deutlich besser zu Nr. 3, der die Erbanteilsübertragung und (neu) die Abschichtungsvereinbarung enthält – beides ebenfalls Rechtsinstrumente, die der Auflösung der Erbengemeinschaft dienen. Wir empfehlen daher den Erbauseinandersetzungsvertrag von Nr. 1 in die Nr. 3 zu verschieben, zumal dies sodann auch kohärent zu der Ausnahmeregelung beim elterlichen Sorgerecht in § 1643 Abs. 3 S. 2 BGB-E wäre.

Wir regen ferner an, in Entsprechung zum bisherigen § 1822 Nr. 2 BGB den Wortlaut von § 1851 Nr. 1 BGB-E klar so zu fassen, dass hinsichtlich eines Pflichtteilsanspruchs (und nun auch eines Vermächtnisanspruchs gemäß 2174 BGB) lediglich der Verzicht im Sinne des Erlassvertrags oder eines einseitig wirksam möglichen Verzichts von der Genehmigungspflicht erfasst wird.[1] Die derzeit in § 1851 Nr. 1 BGB-E gewählte Formulierung von einem „Verzicht auf die Geltendmachung“ der entsprechenden Ansprüche könnte deutlich weiter verstanden werden und etwa auch die bloße faktische Nichtdurchsetzung der Forderungen erfassen. Die Konsequenzen eines solchen denkbaren weiten Verständnisses erscheinen uns nicht kalkulierbar. Soll etwa das bloße „Verjährenlassen“ entsprechender Ansprüche einer Genehmigungspflicht unterliegen und welche Folgen ergäben sich daraus? Soll der vorgeschlagene Normtext mithin zur Durchsetzung der Ansprüche des Betreuten zwingen oder jedenfalls die Durchsetzung vom Betreuungsgericht – durch Nichterteilung der Genehmigung – erzwungen werden können? Letzteres hielten wir aufgrund der Vielschichtigkeit erb- und familienrechtlicher Sachverhalte für bedenklich. Daher schlagen wir vor, § 1851 Nr. 1 BGB-E klarstellend wie folgt zu fassen:

„1.  zur Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zum Verzicht auf einen Vermächtnisanspruch oder Pflichtteilsanspruch sowie zu einem Auseinandersetzungsvertrag,“

 

H. Genehmigung für handels- und gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte (§ 1852 BGB-E)

I. Umfang und Reichweite

Die Genehmigungspflicht für handels- und gesellschaftliche Rechtsgeschäfte hat zwar bisher wenig praktische Bedeutung im eigentlichen Betreuungsrecht, aber wirtschaftlich größere Bedeutung über die Verweisung im elterlichen Sorgerecht. In zunehmender Zahl wünschen Eltern, ihre minderjährigen Kinder an Vermögenswerten durch Beteiligungen an entsprechenden Gesellschaften – sei dies in Form kleinerer Beteiligungen an gewerblich tätigen Unternehmen oder an vermögensverwaltenden Gesellschaften („Family-Pools“) – zu beteiligen.

Es ist zu begrüßen, dass § 1852 BGB-E nun neben dem (seltenen) Fall des unmittelbaren Erwerbs bzw. der Veräußerung des Erwerbsgeschäfts auch die entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte bezüglich von Anteilen an Personen oder Kapitalgesellschaften und der Eingehung eines Gesellschaftsvertrags zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ausdrücklich erfasst.

Während § 1852 BGB-E insoweit sinnvoll eingeschränkt ist, dass der Abschluss von Gesellschaftsverträgen von rein vermögensverwaltenden Gesellschaften nicht vom Genehmigungsvorbehalt umfasst ist, ist die pauschale Erwähnung der Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften in Nr. 1 noch zu weit. Diesem Wortlaut entsprechend wäre ja sogar der Erwerb oder die Veräußerung von Aktien einer börsennotierten Aktiengesellschaft auf den Namen des Betreuten bzw. Kindes genehmigungspflichtig – ein Ergebnis, das jeden Handel von Aktien im normalen (Online-)Bankenverkehr unmöglich machen würde.

 

II. Notwendigkeit einer gesetzlichen Einschränkung

Die Erwähnung der Personen- und Kapitalgesellschaften bedarf daher unbedingt einer gesetzlichen Einschränkung:

  • Die Rechtsprechung hat dabei bisher bei Kapitalgesellschaften überwiegend eine Mindestbeteiligungsquote (von zumeist 50 %) verlangt bzw. zum Teil bei Personengesellschaften die rein vermögensverwaltenden Gesellschaften vom Genehmigungsvorbehalt ausgenommen.
  • Beides mag sich zwar aus der Bezugnahme auf den gesetzlichen Begriff des Erwerbsgeschäfts ergeben, trifft aber eigentlich nicht den gesetzestechnischen Zweck des Genehmigungsvorbehaltes, mit dem der Betreute/Minderjährige bei Erwerb eines Erwerbsgeschäfts/Beteiligung vor umfassenden Haftungen geschützt werden soll.

Die bisherige vielfältige Rechtsprechung gesetzgeberisch nachzubilden, erscheint uns indes als zu schwerfällig und enthält dennoch zugleich die Gefahr, der Vielfalt der gesellschaftsvertraglichen Regelungsmöglichkeiten nicht gerecht zu werden. Die Rechtsprechung zum bisherigen § 1822 Nr. 3 BGB hat insoweit eine abgewogene und für die Praxis handhabbare Lösungen gefunden hat, die nicht durch eine pauschale und uneingeschränkte Genehmigungspflicht zunichtegemacht werden sollte.

Überlegenswert wäre daher, es bei der Übernahme des bisherigen Gesetzeswortlauts zu belassen und den Erwerb oder die Veräußerung eines Anteils an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft nicht explizit zu normieren. Als Vorschlag für § 1852 BGB-E bliebe dann als neue Nr. 1 der Wortlaut des bisherigen § 1822 Nr. 3 BGB und als neue Nr. 2 die Erteilung einer Prokura.

Falls gleichwohl seitens des Gesetzgebers eine Klarstellung hinsichtlich Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften gewollt ist, wären aus unser Sicht zwei Einschränkungen notwendig und sinnvoll:

  • Zunächst könnte auf die bereits gesetzlich bekannte Regelung, ob mit einem Rechtsgeschäft ein „lediglich rechtlicher Vorteil“ verbunden ist, zurückgegriffen werden, da dies auch der Rechtsprechung die Möglichkeit eröffnet, Fallgruppen zu bilden (z. B. zum Unterschied ob Haftungen des Betreuten/Minderjährigen gänzlich ausgeschlossen sind oder doch nachteilige Pflichten bestehen).
  • Da sich die vorgesehene Regelung aber auf Erwerb und Veräußerung von Anteilen erstreckt, die Veräußerung aber wohl nie „lediglich rechtlich vorteilhaft“ ist, müssten zusätzlich zumindest der Erwerb und die Veräußerung kleinerer Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ausgeschlossen sein, da sonst – wie oben erwähnt – auch der „normale“ Aktienmarkt u. ä. von der Genehmigungspflicht umfasst wäre.

Redaktionell würde sich in diesem Fall aus unserer Sicht empfehlen, den Erwerb und die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts mit dem Abschluss des betreffenden Gesellschaftsvertrags zu kombinieren, da sich auch dieser auf ein Erwerbsgeschäft beschränkt. Der Erwerb und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen könnten dann in einer eigenen Ziffer geregelt werden, wobei diese dann auch die entsprechenden Ausnahmen enthalten kann.

Eine entsprechende Formulierung von § 1852 BGB-E könnte damit wie folgt lauten:

„Der Betreuer bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts 

    1. zu einem Vertrag, durch den der Betreute verpflichtet wird, ein Erwerbsgeschäft zu erwerben oder zu veräußern, sowie zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird,
    1. zu einem Vertrag, durch den der Betreute verpflichtet wird, einen Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zu erwerben oder zu veräußern, sofern es sich nicht nur um eine nicht wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft handelt, oder sofern mit dem Erwerb des Anteils der Betreute lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, und
    1. zur Erteilung einer Prokura.“

 

Für Fragen und Ergänzungen stehen wir gerne, auch im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, zur Verfügung.

Druckfassung

Fußnoten:

[1] Vgl. Kroll-Ludwigs in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2020, § 1822, Rn. 9.

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