Vorschläge der EU-Kommission zum Company Law Package

Stellungnahme vom 04.07.2018

Druckversion

 

 

Die Vorschläge fallen in eine Zeit, in der die Europäische Union und insbesondere ihre Institutionen wie die EU-Kommission bei den Bevölkerungen der Mitgliedstaaten keinen guten Stand haben. Schon seit längerem brechen sich Ärger und teilweise sogar Häme über den „EU-Regelungswahn“ Bahn – man denke nur an die berühmt-berüchtigte sog. Gurkenverordnung.[1] Jüngstes Beispiel (auch dafür, wie das Handeln der Europäischen Union in der Öffentlichkeit missverstanden wird[2]) ist die Datenschutzgrundverordnung, die als „Bürokratie-Monstrum“[3] gescholten wird, das u. a. Online-Übertragungen von Gottesdiensten verhindere und Vorstände kleiner Vereine zum Rücktritt bringe, aber bei Facebook die Sektkorken knallen lasse.[4] Das geht einher mit einer derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung, die – im Übrigen auch jenseits des Atlantiks – zu einer Hinwendung zum Nationalen zu führen scheint.

Dabei gibt es viel zu verlieren. Die EU hat eine herausragende Bedeutung für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa.[5] Neue Regelungen auf EU-Ebene sollten daher keinesfalls neue EU- oder Politikverdrossenheit fördern. Würden etwa die Regelungen in den nun vorliegenden Vorschlägen dazu führen, dass bislang gewohnte Standards in einzelnen Mitgliedstaaten durch die Regelungsfreude von EU-Institutionen untergraben werden, würde das EU-Skeptiker sicherlich bestärken. Diese Entwicklung wäre aus Sicht der deutschen Notare zu bedauern. Der europäische Gesetzgeber sollte sich daher davor hüten, zu viel „nationales Porzellan“ zu zerschlagen, vielmehr sollte er mit nationalen Gegebenheiten und Traditionen äußerst behutsam verfahren. An dieser Leitlinie sollten sich auch die vorliegenden Gesetzgebungsvorschläge orientieren.

In diesem Zusammenhang lassen Gesetzesvorschläge zum Gesellschaftsrecht aufhorchen, die potentiell disruptive Auswirkungen auf nationale Regelungen haben. Die vergangenen Veröffentlichungen rund um Steueroasen, wie etwa die Paradise und Panama Papers, haben gezeigt, dass Gesellschaftsrechtssysteme, die nicht auf eine vorsorgende Rechtspflege setzen, gezielt dazu genutzt werden können, die wahren wirtschaftlich Berechtigten zu verstecken. In Deutschland sorgt hingegen die rechtliche Infrastruktur mit Notaren und Handelsregistern dafür, dass bei jeder Gründung „die Karten auf den Tisch gelegt“ werden müssen.

Insofern begrüßen wir, dass die EU-Kommission zumindest in Teilen versucht, in die nationalen Gesellschaftsrechte schonender einzugreifen, als das bei vergangenen Regelungsvorschlägen zur „SPE“ und zur „SUP“ der Fall war. Die grundsätzliche Anerkennung einer präventiven Kontrolle durch Notare und Registergerichte bei der Gründung von Gesellschaften ist Ausdruck dieser Bestrebung. Leider wurde dieser Ansatz nicht durchgängig durchgehalten. Zudem ist trotz allem zu konstatieren, dass die Richtlinien – so sie denn verabschiedet werden – wegen der „Digital über alles“-Strategie der Kommission einen erheblichen Eingriff in das deutsche Beurkundungsrecht bedeuten würden.

Bevor wir im Einzelnen auf die Vorschläge der Kommission eingehen, sei angemerkt, dass diese in jedem Fall in Deutschland (spätestens bei evtl. Umsetzungsgesetzen) zum Anlass genommen werden sollten, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Notare als one stop shop für Unternehmensgründer zur Verfügung stehen. Dazu müssen insbesondere IT-Schnittstellen geschaffen werden,[6] damit Notare die von ihnen erhobenen Daten – sofern die Beteiligten das wünschen – insbesondere an Finanzämter, Gewerbeämter, ggf. Berufsgenossenschaften, IHKs und die Bundesanstalt für Arbeit übermitteln. Damit würde ein echter Mehrwert für die Bürger generiert, der zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen für alle Beteiligten führen würde und damit ganz wesentlich über die mit einer bloßen Abschaffung der Präsenzpflicht bei der Gründung von Gesellschaften verbundenen scheinbaren Vorteile hinausginge.

Im Folgenden nehmen wir unter nachfolgend A zum Vorschlag der Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht Stellung. Unter B folgen die Ausführungen zum Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen. Am Schluss steht unter C eine allgemeine Bemerkung.

 

A. Vorschlag der Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht

 I. Online-Gründung, Art. 13f

 1. Vorbemerkungen

Der Deutsche Notarverein steht einer Online-Gründung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Allerdings dürfen durch eine Online-Gründung die hohen Standards, die aus der verpflichtenden Mitwirkung des Notars folgen, nicht herabgesetzt werden. Die Mitwirkung eines Notars bei der Gründung einer Gesellschaft dient insbesondere der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs durch Erreichung folgender Zwecke:

  • präventive Rechtskontrolle
  • sichere Identifizierung der Beteiligten

Die präventive Rechtskontrolle wiederum dient drei Zielen:

  • Sie dient der Streitvermeidung und der Rechtssicherheit. Dem Gesellschaftsvertrag kommt quasi dingliche Wirkung zu, er ist für jeden neu hinzutretenden Gesellschafter verbindlich. Der verbindlichen Erkennbarkeit für jeden wird durch die Form und die Einstellung einer notarbescheinigten Vertragsfassung in die elektronische Registerakte Rechnung getragen.
  • Darüber hinaus sichert die Mitwirkung des Notars die fachliche Begleitung durch neutrale und unabhängige Beratung. Mit dieser Beratung wird gleichzeitig eine Warnfunktion erfüllt.
  • Schließlich dient der Notar als Filter und Entlastung für die Registergerichte, der er nur gerecht werden kann, wenn er verlässliche Daten liefert.

Die sichere Identifizierung der Beteiligten ist ein probates Mittel, um dem Missbrauch von Gesellschaftsgründungen zu begegnen. Kein Gründer bleibt anonym oder kann Identitäten stehlen oder vortäuschen, um falsche Verhältnisse vorzuspiegeln. Die sichere Identifizierung der Beteiligten ist gerade in Zeiten erhöhter Sensibilität für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder Steuerdelikte ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Nur wenn diese Zwecke auch bei fehlender physischer Präsenz der Gründer erreicht werden können, kann eine Online-Gründung befürwortet werden.

Wir gehen im Folgenden zunächst auf einzelne Regelungen der Online-Gründung ein und schließen mit einem Formulierungsvorschlag zu Art. 13f.

 

2. Begriff der „Eintragung“ ist verfehlt

Art. 13f befasst sich laut seiner Überschrift mit der „Online-Eintragung von Gesellschaften“, auch im weiteren Verlauf des Richtlinientextes ist von der „Eintragung“ die Rede. Darunter ist aber nicht nur die Eintragung in das jeweilige Register zu verstehen. Nach der Legaldefinition in Art. 13a Abs. 3 ist „Eintragung“ vielmehr die „Bildung“ einer Gesellschaft als juristische Person. Gemeint ist damit offensichtlich der gesamte Gründungsprozess einer Gesellschaft. Dieser beginnt bei Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht mit der Errichtung der Gesellschaft beim Notar und wird mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister abgeschlossen. Dabei ist die Eintragung in das Handelsregister nach deutschem Recht konstitutiv, § 11 Abs. 1 GmbHG formuliert, dass die „Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche[7] vor Eintragung nicht [besteht]“. Dieses materiell-rechtliche Konzept ist allerdings unionsweit nicht einheitlich. In den Niederlanden entsteht eine B. V. z. B. bereits mit Beurkundung des Gesellschaftsvertrags, die nachfolgende Eintragung im Register hat lediglich deklaratorische Bedeutung.[8] Art. 13a Abs. 3 suggeriert aber, dass mit der Eintragung die Gesellschaft gebildet wird. Bereits aus diesem Grund sollte die Norm geändert werden.

Auch sonst ist der Begriff der Eintragung ungeeignet und – gemessen an der Regelungsintention – zu eng, etwa bei den Mustern für die Eintragung nach Art. 13g. Denn hier sollen offenbar nicht nur Muster für die Eintragung in ein Register zur Verfügung gestellt werden. Umgekehrt geht die Legaldefinition an anderen Stellen viel zu weit, so bei den Regelungen zu Zweigniederlassungen. Denn auch Art. 28a spricht von der Online-Eintragung. Ersetzt man den Begriff der Eintragung in Art. 28a mit der Legaldefinition, regelte z. B. Art. 28a Abs. 1, dass die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass „die Bildung einer Gesellschaft als juristische Person der Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt, vollständig online durchgeführt werden kann.“ Dass das keinen Sinn macht, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Definition in Art. 13a Abs. 3 sollte daher gestrichen werden. In Art. 13 ff. sollte statt „Online-Eintragung“ der Begriff der „Online-Gründung“ verwendet werden.

Verabschiedet man sich richtigerweise von dem Begriff der Eintragung, ist auch der Begriff des Antragstellers zu ersetzen. Das folgt auch daraus, dass etwa im deutschen Recht der/die Gründer und die Person, die den Antrag auf Eintragung im Handelsregister stellen, verschieden sein können. Denn die Gesellschaft wird durch die Gründer = zukünftigen Gesellschafter gegründet. Die Anmeldung zum Handelsregister erfolgt jedoch durch den oder die Geschäftsführer der Gesellschaft. Wir empfehlen insofern den allgemeinen Begriff des Beteiligten, der sich im deutschen FamFG bewährt hat. Dieser Begriff erfasste dann sowohl Gründer als auch Anmeldende.

 

3. Online-Gründung nur durch natürliche Personen ohne Vollmacht

 a) Beschränkung auf natürliche Personen

Der Entwurf enthält keine Einschränkungen hinsichtlich der Gründer. Damit müssten die Mitgliedstaaten nicht nur die Online-Gründung durch natürliche, sondern auch durch juristische Personen ermöglichen. Das ist aus unserer Sicht in dieser Allgemeinheit abzulehnen.

Zum einen ermöglicht selbst Estland als Vorreiter der Digitalisierung in der EU die Gründung von Gesellschaften nur durch natürliche Personen.[9] Die Eröffnung der Online-Gründungsmöglichkeit für juristische Personen wäre daher ein Novum. Zum anderen ist die Beschränkung auf natürliche Personen auch sachlich gerechtfertigt. Der Nachweis der Vertretungsmacht juristischer Personen ist in der Praxis häufig langwierig und schwierig, insbesondere wenn keine Handelsregister mit hinreichender Aussagekraft zur Verfügung stehen. Die Vorschläge hätten indes zur Folge, dass auch die Online-Gründung durch Gesellschaften mit zweifelhafter Provenienz relativ unproblematisch möglich wäre, insbesondere in Anbetracht der geringen Anforderungen, die der Entwurf an die von den Gründern vorzulegenden Nachweise (siehe unten 4.) sowie an die Identifikation (siehe dazu eingehend IV. 2.) stellt. In der Gesamtschau nimmt der Entwurf ein race to the bottom hinsichtlich der Qualität und Aussagekraft der Handelsregister billigend in Kauf. Diese Bestrebungen sind abzulehnen. Die Öffentlichkeit hätte angesichts der Enthüllungen rund um die Panama und Paradise Papers wenig Verständnis für einen großangelegten Feldversuch im Gesellschaftsrecht der 27 Mitgliedstaaten, der Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung potentiell begünstigt.

Beispiel:

Kevin Y. Clark (KYC) sucht nach Anlagemöglichkeiten für seine Erträge aus dem Drogengeschäft. Unterstützt durch die Kanzlei MF gründet sein Strohmann in Panama eine Gesellschaft, die wiederum auf den British Virgin Islands eine BVI-Limited gründet. Die BVI-Limited gründet hiernach eine maltesische Limited. Die Malta-Limited bevollmächtigt eine dritte Person zur Gründung einer deutschen GmbH. Dieser Vertreter gründet nun im Namen der Malta-Limited per Online-Gründung die deutsche GW-GmbH. Er übersendet die Vollmacht als einfachen PDF-Scan. Zum Nachweis der Vertretungsberechtigung der Directors der Malta-Limited, die die Vollmacht unterzeichnet haben, übersendet er ein einfaches PDF-Dokument, das als Auszug aus dem Registry of Companies deklariert ist. Beide PDF-Dokumente sind nach Art. 13f Abs. 2 anzuerkennen, so dass es durch die Segnungen der Richtlinie zur schnellen und problemlosen Eintragung der GW-GmbH kommt. Ausgestattet mit dem guten Ruf der Rechtsform und den Gutglaubensvorschriften des HGB geht die GW-GmbH nun auf „Shoppingtour“ in Deutschland.

Würde man in einem solchen Fall ausschließlich auf die Instrumente der Geldwäscherichtlinie bzw. des GwG vertrauen, würde man die Möglichkeiten, die Formvorschriften im Allgemeinen und im Gesellschaftsrecht im Besonderen bieten, zu Unrecht geringschätzen. Man würde deren Potenzial ungenutzt lassen. Das Problem wird besonders deutlich beim Aufeinandertreffen von Gesellschaftsformen ausländischer Staaten, in denen keine vorsorgende Rechtspflege stattfindet – die Rechtsformen dieser Staaten sind aufgrund der fehlenden vorherigen Rechtskontrolle anfällig für die genannten Strukturen – und Gesellschaften aus Staaten, die auf die vorsorgende Rechtspflege setzen. Die Pflicht zur notariellen Beurkundung erschwert rein faktisch das Aufsetzen entsprechender Strukturen. Verglichen damit stellen ein paar „Mausklicks“ keine entsprechende Hürde dar. Darüber hinaus ermöglichen Formvorschriften, dass Notare als Verpflichtete im Sinne des GwG eingebunden werden. In der Gesamtschau stellt die Verpflichtung, persönlich vor einem öffentlichen Amtsträger erscheinen zu müssen, der umfangreichen Verfahrenspflichten, insbesondere auch nach dem GwG, unterliegt, eine wirkungsvolle Hürde gegen den Missbrauch gesellschaftsrechtlicher Formen für kriminelle Zwecke dar.

Soweit ausschließlich natürliche Personen an einer Gründung beteiligt sind, bestehen die Gefahren der Geldwäsche etc. nicht in demselben Umfang. In diesen Fällen tritt der mit dem Erfordernis des physischen Erscheinens verbundene Kontroll-, Erschwerungs- und Abschreckungseffekt in den Hintergrund, Beratung und Betreuung werden wichtiger. Die mit der notariellen Form verbundenen Funktionen können in solchen Fällen unter Umständen – bei entsprechender Ausgestaltung – durch entsprechende Maßnahmen wie Videobeurkundung in ähnlicher Weise erfüllt werden. Werden juristische Personen eingeschaltet, sollte das bewährte System jedoch nicht vorschnell geopfert werden, ohne praktische Erfahrungen gesammelt zu haben. Für den insoweit potentiell sensiblen Bereich der Gründung von Gesellschaften durch andere Gesellschaften sollte die Maxime gelten: „Keine Experimente“. Die Online-Gründung sollte daher nur durch natürliche Personen ermöglicht werden.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass unklar ist, wie die Vertretungsbefugnis bei einer Online-Gründung zuverlässig nachgewiesen werden soll. Bislang hängt der Vertretungsnachweis im Wesentlichen davon ab, ob ein zuverlässiges Handelsregister zur Verfügung steht. Steht ein ausländisches Handelsregister zur Verfügung, das in seiner rechtlichen Bedeutung dem deutschen Handelsregister entspricht und ist der Notar selbst in der Lage, dieses einzusehen, kann er eine entsprechende Vertretungsbescheinigung ausstellen. Kann der Notar ein solches Register nicht selbst einsehen, verlangt er die Übersendung eines Handelsregisterauszugs, der zudem legalisiert – in der Regel mittels Apostille – werden muss. Existiert kein hinreichend zuverlässiges Register, ist der Nachweis auf andere Weise zu führen, z. B. durch Vorlage eines Bestellungsbeschlusses und/oder durch die Bescheinigung des Secretary.[10] Dabei verlangen die Registergerichte üblicherweise, dass die Bescheinigung notariell beglaubigt und legalisiert wird, in der Regel mittels Apostille.

„Übersendung“ in diesem Sinne heißt: „Übersendung eines Papierdokuments per Post oder per Kurier“. Denn eine elektronische Apostille existiert bis zum heutigen Tag nicht. Daher wird diese nach wie vor auf dem Papierdokument (d. h. auf dem beglaubigten Handelsregisterauszug oder auf der notariellen Beglaubigung) angebracht. Art. 13f Abs. 2 macht insofern den zweiten Schritt vor dem ersten, indem angeordnet wird, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Online-Gründung durch die Übermittlung von Angaben oder Urkunden in elektronischer Form abgewickelt werden kann, ohne dass diese Formen in der Praxis zur Verfügung stehen. Eine rechtssichere Überprüfung der Angaben durch Notare und Registergerichte wäre also nicht möglich.

 

b) Gründung mit Vollmacht ist derzeit in der elektronischen Welt nicht abbildbar

Auch die Gründung mit Vollmacht sollte im jetzigen Stadium der technischen und rechtlichen Entwicklung nicht ermöglicht werden.

Die Einführung der Online-Gründung wird politisch unter anderem damit begründet, dass damit die Ferngründung aus anderen Mitgliedstaaten ermöglicht werden soll, so dass sich kein Gründer mehr auf den beschwerlichen Weg in einen anderen Mitgliedstaat machen müsse. Dabei ist eine Ferngründung auch nach jetzigem Recht möglich. Denn auch jetzt ist es natürlich nicht zwingend erforderlich, dass Gründer persönlich zur Beurkundung erscheinen. Für Fälle persönlicher Verhinderung sieht das BGB das Instrument der Vollmacht vor, alternativ kann ein von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenes Rechtsgeschäft auch genehmigt werden.[11] Alle diese Grundsätze gelten selbstverständlich auch bei der Gründung von Gesellschaften und werden entsprechend genutzt. Für die Form der Vollmacht gilt § 2 Abs. 3 GmbHG. Die Gründer gehen also im Ausland zum Notar, der die Vollmacht beglaubigt, die dann noch legalisiert (in der Regel durch eine Apostille) werden muss. Der Bevollmächtigte errichtet dann im Namen der (bzw. des) Gründer(s) die Gesellschaft. Die Vollmacht muss dem die Gründung beurkundenden Notar in Urschrift oder Ausfertigung vorgelegt werden. Nur wer diese Dokumente in dieser Form vorlegen kann, gilt als bevollmächtigt (es sei denn, der andere Teil hat positive Kenntnis davon, dass die Vollmacht wiederrufen ist). Mit der Vorlage einer beglaubigten oder einfachen Abschrift oder eines Scans ist nur bewiesen, dass eine Vollmacht einmal erteilt wurde, nicht hingegen, dass sie in dem Moment noch besteht, in dem von ihr Gebrauch gemacht wird.

Dieses System lässt sich in der elektronischen Welt derzeit nicht abbilden. Es gibt keine elektronische Urschrift oder Ausfertigung. Einen Ausweg könnte in Deutschland ein elektronisches Vollmachtsregister liefern. Ein solches ließe sich einrichten, vergleichbar dem Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Man müsste die in diesem Register hinterlegten Vollmachten als nach § 171 Abs. 1 BGB öffentlich bekannt gemacht ansehen. Wenn der beurkundende Notar die so öffentlich kundgemachte Vollmacht aus diesem Register herunterladen kann, ist eine rechtssichere Vertretung auch bei der Online-Gründung denkbar.

Zu unsicher erscheint der Weg, dass der Vertreter seine Vollmacht bei einer Online-Gründung in die Kamera hält bzw. dem beurkundenden Notar einen Scan hiervon übersendet. Im ersten Fall ist die Echtheit der Vollmacht nicht überprüfbar, im letzten Fall ist nicht sichergestellt, dass der Scan wirklich von einer Urschrift/Ausfertigung stammt, die im Zeitpunkt der Beurkundung im Besitz des Bevollmächtigten ist.

Folglich ist auch hier zu konstatieren, dass Art. 13f Abs. 2 den zweiten Schritt vor dem ersten macht (siehe bereits oben unter a)).

 

4. Übermittlung von Unterlagen

Auf die Mängel des Art. 13f Abs. 2, wonach Regelungen zu treffen sind, nach denen Angaben oder Urkunden in elektronischer Form übermittelt werden können, wurde bereits oben unter 3. hingewiesen. Dem ist Folgendes hinzuzufügen: Eine rein elektronische Übermittlung kann allenfalls für die Übermittlung zwischen der mit der Errichtung der Gesellschaft befassten Stelle (in Deutschland also dem Notar) und dem Handelsregister gelten, weil es hier Sicherheitsmechanismen und beurkundungsrechtliche Vorgaben in der Kommunikation mit den Registern gibt, die eine rein elektronische Übermittlung rechtfertigen. Sofern die Urkunden jedoch von einem Dritten übermittelt wurden, sollte differenziert werden.

Die obigen Ausführungen zeigen, dass Art. 13f Abs. 2 etwas anordnet, das nicht erreichbar ist, ohne die derzeitige Qualität der Handelsregister erheblich abzusenken. Denn soweit die vorzulegenden Dokumente dem Vertretungsnachweis von Personen dienen, sollten die Vorschriften des nationalen Gesellschafts- und Beurkundungsgesetzes vorgehen. Dies betrifft etwa die Wirkung einer Vollmacht nach § 172 BGB/§ 2 Abs. 2 GmbHG oder die Vorlage von Originalunterlagen nach § 12 BeurkG. Nur so kann die rechtssichere Vertretung der eigentlich Berechtigten sichergestellt werden. Damit dürfte auch nicht in die Zielsetzung der Richtlinie eingegriffen werden. Denn dieser geht es vor allem darum, dass die Gründer nicht physisch erscheinen müssen. Die Unterlagen müssten dann eben per Post oder Kurier übermittelt werden, was heutzutage die Angelegenheit nur unwesentlich verzögern sollte. Denkbar ist, dass sich in Zukunft gleichwertige elektronische Übermittlungsmöglichkeiten entwickeln werden. Indes gibt es solche Möglichkeiten derzeit nicht.

 

5. Opt-out-Möglichkeit auch für die KGaA

 Während die Aktiengesellschaften nach deutschem Recht gemäß Art. 13f Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I von der Online-Gründung ausgenommen werden können, gilt dies nicht für die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen handelt, das im weiteren Verfahren behoben werden sollte.

 

6. Unklarheiten bei optionalen Regelungsbefugnissen der Mitgliedstaaten nach Art. 13f Abs. 4

Wir begrüßen die Möglichkeiten, die der Entwurf in Art. 13f Abs. 4 den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der Regelungen zur Online-Gründung einräumen will. Die Norm bedarf jedoch unseres Erachtens der Überarbeitung, um die Funktion des Notars bei der Gründung zu verdeutlichen.

Art. 13f Abs. 4 lit. e) scheint auf den ersten Blick den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die notarielle Mitwirkung im Verfahren vorzuschreiben. Der Anwendungsbereich der Norm ist allerdings aufgrund ihres kryptischen Wortlauts unklar. Die Regelung könnte so interpretiert werden, dass „die Rolle eines Notars“ nur für die Einreichung eines Antrags auf Eintragung eingeführt werden kann. Das ergibt sich insbesondere aus der englischen Sprachfassung, bei der sich sprachlich das Satzende „to submit an application for registration“ auch auf den „notary“ (und nicht nur auf die „other person“) beziehen kann. Auch der in lit. e) verwendete Begriff der Eintragung, der ja nach der (missglückten, s. o.) Definition wohl die gesamte Gründung umfassen soll, hilft nicht weiter. Denn mit der Einreichung nach lit. e) ist, wie sich aus Art. 13i ergibt, jedenfalls nur die Einreichung des Antrags beim Handelsregister gemeint.

In Art. 13f Abs. 4 muss daher klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten die notarielle Mitwirkung bei der gesamten Online-Gründung vorschreiben dürfen.

 

7. Entbehrliche Füllwörter

Art. 13f enthält teilweise Füllwörter, die keinen erkennbaren Regelungsgehalt haben und daher gestrichen werden sollten. Das betrifft die Gründung, die nach Art. 13f Abs. 1 „vollständig“ online möglich sein soll. Wenn eine Gründung online möglich ist, ist sie das selbstverständlich „vollständig“. Wollte man Abweichendes regeln, müsste man im Gegenteil den Anwendungsbereich einschränken. Es ist daher nicht erkennbar, welcher weitere Gehalt durch das Adjektiv „vollständig“ ausgedrückt werden soll. Es sollte daher gestrichen werden.

Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten nach Art. 13f Abs. 2 „detaillierte“ Regelungen festlegen dürfen. Soll die „Detailliertheit“ ein Kriterium für die Zulässigkeit der Regelungen sein? Wäre eine relativ einfache Regelung – beispielsweise eine nationale Formvorschrift – detailliert genug? Dieser Begriff hat an dieser Stelle keinen erkennbaren Sinn und sollte daher gestrichen werden.

 

8. Formulierungsvorschlag

Unter Berücksichtigung voraufgeführter Argumente schlagen wir folgende Formulierung des Art. 13f vor (im Vergleich zur Entwurfsfassung der Kommission sind Streichungen durchgestrichen, Ergänzungen sind unterstrichen):

 

Abschnitt 1a

Online-Gründung Online-Eintragung, Online-Einreichung und Offenlegung

 

Artikel 13f

Online-Gründung Online-Eintragung von Gesellschaften

 

  1. Die Mitgliedstaaten gewährleisten unbeschadet der Bestimmung im Einklang mit den Bestimmungen des Artikels 13b Absatz 4, dass die Gründung Eintragung von Gesellschaften durch natürliche Personen vollständig online durchgeführt werden kann, ohne dass die Beteiligten Antragsteller oder ihre Vertreter vor einer zuständigen Behörde oder einer sonstigen mit der Gründung von Gesellschaften Bearbeitung der Anträge auf Eintragung betrauten Person oder Stelle physisch erscheinen müssen. Eine Vertretung ist nicht zulässig. Die Mitgliedstaaten können sich jedoch dafür entscheiden, für die nicht in Anhang IIa I genannten Rechtsformen von Gesellschaften keine Online-Gründungsverfahren vollständigen Online-Eintragungsverfahren anzubieten.

 

  1. Die Mitgliedstaaten schaffen legen detaillierte Regelungen für die Online-Gründung Online-Eintragung von Gesellschaften fest, einschließlich der Regelungen für die Verwendung von Mustern nach Artikel 13g und die für die Gründung Eintragung einer Gesellschaft erforderlichen Urkunden und Angaben. Im Rahmen dieser Regelungen sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Online-Eintragung durch die Übermittlung von in Satz 1 genannten Urkunden und Angaben Angaben oder Urkunden in elektronischer Form, einschließlich elektronischer Kopien der in Artikel 16a Absatz 4 genannten Schriftstücke und Angaben abgewickelt werden kann, übermittelt werden können, sofern Regelungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts eines Mitgliedstaates keine strengere Übermittlungsform vorsehen.

 

  1. Die in Absatz 2 genannten Regelungen umfassen mindestens Folgendes:

 

(a)   die Verfahren zur Gewährleistung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Beteiligten Antragsstellers und seiner Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft;

(b)   die Mittel zur Überprüfung der Identität der Personen, die die Gesellschaft gründen eintragen, oder ihrer Vertreter;

(c)   die Verpflichtung des Beteiligten Antragstellers, in der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 genannte Vertrauensdienste zu nutzen.

 

  1. Die in Absatz 2 genannten Regelungen können zudem Folgendes umfassen:

 

(a)   die Verfahren zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit des Gesellschaftszwecks;

(b)   die Verfahren zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit des Namens der Gesellschaft;

(c)   die Verfahren zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit der Errichtungsakte einschließlich der Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung von Mustern;

(d)   die Verfahren zur Überprüfung der Ernennung von Geschäftsführern, wobei zu berücksichtigen ist, wenn Personen von den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten als Geschäftsführer für ungeeignet erklärt wurden;

(e)   die Mitwirkung eines Notars;

(f)   die Mitwirkung einer die Verfahren für die Einführung der Rolle eines Notars oder jeder anderen vom Mitgliedsstaat mit der Einreichung eines Antrags auf Eintragung beauftragten Person oder Stelle;

(g)   die Umstände, unter denen eine Online-Gründung ausgeschlossen werden kann, wenn die Zahlung des Gesellschaftskapitals in Sachleistungen zu erbringen ist.

 

  1. unverändert

 

  1. unverändert

 

  1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Online-Gründung innerhalb eines Zeitraums von fünf Arbeitstagen nach dem letzten der folgenden Ereignisse abgeschlossen ist abgewickelt wird:

 

(a)   dem Erhalt aller erforderlichen Angaben und Urkunden Schriftstücke und Angaben durch die für den Abschluss der Gründung zuständigen Behörde durch eine zuständige Behörde oder gegebenenfalls durch eine nach den nationalen Rechtsvorschriften mit der Einreichung des Antrags auf Eintragung einer Gesellschaft beauftragten Person oder Stelle;

(b)   der Zahlung einer Eintragungsgebühr, der Barzahlung des Gesellschaftskapitals für Gesellschaftskapital oder, wenn die Zahlung des Gesellschaftskapitals in Sachleistungen zu erbringen ist, je nach nationalen Rechtsvorschriften.

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Antragsteller unverzüglich über die Gründe für Verzögerungen unterrichtet wird, wenn es in hinreichend begründeten Ausnahmefällen nicht möglich sein sollte, diese Frist einzuhalten.

 

9. Online-Gründung und „faires Verfahren“

Wir verkennen nicht, dass eine Online-Gründung auch für den beurkundenden Notar Vorteile haben kann. Ein möglicher Hauptanwendungsfall ist neben der Gründung einer Einpersonengesellschaft eine Mehrpersonengründung, bei der ein Teil im Notariat anwesend ist, der andere über Videokonferenz zugeschaltet ist. Der Fall, dass von mehreren Gründern keiner präsent ist dürfte eher die Ausnahme sein, da sich die nicht zu unterschätzenden technischen Schwierigkeiten (Versagen der Technik, Abstimmung verschiedener Softwareversionen und Betriebssysteme, nicht ausreichende Leitungskapazitäten) mit jedem nicht präsenten Teilnehmer linear erhöhen.

Verhandlungen, auch Beurkundungsverhandlungen, haben einen anderen Verlauf, wenn sich die Teilnehmer nicht an einem Tisch gegenübersitzen. Für Gerichtsverhandlungen in Zivil- und Strafsachen ist dies eine empirisch gesicherte Erkenntnis.[12] Ohne entsprechende Moderation einer Videokonferenz nimmt das Monologisieren überhand.[13] Auch mit einem Moderator nimmt die Vergleichsbereitschaft signifikant ab.[14] Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit leidet unter der fehlenden physischen Präsenz.[15]

Wir Notare können und dürfen diese Erkenntnisse bei der Gestaltung des Beurkundungsverfahrens nicht unberücksichtigt lassen. Für uns stellt sich die Frage, ob und wie wir unsere Aufgaben nach der berufsrechtlichen Fundamentalnorm des § 17 BeurkG wahrnehmen können. Die Online-Gründung schafft insbesondere in Ungleichgewichtslagen wirtschaftlicher oder intellektueller Art mehr Möglichkeiten, sich Verhandlungen über Vertragsinhalte zu entziehen. Man muss gar nicht so weit gehen, vis absoluta oder compulsiva anzunehmen. Auch solches ließe sich nicht bzw. nur schlecht feststellen. Denkbar wäre, dass bei allen Beteiligten jeweils ein Notar gegenwärtig sein muss.

Im Prozessrecht werden diese Erkenntnisse zum „right of confrontation“ verdichtet, dem jedenfalls in den USA Verfassungsrang zukommt.[16] In Deutschland fließt dieses Prinzip über Art. 6 Abs. 3 lit d) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in unsere Rechtsordnung ein.

Natürlich werden solche Einwände nicht bei jemandem verfangen, für den Gesellschaftsrecht im Ausfüllen von Mustern besteht. Das ist aber, wie nachstehend II.1. gezeigt wird, nicht der Fall.

Bei einem Online-Gründungsverfahren ist der Staat in anderem Maße und in anderer Weise als bisher gefordert, einen institutionellen Rahmen für faire und ausgeglichene Verhandlungssituationen mit gleichen Partizipationschancen zu schaffen. Letztlich folgt dies aus der naturrechtlichen Konzeption des die Selbsthilfe ablösenden Gesellschaftsvertrags („contrat social“). Kommt ein politisches System dieser Aufgabe nicht nach, suchen die Bürger nach „Alternativen“.

Was das Beurkundungsverfahren betrifft, wird sich der nationale Gesetzgeber entscheiden müssen. Will er die Aufgabe des Notars, die in besonderem Maße durch § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG bestimmt ist, so beibehalten oder geht der Wunsch nach Digitalisierung aller Lebensbereiche dem vor.

Mit der Einführung einer Online-Gründung unter notarieller Beteiligung ist das notarielle Berufsrecht auf entsprechenden Anpassungsbedarf zu prüfen.

 

II. Mustergründung

 Nach Art. 13g haben die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Gesellschaftsgründung „Muster“ zur Verfügung zu stellen. Auf welche Unterlagen sich dieser Begriff bezieht, ist aus dem Text selbst nicht ersichtlich. In den Erläuterungen wird zumindest der Begriff „Muster von Gründungsurkunden“ verwendet, wobei sich auch dies sowohl auf die eigentliche Gründungsurkunde samt Gesellschaftsvertrag als auch auf den Wortlaut zusätzlicher Handelsregister-Anmeldungen und Ähnlichem beziehen kann.

 

1. Tauglichkeit von Mustern

 Inwieweit „Muster“ geeignet sind, Wirklichkeit kautelarjuristisch zu normieren, ist eine Frage des Einzelfalls. So hat vor Jahrzehnten Gerrit Langenfeld in seinem „Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen“ unter Anwendung der Erkenntnisse juristischer Topik und Typologik „Ehetypen“ entwickelt, für deren vertragliche Gestaltung man verschiedene Grundmuster als Ausgangspunkt (und nicht wie hier als Endprodukt) zugrunde legen kann. So geht der Ehevertrag einer beiderseitigen „Zweitehe“ in fortgeschrittenem Alter mit Kindern aus früheren Ehen von anderen Gestaltungsanforderungen aus als etwa die Ehe zwischen einer Unternehmerin und einem Beamten. Wieder andere Gestaltungsanforderungen stellen sich, wenn ein Ehepartner gerade eine Insolvenz hinter sich hat. Die Ehetypen erweisen sich als außerordentlich vielfältig.

Umso mehr gilt dies im Gesellschaftsrecht. Am ehesten standardisiert ist noch der Gesellschaftsvertrag einer Einpersonengesellschaft, sofern der Anteilsinhaber allein bleiben will. Hier kann man sich auf die gesetzlichen Mindestanforderungen beschränken (Firma, Sitz, Gegenstand, Kapital). Schon Firma und Gegenstand des Unternehmens sind jedoch beratungsintensiv. Die Firma muss zulässig sein, der Gegenstand muss so formuliert sein, dass nicht ungewollt genehmigungspflichtige Geschäfte erfasst sind. Die Höhe des Nominalkapitals hängt vom Geschäfts- und Finanzplan ab. Gleiches gilt für seine Erbringung. Eine Volleinzahlung in bar mag noch standardisierbar sein. Bereits bei Teileinzahlung wird dies schwieriger. Sacheinlagen entziehen sich der Standardisierung vollends.

Die Frage der allgemeinen und konkreten Vertretungsbefugnis hängt selbst bei Einpersonengesellschaften von regulatorischen Rahmenbedingungen (Vier-Augen-Prinzip im Bank- oder Versicherungsrecht) oder sozialversicherungsrechtlichen Aspekten ab.

Bei Mehrpersonengesellschaften kommen weitere Fragen hinzu. Auch hier hilft die Typologik. Handelt es sich um eine Personenverbindung, bei der mehrere Personen gleichberechtigt beteiligt sind oder beschränkt sich ein Teil auf die Rolle des Kapitalgebers (personalistische oder kapitalistische Gesellschaft)? Sind im Familien- oder Beschäftigtenkreis Nachfolger in Sicht oder nicht? Soll die Gesellschaft für den Fall der Ehescheidung eines Gesellschafters vor Liquiditätsabflüssen geschützt werden? Sind Gesellschafter im Ausland wohnhaft, so dass die gesetzlichen Fristen für die Einberufung von Gesellschafterversammlungen nicht reichen? Müssen Minderheitsgesellschafter vor gewissen Beschlüssen geschützt werden (z. B. Fusionen, Unternehmensverträge, Gewinnverwendung bzw. -thesaurierung)? Sollen Gesellschafter einem Wettbewerbsverbot unterliegen und wenn ja welche? Welche Lösungen hier angemessen sind, hängt von zahlreichen Faktoren ab wie Alter, Erfahrung, Kapitalkraft, familiäre Situation, Gesundheit der einzelnen Gesellschafter sowie ihrer prozentualen Beteiligung.

Klauseln in Gesellschaftsverträgen lassen sich in drei Kategorien einteilen:

(1)       Gesetzlicher Mindestinhalt;

(2)       Regelung des Innenverhältnisses (Rechtsbeziehungen der Gesellschafter/Vertretungsorgane untereinander);

(3)       Regelungen für das Ausscheiden und den Neueintritt von Gesellschaftern.

An „Muster“ mag man noch bei (1) denken, aber auch nur im oben zur Einmanngesellschaft dargestellten Maße. Für (2) und (3) sind sklavisch übernommene Muster extrem gefährlich. Da fragt man sich allerdings, ob sich für Firma, Sitz, Gegenstand und Nominalkapitalziffer noch ein Muster lohnt.

Die Frage hiernach führt zur weiteren Frage nach dem Grund für die „Mustergläubigkeit“ der Entwurfsverfasser. Folgende Erklärung kommt in Betracht: Muster scheinen auf den ersten Blick effizienter zu sein. Der Vertrag wäre nach dieser Lesart ein Mittel effizienter Güterallokation. Die Vertragsfreiheit beschränkte sich dann auf die Wahl unter verschiedenen standardisierten Vertragsmustern. Das würde sich allerdings von dem hergebrachten politischen Liberalismus bedenklich weit entfernen, nach dem in Verträgen die Freiheit des Individuums verwirklicht wird. Verträge dienen eben nicht nur einer dystopischen ökonomischen ratio.

Zudem ist es bei einer Gesamtbetrachtung ein Fehlschluss, dass Muster effizienter sind. Wenn bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags nicht bereits die Interessen aller Gesellschafter zur Sprache kommen und im Vertragswerk ihren Niederschlag finden, ist späterer Streit vorprogrammiert. Gesellschafterstreit bindet jedoch in erheblichem Maße Ressourcen und gefährdet neben Arbeitsplätzen den Beitrag der Gesellschaft zur allgemeinen Wohlfahrt im Sinne der Nationalökonomie.

Auch wenn propagiert wird, die genannten Schwierigkeiten im Sinne von legal tech durch intelligente Muster mit zahlreichen Varianten lösen zu können, wird man zumindest nach derzeitigem Erfahrungsstand keine gleichwertigen Lösungen im Vergleich zu einer schnellen und damit letztlich kostengünstigeren gemeinsamen Beratung und Beurkundung erreichen können. Stünden entsprechende Verfahren zur Verfügung, könnte man sie z. B. auch anstelle mühsamer Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene einsetzen. Das Beispiel zeigt, wie weit hergeholt solche Überlegungen bei dem derzeitigen Stand der Technik sind.

Im Ergebnis würden entsprechende Mustersatzungen – wie bei der Unternehmergesellschaft – derzeit nur ganz kurz ausfallen, wobei wichtige Regelungskomplexe wie die Vererbung, Vinkulierung, Vertretungsregelung ausgespart und mangels geeigneter gesetzlicher Regelungen im GmbH-Recht unzufriedenstellend gelöst bleiben, oder eine Fülle von wahlweisen Detailregelungen vorgesehen werden, die gerade für ausländische Gründer nicht zu überblicken sind und dann – wie lästige Internet-Formulare und AGBs – möglichst schnell „durchgeklickt“ werden, um nur eine schnelle Eintragung in das Register zu erreichen. Die Kosten eines solchen Vorgehens werden dabei in spätere Streitigkeiten, Korrekturen oder nach dem englischem Vorbild in ein zusätzliches schuldrechtliches „Shareholders´ Agreement“ exportiert, das der Publizität und der Kontrolle des Registergerichts entzogen ist.

 

Vorschlag:

Der Einsatz von Mustern sollte den Mitgliedstaaten freigestellt werden. Zu fördern ist ein Gesellschaftsrecht, das einen grundsituationsangemessenen dispositiven Regelungsrahmen liefert.

 

2. Klarstellungsbedarf hinsichtlich öffentlich beurkundeter Satzungen

 Art. 13g Abs. 2 Satz 2 birgt aus unserer Sicht die Gefahr einer möglichen Fehlinterpretation. Nach dem eigentlichen Wortlaut hat dieser Satz nur Bedeutung für Länder, die keine inhaltliche Kontrolle der Gründungssatzung vor der Registrierung vorsehen. Die dann geltende Pflicht, dass in diesen Ländern die Gründungssatzung öffentlich zu beurkunden ist (Art. 10 – derzeit noch Art. 11), soll nun entfallen, wenn dafür das staatlich zur Verfügung gestellte Muster verwendet wird. Ob das politisch sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls beinhaltet dieser Satz nicht, dass ein Land wie Deutschland im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege die Beurkundung der Gründungssatzung nicht mehr in jedem Fall vorsehen dürfte.

Insbesondere im Hinblick auf Erwägungsgrund 11, der ausdrücklich zwischen Mustergründungen und „maßgeschneiderten Errichtungsakten“ differenziert, der Definition in Art.13a Abs. 4, der von der „Verwendung der Muster für die Online-Eintragung“ spricht, und Art. 13f Abs. 4 lit. c), der nur eine „Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der Muster“ vorsieht, könnte aber der missverständliche Schluss gezogen werden, dass die Verwendung eines Musters insgesamt eine öffentliche Beurkundung der Gründungssatzung entbehrlich macht. Dass auch im Rahmen der Online-Gründung unter Verwendung von Mustern ein Staat die öffentliche Beurkundung der Satzung verlangen kann, sollte daher klargestellt werden.

 

Vorschlag:

 Art. 13g Abs. 2 sollte folgender Satz angefügt werden:

„Artikel 13f Absätze 3 und 4 bleiben unberührt.“

3. Sprache der Muster

 Nach Art. 13g Abs. 3 sind die Muster in einer Sprache zur Verfügung zu stellen, „die von einer möglichst großen Zahl grenzüberschreitender Nutzer weitgehend verstanden wird“. Mit dieser kuriosen Formulierung soll wohl gesichert werden, dass auch nach Vollzug des BREXIT die Mustertexte in Englisch vorliegen sollen, da kaum anzunehmen ist, dass damit die Amtssprache Deutsch – mit den meisten Muttersprachlern in der EU – vorgeschrieben werden soll. Dann sollte das aus unserer Sicht aber auch ganz einfach mit dem Begriff „englisch“ bezeichnet werden. Wenn die EU will, dass ihre Bürger und Unternehmen Englisch sprechen und schreiben und nicht die übrigen Amtssprachen, dann sollte sie es offen sagen. Statt aber Klartext zu reden, versucht der gegenwärtige Entwurf diese Absicht zu bemänteln – dabei weiß natürlich auch so jeder, welche Sprache die EU-Kommission meint.[17]

Generell sollte man aus unserer Sicht die kritische Frage stellen, ob es ein ausreichendes Bedürfnis für eine solche Regelung gibt. Warum soll es Gründern, die die Sprache des Registrierungslandes der neuen GmbH nicht sprechen, erleichtert werden, den für die Existenz des Unternehmens wichtigen Gründungsvorgang nur in Englisch zu durchlaufen, wenn anschließend alle Pflichten, die die GmbH in diesem Land treffen (insbesondere steuerrechtliche und gewerberechtliche) ohnehin in der Ortssprache erfüllt werden müssen? Man müsste erwarten können, dass Gründer sich vor der Gründung auch die Frage ihrer Sprachkompetenz in dem angestrebten Land klar machen und ggf. über ausreichende Übersetzungs- und Dolmetscherunterstützung verfügen, die sie ohnehin für ihr Geschäft benötigen werden, wenn dieses zur künftigen erhöhten Wertschöpfung beitragen soll.

Angesichts des bevorstehenden Austritts des Vereinigten Königreichs wird nur noch die Republik Irland als Land in der Europäischen Union verbleiben, in dem neben Gälisch zumindest für einen Teil der Bürger Englisch Muttersprache ist. Ansonsten bietet sich Englisch nur für Zypern oder Malta an. Wieso soll man einem Nichtmitglied noch Vorteile bieten? Was die Anzahl der Muttersprachler betrifft, wäre – welch ein politisch inkorrekter Frevel – sogar Deutsch zu erwägen. Im Sinne einer Gleichberechtigung durch allseitige Diskriminierung lägen dagegen Sprachen wie Latein, Kirchenslawisch, Sanskrit oder Akkadisch.

Mit der Pflicht, englische Muster-Texte einzuführen, kann eine Vielzahl von Folgefragen verbunden sein, wenn die Richtlinie so zu verstehen ist, dass das Muster ausschließlich in Englisch verwendet werden darf:

  • Kann die verbindliche Gerichtssprache Deutsch bleiben?
  • Muss ein Notar eine Mustersatzung beurkunden, wenn die Beteiligten erkennbar deren Inhalt auch auf Englisch nicht ausreichend verstehen?
  • Welche Pflichten hat ein Notar, wenn er nicht freiwillig in Englisch beurkunden will oder kann, aber auch für den englischen Text die unbeschränkte Haftung trägt?

Zur Vermeidung dieser und weiterer Folgefragen sollte Art. 13g Abs. 3 gestrichen werden. Hilfsweise regen wir an, die Richtlinie so zu gestalten, dass die Muster neben der maßgeblichen örtlichen Gerichts- oder Amtssprache auch in einer zusätzlichen unverbindlichen englischen Übersetzung zur Verfügung stehen sollen, so dass im Ergebnis – wie bei Beurkundungen der Notare schon regelmäßig praktiziert – der Text zweispaltig mit der englischen „convenience-translation“ zur Verfügung steht. Rechtliche Zweifel und Auslegungsfragen könnten dann aber weiterhin anhand der deutschen Fassung als Gerichtssprache geklärt werden und nicht in einer Sprache, die für alle oder die meisten Gesellschafter ohnehin eine Fremdsprache darstellt. Eine verbindliche Fremdsprache würde hingegen die Transaktionskosten, die durch den Vorschlag angeblich reduziert werden sollen, erheblich erhöhen.

 

Vorschlag: 

  • 13g Abs. 3 sollte gestrichen werden.
  • Hilfsweise regen wir an, Art. 13g Abs. 3 wie folgt zu fassen:

       „Die Mitgliedstaaten müssen eine rechtlich unverbindliche Übersetzung der Muster in englischer Sprache zur Verfügung stellen.“

 

III.    Informationen über Personen, die von Geschäftsführungs- oder Vorstandsfunktionen ausgeschlossen wurden

 Nach Art. 13h sollen sich die Mitgliedstaaten über die verbundene Plattform („BRIS“) informieren können, wenn eine Person nach ihrem Recht nicht Geschäftsführer sein kann (wegen Strafbarkeit etc.). In diesem Fall dürfen auch die anderen Mitgliedstaaten die Ernennung dieser Personen als Geschäftsführer ablehnen (Art. 13h Abs. 3). Die Regelung gilt sowohl bei Neugründungen als auch nach ihrem Abs. 4 für den Geschäftsführerwechsel.

Die Regelung ist zu begrüßen. Sie setzt allerdings voraus, dass die Eintragungen in BRIS lückenlos erfolgen. Nach den praktischen Erfahrungen mit der Umsetzung der Anordnung über die Mitteilungen in Zivilsachen („MiZi“) und der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen („MiStra“) in Deutschland müssten dafür ggf. ergänzende verfahrensrechtliche Vorschriften ergehen. Erforderlich ist, dass bei jeder entsprechenden Maßnahme i. S. d. § 6 Abs. 2 GmbHG (z. B. Verurteilung wegen einer in § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG genannten Straftat) die Eintragung bei BRIS sofort erfolgt. Das muss dann auch in allen Mitgliedstaaten gelten.

Bei konsequenter Umsetzung wäre das vorgeschlagene Verfahren dem bisherigen durchaus überlegen. Nach derzeitigem Recht verlässt sich die Praxis auf die entsprechende Erklärung des Geschäftsführers. Dieser muss nach §§ 8 Abs. 3, 39 Abs. 3 GmbHG die Versicherung abgeben, wonach keine Gründe vorliegen, die seiner Bestellung zum Geschäftsführer entgegenstehen. Nach § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG ist eine unrichtige Versicherung strafbewehrt. Ein präventiver Abgleich mit einer ordnungsgemäß geführten Liste ist dem aber deutlich vorzuziehen.

Wie Beispiele aus den Dateien zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus zeigen, kommt der Orthographie große Bedeutung zu. Sind in arabischer oder kyrillischer Schrift geschriebene Namen in BRIS je nach meldendem Mitgliedstaat in unterschiedlichen Schreibweisen eingetragen, so läuft der Regelungsansatz leer. Kann man keine einheitliche Notation durchsetzen (z. B. durchgängig die in der internationalen Diplomatie gebräuchliche französische Transkription), bleibt doch nur die strafbewehrte Versicherung des Geschäftsführers.

 

IV. Einreichung beim Register

 1. Klarstellungsbedarf bei der geplanten Regelung

 a) Entwurf lässt Beteiligung von Notaren offen

Nach Art. 13i soll es künftig den Gesellschaften ermöglicht werden, „die in Artikel 14 bezeichneten Urkunden und Angaben sowie Änderungen an denselben […] online beim Register einreichen zu können.“ Dabei soll es unzulässig sein, dass „der Antragsteller oder sein Vertreter persönlich vor einer zuständigen Behörde oder einer sonstigen mit der Bearbeitung der Online-Einreichung betrauten Person oder Stelle erscheinen muss.“ Eine Ausnahme ist nur vorgesehen, wenn ein konkreter Betrugsverdacht besteht (Art. 13i Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 13b Abs. 4). Zu den in Art. 14 bezeichneten Angaben gehören u. a.:

  • Satzungsänderungen einschließlich Sitzverlegungen
  • Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Liquidatoren
  • Auflösung und Beendigung der Gesellschaft

Wenn diese Vorschrift Geltung erlangt, müsste also die bisher durch § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgeschriebene öffentliche Beglaubigung jeglicher Anmeldungen zum Handelsregister entfallen, jedenfalls soweit sie im herkömmlichen Sinne als persönliche Leistung der Unterschrift oder Anerkennung der bereits geleisteten Unterschrift vor einem Notar verstanden wird (§ 40 Abs. 1 BeurkG).

Anders als bei der Gründung ermöglicht der Entwurf nicht einmal die Mitwirkung von Notaren ohne physische Präsenz, etwa über eine „Videokonferenz“ oder Ähnliches. Denn eine entsprechende Öffnungsklausel für die Mitgliedstaaten wie sie bei der Gründung insbesondere in Art. 13f Abs. 4 lit. e) vorgesehen ist, ist in Art. 13i nicht enthalten. Es ist daher nach dem bisherigen Wortlaut mindestens zweifelhaft, ob Mitgliedstaaten wie z. B. Deutschland auch weiterhin verpflichtend die Beteiligung von Notaren auch außerhalb von Gründungen vorsehen dürften. Denn Art. 13i Abs. 1 spricht davon, dass die Gesellschaften die Urkunden und Angaben „beim Register“ einreichen können – daraus könnte geschlossen werden, dass die Einreichung unmittelbar beim Register erfolgen können muss. Für dieses Verständnis spricht im Übrigen auch, dass in Art. 13i keine Regelung vorgesehen ist wie bei der Gründung von Gesellschaften und Zweigniederlassungen, die „eine nach den nationalen Rechtsvorschriften mit der Einreichung des Antrages beauftragte Person oder Stelle“ erwähnen (Art. 13f Abs. 7 lit. a) und Art. 28a Abs. 5).

 

b) Beteiligung von Notaren im derzeitigen System unabdingbar

 Mit einer solchen EU-Regelung, die eine Mitwirkung von Notaren unmöglich machte, könnte künftig weder eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Anmeldung als solcher noch eine Identitätskontrolle der anmeldenden Personen durch die Zwischenschaltung eines Notars erfolgen. Damit hätten die Handelsregister die ihnen online von den Unternehmen übersandten Anträge auf Eintragung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften selbst oder eben gar nicht zu überprüfen, sondern ungeprüft einzutragen. Möglicherweise wäre diese Schlussfolgerung dem Entwurfsverfasser ganz recht, denn je weniger Überprüfungen stattfinden, desto schneller sind die Änderungen eingetragen. Andere Kriterien als Schnelligkeit und Bequemlichkeit spielen dagegen eine ganz untergeordnete Rolle. Dass damit die Aussagekraft und Zuverlässigkeit der Handelsregister jener Mitgliedstaaten mit einem gut funktionierenden Registersystem in Frage gestellt wird, wird billigend in Kauf genommen. Es kann wenig überraschen, dass die Notarinnen und Notare, die wesentlich zum Funktionieren des Handelsregisters beitragen, dieser Sicht der Dinge nichts abgewinnen können.

Ohne es ausdrücklich auszusprechen oder empirisch oder sonst wie zu belegen, scheint die Kommission in ihrem Richtlinienentwurf von der Gleichwertigkeit der Register in den Mitgliedstaaten auszugehen. Diese ist aber mitnichten gegeben. Gerade in Mitgliedstaaten, in denen der Notar nicht mit der Eintragung befasst ist und in denen die Eintragung vielleicht nur fünf und nicht zehn Tage dauert (wie es in der Begründung des Richtlinienentwurfes mahnend hervorgehoben wird), ist die Verlässlichkeit des Registers oft sehr eingeschränkt. In der Praxis lässt sich dies leicht feststellen, wenn ein belastbarer Nachweis über die Existenz einer Gesellschaft und die Vertretungsbefugnis ihrer Organe benötigt wird, der mal innerhalb weniger Minuten durch Einsicht in ein elektronisch abrufbares Handelsregister (neben Deutschland z. B. die Niederlande und Österreich), mal nur durch die zeit- und kostenaufwendige Einholung eines Expertengutachtens (z. B. eines Londoner Scrivener Notary) zu erhalten ist. In wieder anderen Ländern (z. B. in Frankreich) liefert das Handelsregister nur Angaben zur Person und ihrer Funktion. Für die Vertretungsmacht muss das Gesetz, teilweise (etwa bei der SAS) auch die beim Register hinterlegte Satzung herangezogen werden.

Auf die in § 12 HGB vorgegebene Vier-Augen-Kontrolle der angemeldeten Tatsachen und der Anmeldung als solcher sollte daher keinesfalls verzichtet werden. Das Verfahren wurde erst jüngst durch die Einfügung des § 378 Abs. 3 FamFG gestärkt. Demnach sind u. a. Handelsregisteranmeldungen vor ihrer Einreichung im Rahmen einer Vorprüfung für das Registergericht von einem Notar auf Eintragungsfähigkeit zu untersuchen. Auch diese gesetzlich vorgeschriebene Vorprüfung würde durch die Neuregelung wieder abgeschafft, will man nicht den Notar als bloße Prüfstelle, quasi als Briefkasten, zwischenschalten, über die die Anmeldung dem Registergericht einzureichen ist. Eine Lösung, bei der der Anmeldende die Anmeldung zunächst online dem Notar einreicht, die dieser prüft und beanstandet oder unverändert dem Gericht einreicht, würde allerdings Funktion und Stellung des Notars in der vorsorgenden Rechtspflege nicht gerecht. Die Vorprüfung durch den Notar hat sich gerade deshalb – auch schon vor Schaffung des § 378 Abs. 3 FamFG – bewährt, weil dieser in dem Gespräch mit den Beteiligten anlässlich der Unterschriftsbeglaubigung die Tatsachen und die gewünschten Folgen ermitteln kann.

Folge der hier skizzierten Änderung wäre also eine erhebliche Mehrbelastung der Registergerichte mit fehlerhaften, unvollständigen und unzulässigen Anmeldungen. Entfiele die Filterwirkung des Notars, würden die Registergerichte mit einer Fülle von selbst entworfenen Anmeldetexten überschwemmt werden, die nicht zur Erzielung der begehrten Eintragung tauglich sind. Derzeit werden solche Anmeldungen von den Notaren ausgefiltert und gelangen gar nicht in den Bereich des Registergerichts. Denn auch die selbst erstellte Anmeldung wird von den Anmeldenden beim Notar unterzeichnet (bzw. die Unterschrift anerkannt), also zu einem Zeitpunkt, zu dem Korrekturen noch unschwer vorgenommen werden können.

Bei solchen untauglichen Anmeldungen wird es sich auch keinesfalls um Einzelfälle handeln. Notare erleben in ihrer Praxis die abenteuerlichsten Entwürfe von Anmeldungen, die die Beteiligten im vermeintlichen Sinne einer Kostenersparnis selbst erstellt haben. Schon vor Inkrafttreten des § 378 Abs. 3 FamFG wurden so in der täglichen Praxis die Registergerichte durch die Notare vor unzähligen, rechtlich nicht tauglichen Schriftstücken bewahrt. Entfällt dieser Filter, werden die Registergerichte einen erheblich ansteigenden Personalbedarf haben.

Für noch wesentlicher erachten wir allerdings die Einbuße an Rechtssicherheit. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs ist eine Errungenschaft der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie sie u. a. das Handelsregister verkörpert. Deren Stellenwert kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch im internationalen Vergleich ist die Zuverlässigkeit der deutschen Verzeichnisse ein Standortvorteil.

Das Handelsregister genießt öffentlichen Glauben (§ 15 HGB). Es dient durch seine Publizitätswirkung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs[18] und ähnelt damit dem Grundbuch. Der Rechtsverkehr kann also z. B. darauf vertrauen, dass der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer auch tatsächlich zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist, dass die Gesellschaft unter der im Handelsregister eingetragenen Firma existiert und die satzungsgemäßen Vorschriften unverändert mit den im Handelsregister eingetragenen Bestimmungen übereinstimmen. Selbst die zustellfähige Anschrift ist erkennbar.

Dieses Vertrauen auf die Richtigkeit des Handelsregisters setzt aber voraus, dass die Eintragungen stets auf einer einwandfreien Rechtsgrundlage beruhen. Ein funktionierendes Register erfordert erstklassige Informationsquellen. Seit Inkrafttreten des HGB verlangt daher dessen § 12 die öffentliche beglaubigte Einreichung von Handelsregisteranmeldungen. Der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz zuletzt bei der Änderung von § 12 HGB durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) – Gesetz vom 10.11.2006 BGBl. I S. 2553 – bestätigt.

Dass Mitgliedstaaten die Beteiligung von Notaren bei Handelsregistereintragungen vorsehen dürfen, wird auch in der Richtlinie zum sog. Single Digital Gateway vorgesehen sein.[19] Entsprechendes soll in Erwägungsgrund 26 klargestellt werden. Dieser acquis communautaire sollte daher auch in der hier gegenständlichen Richtlinie berücksichtigt werden.

 

c) Vorschlag

In Art. 13i sollte entsprechend Art. 13f Abs. 4 klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten die Beteiligung von Notaren auch bei Handelsregisteranmeldungen außerhalb von Gründungen verpflichtend vorsehen dürfen.

Dies gilt in gleicher Weise für den Entwurf zu grenzüberschreitenden Umwandlungen (dazu Teil B dieser Stellungnahme). Auch dort fehlen entsprechende Regelungen, die den Mitgliedstaaten die Beteiligung von Notaren bei Anmeldungen bzw. Anträgen zum Handelsregister ermöglichen würden.

 

2. Entwurf sieht keine Identifizierungspflicht des Anmeldenden vor

Ob sich der Anmeldende einer Veränderung, also z. B. der seine Bestellung anmeldende neue Geschäftsführer, in irgendeiner Form zu identifizieren hat, regelt Art. 13i nicht. Denkbar ist, dass Art. 13b als allgemeine Bestimmung zu verstehen ist, die auch im Rahmen von Art. 13i Anwendung findet. Eine diesbezügliche Klarstellung wäre allerdings dringend angebracht, um der Gefahr vorzubeugen, dass in einzelnen Mitgliedstaaten überhaupt keine Identifizierung verlangt wird, dass also eine einfache E-Mail für eine Veränderung der Register genügen könnte.

Allerdings regelt auch Art. 13b keinen tauglichen Mindestmaßstab, um eine sichere Identifizierung bei späteren Änderungen in Bezug auf die Gesellschaften vornehmen zu können. Es gilt insofern letztlich nichts anderes als für die Gründung von Gesellschaften. Der Gedanke, dass jemand zur Identifizierung als neuer Geschäftsführer einer finanzkräftigen GmbH lediglich eine gescannte Kopie seines Reisepasses vorlegen muss, wie es Art. 13b Abs. 2 den Mitgliedstaaten gestatten will (vgl. EG 7), ist beängstigend, was die künftige Zuverlässigkeit unserer Handelsregister angeht.

Ebenso wie die Neugründung sind spätere Änderungen einer GmbH einem hohen Fälschungsrisiko unterworfen. Bekanntlich verfügen alteingesessene GmbH mitunter über erhebliches Vermögen, welches Ziel krimineller Aktivitäten sein könnte.

Beispiel 1:

Die Mühe, die sich ein Mann gemacht hat, der in München Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts unter dem Pseudonym Dr. Rudolf Estevi aufgetreten ist, wird künftig nicht erforderlich sein. „Dr. Estevi“ ist damals in ein Münchener Grundbuchamt eingebrochen und hat dort Eintragungen im Grundbuch gefälscht und sich damit als Eigentümer eines Geschäftshauses im Wert von DM 20 Millionen legitimiert.[20] Ist Eigentümer des Grundstücks eine GmbH, wird das nach dem Entwurf künftig deutlich einfacher sein: Dr. Estevi hätte online unter Beifügung seiner Signatur oder eines einfachen Scans seines Reisepasses bewirken können, dass er als Geschäftsführer im Handelsregister sowie eine neue Geschäftsadresse der GmbH eingetragen werden. Unter Bezugnahme auf diese Handelsregistereintragung wäre es ihm möglich gewesen, bei jedem Notar einen Kaufvertrag über die Immobilie abzuschließen.

Beispiel 2:

Um die Hürden eines Verkaufes zu verringern, könnte „Dr. Estevi“ als Geschäftsführer der GmbH auch einfach eine hohe Briefgrundschuld im Grundbuch eintragen lassen. Der Grundschuldbrief wird ihm ausgehändigt. Nach §§ 41, 42 GBO kann eine Löschung nur gegen Vorlage des Grundschuldbriefes erfolgen. Bis die Gesellschaft die Vorgänge bemerkt, ist „Dr. Estevi“ mit dem Grundschuldbrief längst im Ausland. Diese Grundschuld wirkt wie ein Computervirus. Damit ließe sich durchaus eine Entschädigung für die Rückgabe des Briefes erpressen.

Aber auch Gesellschaften, die sich selbst in unseriöse Geschäfte begeben wollen, würden von den vorgeschlagenen Vereinfachungen durchaus profitieren:

Beispiel 3:

Die X-GmbH leidet unter zunehmenden Verlusten. Der Gesellschafter und Geschäftsführer X möchte „aus der Schusslinie“ und sein Amt als Geschäftsführer niederlegen. Das Registergericht lehnt jedoch die entsprechende Eintragung ab, weil sie rechtsmissbräuchlich erfolgt sei.[21] Eine Gesellschaft braucht eben mindestens einen Geschäftsführer. Kurz entschlossen entwendet X seiner Tante, der 85jährigen T, ihre Signatureinheit, deren Zugangscode ihm bekannt ist und meldet sie als neue Geschäftsführerin an. Das Registergericht nimmt die Eintragung vor. Schon bald bekommt T äußerst unangenehme Post vom Finanzamt, vom Insolvenzgericht und von anderen Institutionen.

Die Beispiele sind, wie gerade ein Blick in das Vereinigte Königreich zeigt, nicht theoretisch. Dort wurden schon vor Jahren die durch identity fraud verursachten Schäden auf 50 Millionen britische Pfund pro Jahr geschätzt.

Auch in einem weiteren Punkt ist die vorgesehene Regelung kritikwürdig: Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB ist nicht nur die Anmeldung ist in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Auch die Vollmacht zur Anmeldung bedarf der öffentlichen Beglaubigung. Auch diese Vorschrift würde gegen Art. 13i Abs. 1 verstoßen. Danach darf auch der Vertreter nicht mehr verpflichtet werden, persönlich vor einer zuständigen Behörde oder einer sonstigen Person oder Stelle zu erscheinen. Diese Regelung ist wohl so zu verstehen, dass der Vertreter seine Vollmacht nur noch z.B. als PDF-Datei einreicht.

Damit würde jegliche Kontrolle verloren gehen und ein weiterer althergebrachter Grundsatz des deutschen Rechts wäre aufzugeben: Nach §§ 171, 172 BGB wird das Bestehen einer Vollmacht nachgewiesen durch Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original bzw. – bei notariell beurkundeten Vollmachten – in Ausfertigung (§ 47 BeurkG). Die Vorlage eines Originals oder einer Ausfertigung scheidet aber im elektronischen Rechtsverkehr aus (jedenfalls bis rechtssichere Lösungen gefunden werden). Es genügt daher, dass der Notar bestätigt, dass ihm Original bzw. Ausfertigung vorlagen. Dann ist auch eine entsprechende Abschrift tauglich.

Das kann aber ein Vertreter ohne Zwischenschaltung des Notars nicht erreichen. Dann würde vielmehr zwangsläufig eine einfache Abschrift genügen, was insgesamt die Missbrauchsgefahr deutlich erhöhen würde:

Beispiel 3a:

Der Geschäftsführer X kann die Signatureinheit der Tante T nicht erreichen bzw. kann den Zugangscode nicht erfahren. Mit Hilfe einfachster EDV-Technik erstellt er daher eine Vollmacht, mit der er sich selbst ermächtigt, die Tante T als Geschäftsführerin zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Dazu verwendet er eine normale Word-Datei, in die er als Grafik die anderweitig gescannte Unterschrift der T hineinkopiert. Um daraus eine PDF-Datei zu erstellen, bedarf es nicht mal eines Ausdruckes. Wieder meldet X, legitimiert durch die Vollmacht und ohne irgendwelche weiteren Daten der T nachweisen zu müssen, diese als neue Geschäftsführerin an. Wieder bekommt T bald äußerst unangenehme Post vom Finanzamt, vom Insolvenzgericht und von anderen Institutionen.

Auch der Deutsche Notarverein sieht die Bemühungen um eine Vereinfachung des Registerrechts durchaus positiv. Solche Vereinfachungen für Gesellschaften, ihre Geschäftsführer und Gesellschafter dürfen jedoch nicht auf Kosten der Vertragspartner dieser Gesellschaften sowie der Rechtsordnung gehen.

 

Vorschlag:

In Art. 13i sollte klargestellt werden, dass der Einreichende sich nach Art. 13b identifizieren muss. Art. 13b Abs. 2 sollte nur sichere Identifikationen erlauben, einfache Scans von Ausweisen sind jedenfalls nicht ausreichend.

 

Darüber hinaus halten wir Art. 13i Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 13b Abs. 4, wonach nur bei konkretem Betrugsverdacht das Erscheinen des Antragstellers bei einer entsprechenden Stelle vorgeschrieben werden kann, für zu eng. Dieselbe Regelung müsste auch für Fälle gelten, die Zweifel an der Wirksamkeit der Anmeldung oder der auf ihrer Grundlage erfolgten Eintragung begründen. Dazu gehören z. B. Zweifel an der Geschäftsfähigkeit. Die Regelungen müssten also in allen Fällen anwendbar sein, in denen zwingende Gründe des Allgemeininteresses eine Anwesenheit bei einer entsprechenden Stelle gebieten.

 

Vorschlag: 

Art. 13i Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 13b Abs. 4 sollte auf Fälle erweitert werden, in denen Zweifel an der Wirksamkeit der Anmeldung oder der auf ihrer Grundlage erfolgten Eintragung bestehen.

 

V. Zweigniederlassungen

Der Richtlinienentwurf befasst sich in seinen Artikeln 28a bis 28c mit Zweigniederlassungen der in Anhang II genannten (Kapital)Gesellschaften. Art. 28a betrifft die Onlineeintragung von Zweigniederlassungen. Die Richtlinienbegründung führt hierzu lediglich aus, dass mit Art. 28a die Onlineeintragung von Zweigniederlassungen ähnlich der für Gesellschaften eingeführt wird. Tatsächlich entsprechen Art. 28a Abs. 1 und 2 weitgehend Art. 13f Abs. 1 und 2. Kern der Regelung ist wieder die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines Verfahrens, das „vollständig online durchgeführt werden kann, ohne dass der Antragsteller oder sein Vertreter persönlich vor einer zuständigen Behörde oder einer sonstigen mit der Bearbeitung der Anträge auf Eintragung betrauten Person erscheinen muss.“ Die grundsätzliche Kritik an dieser Vorgehensweise, ihren Missbrauchsmöglichkeiten und der hiermit einhergehenden Verluste an Verlässlichkeit und Transparenz haben wir bereits bei unseren Einwänden gegen die Regelung in Art. 13f Abs. 1 vorgetragen. Sie soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden, gilt aber in derselben Weise.

 

1. Legaldefinition der Eintragung bei Zweigniederlassungen missverständlich

Begrifflich irritiert, dass in Art. 13a Abs. 3 der Begriff der „Eintragung“ legaldefiniert wird als „die Bildung einer Gesellschaft als juristische Person“ (siehe bereits oben unter I. 2.). Das passt auf die Eintragung einer Zweigniederlassung nicht, denn hiermit wird keine Gesellschaft als juristische Person gebildet. Die Begriffsbestimmung in Art. 13a Abs. 3 ist ohnehin sprachlich und inhaltlich verwirrend. Möglicherweise wollte der Entwurfsverfasser der Eintragung damit konstitutive Wirkung für die Entstehung der Gesellschaft geben. Dann stellt die Bestimmung aber einen Eingriff in das materielle Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten dar, der kompetenzrechtlich nicht gedeckt sein dürfte. Die Definition sollte einfach weggelassen werden, weil der Begriff der Eintragung selbsterklärend sein dürfte.

 

Vorschlag:

Art. 13a Abs. 3 sollte gestrichen werden.

 

2. Mitwirkung der Notare bei Eintragungen der Zweigniederlassung

Auffällig ist, dass sich in Artikel 28a keine dem Art. 13f Abs. 4 entsprechende Regelung findet, insbesondere findet Art. 13f Abs. 4 lit. e) keine Entsprechung. Danach können die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Regelungen „Verfahren für die Einführung der Rolle eines Notars oder jeder anderen vom Mitgliedstaat mit der Einreichung eines Antrags auf Eintragung beauftragten Person oder Stelle“ umfassen. Offenbar soll dies nach dem Willen des Verordnungsgebers für die Online-Eintragung von Zweigniederlassungen nicht gelten. Eine Begründung für diese unterschiedliche Behandlung der vergleichbaren Sachverhalte bleibt der Richtlinienentwurf schuldig. Er nimmt damit den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Sachkunde und Sachnähe des Notarberufs zu nutzen, um eine Filterfunktion bei Onlineanträgen zu erfüllen. Damit hätten die Handelsregister die ihnen online von den Unternehmen übersandten Anträge auf Eintragung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften selbst oder eben gar nicht zu überprüfen, sondern ungeprüft einzutragen (siehe bereits oben IV. 1.). Zwar erwähnt Art. 28a Abs. 5 „eine nach den nationalen Rechtsvorschriften mit der Einreichung des Antrages beauftragte Person oder Stelle“. Damit kann möglicherweise auch ein Notar oder eine Notarin gemeint sein, irgendwelche Prüfungs- oder Verfahrenskompetenzen, die über die Prüfung der Vollständigkeit der erforderlichen Schriftstücke und Angaben hinausgehen, sollen dieser Person aber wohl eher nicht zukommen.

Die Regelungen des Entwurfes zu Zweigniederlassungen werden dazu führen, dass Zweigniederlassungen in jedwedem Mitgliedstaat nahezu stets einzutragen sind, wenn eine Gesellschaft bereits in einem mitgliedstaatlichen Register eingetragen ist, obwohl die Register gerade nicht gleichwertig sind. Letztlich werden hierdurch alle Register an Aussagekraft und Verlässlichkeit verlieren. Es ist ein Race to the Bottom zu erwarten, bei dem sich die Standards des am wenigsten aussagekräftigen Handelsregisters, das die geringsten Verfahrens­anforderungen stellt, durchsetzen werden. Diese Entwicklung kann eigentlich auch von der EU-Kommission nicht gewollt sein.

Art. 28b, der die Online-Einreichung für Zweigniederlassungen betrifft, ist weitgehend Art 13i für die Online-Einreichung durch Gesellschaften nachgebildet. Wieder geht es vor allem darum, dass es dem Antragsteller oder seinem Vertreter erspart bleibt, persönlich vor einer zuständigen Behörde oder einer sonstigen mit der Bearbeitung der Anträge auf Eintragung betrauten Person zu erscheinen. Auf die Ausführungen zu Art. 13i wird verwiesen.

 

Vorschlag:

In Art. 28a ff. sollte entsprechend Art. 13f Abs. 4 klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten die Beteiligung von Notaren auch bei Handelsregisteranmeldungen von Zweigniederlassungen verpflichtend vorsehen dürfen.

 

Bei Artikel 28c geht es um die Aufhebung von Zweigniederlassungen. Es ist sicherlich folgerichtig, wenn der Richtliniengeber sich nicht nur mit der Eintragung von Zweigniederlassungen befasst, sondern auch über die Aufhebung der Zweigniederlassung nachdenkt. Der Entwurf beschränkt sich an dieser Stelle auf einen Informationsaustauch zwischen dem Register des Mitgliedstaates, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, und dem Register des Mitgliedstaates, in dem die Zweigniederlassung eingetragen ist. Dies mag für die Löschung einer Zweigniederlassung ausreichend sein, wenn der Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, über ein zuverlässiges Registersystem verfügt und die technischen Voraussetzungen für den länderübergreifenden Informationsaustausch gegeben sind; in anderen Fällen ist dies nicht ausreichend.

 

VI. Informationsanforderungen, Art. 13e

Ein Beleg dafür, dass auch nach Auffassung der Europäischen Kommission Muster nicht alles leisten können, ist Art. 13e des Entwurfs.

Die Anforderungen an die Detaillierung sind unklar. Was gehört etwa zum „Betrieb“ einer „Online-Gesellschaft“? Schon das Wort „Betrieb“ lässt eher an eine technische Einrichtung wie z. B. eine Zentralheizung denken. Warum müssen neben den Mustern noch die „Anforderungen“ für ihre Verwendung und Informationen über ihre „Inhalte“ online zugänglich gemacht werden? Was sind die „Befugnisse und Zuständigkeiten des Verwaltungsorgans, des Leitungsorgans und des Aufsichtsorgans“? Wie bildet man online die Rechtsprechung zur Treupflicht, „Holzmüller“, „Gelatine“, zum „existenzvernichtenden Eingriff“, zu den Fällen „Siemens/Nold“ oder „Frosta“ ab? Was sind „Einzelheiten zu den ‚Rechten und Pflichten‘ der Aktionäre“ (unter besonderer Berücksichtigung von ARAG/Garmenbeck)?

Vor allem: Wer hält diese Informationen aktuell und was kostet das? Lassen sich die Kosten von Informationen, die das eigene Staatsvolk nicht braucht, im Sinne des Art. 13c „diskriminierungsfrei“ auf ausländische Nutzer umlegen?

Hiernach haben die Mitgliedstaaten letztlich auf Kosten des Steuerzahlers ein Großlehrbuch des Gesellschaftsrechts zur Verfügung zu stellen. Auch hier scheint ein Vorverständnis dergestalt zugrunde zu liegen, dass Gesellschaftsrecht nichts anderes ist als eine Betriebsanleitung, die etwas länger ist als die eines Staubsaugers.

 

Vorschlag:

Art. 13e ist zu streichen.

 

B. Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen

 I. Zur Gesetzgebungstechnik

1. Terminologie

a) Begriffsbildung beim Formwechsel

Der Vorschlag verwendet für den Formwechsel in Art. 86a ff. den Begriff „Umwandlung“ bzw. in der englischen und der französischen Version „conversion“. Diese Terminologie ist missverständlich und führt (dazu siehe näher unter II.) den Europäischen Gesetzgeber in Art. 86s Abs. 1 Nr. 1 rechtsdogmatisch in die Irre. Von dem Begriff der Umwandlung ausgehend sieht der Vorschlag im Formwechsel einen Vermögensübergang durch Gesamtrechtsnachfolge von einem auf einen anderen Rechtsträger. Das entspricht der deutschen Dogmatik der Umwandlungsgesetze 1969 und 1934 (sog. „übertragende Umwandlung“), ist jedoch rechtstechnisch überholt.

Der Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaften wurde jedenfalls in Deutschland seit jeher nicht als „übertragende Umwandlung“, sondern als bloßer Wechsel des Rechtskleids bei gleicher Rechtsträgeridentität begriffen (vgl. das bis zum D-UmwG 1994 geltende Kapitalerhöhungsgesetz für GmbH bzw. das AktG in der damals geltenden Fassung für AG). Auch die Rechtsprechung des EuGH, die Anlass zu diesen Teilen des Richtlinienvorschlags gab, orientiert sich am modernen Verständnis der Rechtsträgeridentität beim Formwechsel. Folge eines Formwechsels ist daher nicht ein Übergang von Rechtstiteln ex lege, sondern nur die Notwendigkeit, den Rechtsinhaber mit seiner neuen Firma und Rechtsform zu verlautbaren. Darin liegt für den Rechtsverkehr eine erhebliche Vereinfachung. Die Vorteile des modernen Verständnisses vom Formwechsel sollte der europäische Normgeber nicht aufgeben. Das sollte auch in der Terminologie zum Ausdruck kommen.

Wir schlagen daher die oben genannte am deutschen Umwandlungsrecht angelehnte Begriffsbildung vor.

 

Vorschlag:

Die Begriffe in der RL (EU) 2017/1132 sollten wie folgt gebildet werden:

  • Umwandlung ist der Oberbegriff (englisch und französisch „conversion“), der alle durch die RL (EU) 2017/1132 geregelten Maßnahmen der Umstrukturierung erfasst.
  • In den Art. 86a ff. sollte der Begriff des „Formwechsels“ verwendet werden. Bei den weiteren Umwandlungsarten (Verschmelzung und Spaltung) bedarf es keiner Änderung.
  • Die entsprechende englische bzw. französische Bezeichnung der Unterarten der „conversion“ wäre, angelehnt an die jeweilige nationale Terminologie: „merger, division, re-registration“ „fusion, scission, transformation“.

 

Im Folgenden sprechen wir entsprechend unserem Vorschlag statt von „grenzüberschreitender Umwandlung“ von „grenzüberschreitendem Formwechsel“. Mit „Umwandlung“ meinen wir hier die Gesamtheit von Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel.

 

b) Formwechsel und Kapitalschutzrecht

Das moderne Verständnis des Formwechsels bedeutet allerdings nicht, dass aus der Sicht des Zuzugsmitgliedstaates der „Zuzug“ aus dem Wegzugsmitgliedstaat funktional etwas anderes wäre, als wenn der Rechtsträger im Zuzugsmitgliedstaat nach dessen Gründungsvorschriften gegen Sacheinlagen gegründet worden wäre. Der grenzüberschreitende Formwechsel ist kein Opt-out aus dem Titel I Kapitel IV der RL (EU) 2017/1132 (Art. 44-86). Art. 86p Abs. 1 Unterabsatz 2 des Entwurfs stellt dies sicher.

Hierzu folgende Anregungen:

Vorschlag:

197 Sätze 2 und 3 D-UmwG sollten an Art. 86p Abs. 1 Unterabsatz 2 angefügt werden, wobei man anstelle von „Aufsichtsrat“ besser „Aufsichts- oder Verwaltungsorgan“ sprechen sollte. Anstelle der Verweisung auf § 31 D-AktG sollte man klarstellen, dass im Fall von Mitbestimmung auf Unternehmensebene zunächst nur Anteilseignervertreter in Mindestzahl zu bestellen sind.

 

Zum zweiten wäre eine Harmonisierung der nationalen Gründungsvorschriften in folgendem Punkt für die Praxis hilfreich.

Aus der Sicht des Zuzugsmitgliedstaats ist der Formwechsel stets eine Sachgründung. Die Registerbehörde hat daher schon nach Art. 44-86 RL (EU) 2017/1132 zu prüfen, ob ein Überschuss der Aktiva über die sonstigen Passiva mindestens in Höhe des Nennkapitals vorhanden ist. Hierbei muss zwangsläufig auf Unterlagen zurückgegriffen werden, die sich auf einen in der Vergangenheit liegenden Stichtag beziehen (z. B. einen Jahres- oder Zwischenabschluss oder eine betriebswirtschaftliche Auswertung). Ein einheitlicher Stichtag wäre hier außerordentlich zweckmäßig. Ob man, was sich rechtssystematisch anbieten würde, auf den Stichtag nach Art. 86s zurückgreift, mag dahinstehen. Dagegen spricht, dass dann fast ein ganzes Geschäftsjahr unberücksichtigt bliebe. Denkbar wären Unterlagen zur Werthaltigkeit, die nicht älter als sechs Monate sein dürfen, gerechnet rückwärts vom Tag der Einreichung der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen bei der Anmeldung des Formwechsel im Zuzugsmitgliedstaat.

Überhaupt empfiehlt sich eine Klarstellung, dass von den Beteiligten einzuhaltende Fristen mit Einreichung der betreffenden Unterlagen bei der jeweils zuständigen Registrierungsbehörde gewahrt sind, nicht erst mit deren Entscheidung.

 

2. Nummerierung der neuen Richtlinienartikel

Schon die im Jahr 2017 erfolgte Neubekanntmachung der über fast 50 Jahre entstandenen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien in der Richtlinie (EU) 2017/1132 ist sehr zu begrüßen. Sie erleichtert den Zugang der Praxis zum Recht.

Dass die Neuregelung ihren Standort in dieser Richtlinie haben wird, ist konsequent und ebenfalls zu begrüßen. Mit diesem Lob verbinden wir die Hoffnung auf eine Neunummerierung der Artikel. Diese erneute Neubekanntmachung der RL (EU) 2017/1132 ist der Praxis zumutbar. Gut ein Jahr nach ihrer Bekanntmachung hat sich die Artikelzählung der Richtlinie noch nicht in den Köpfen der Praktiker festgesetzt. Die Regeln zum grenzüberschreitende Formwechsel sollten ihren Standort allerdings nach der grenzüberschreitenden Spaltung erhalten (dazu näher sogleich).

 

Vorschlag:

  • Statt Buchstabenartikel (z. B. Art. 86a ff. und Art. 160a ff.) einzufügen, sollte die RL (EU) 2017/1132 neu nummeriert werden.
  • Die Regeln zum grenzüberschreitenden Formwechsel sollten systematisch nach der grenzüberschreitenden Spaltung geregelt werden.

 

3. Durchbruch zur Kodifikation

 In der Einfügung der Vorschriften des Richtlinienvorschlags in die bestehende RL (EU) 2017/1132 liegt die Chance eines Durchbruchs zur Kodifikation. Es wird möglich, Vorschriften, die für alle Arten grenzüberschreitender Umstrukturierung gelten, in einem „Allgemeinen Teil“ „vor die Klammer zu ziehen“. Denkbar erscheint dies u. a. für folgende Bereiche:

  • Anwendungsbereich (Gesellschaftsarten, aufgelöste oder insolvente Rechtsträger)
  • Ablauf der Umstrukturierung
    • Aufstellung eines Plans
    • Bekanntmachung des Plans
    • Bericht über die Umstrukturierung
    • Prüfung der Umstrukturierung
    • Offenlegung
    • Beschluss der Anteilsinhaber
    • Minderheitenschutz
    • Gläubigerschutz
    • Vorabbescheinigung
    • Eintragung und Wirksamkeit
  • Beteiligung der Arbeitnehmer

Noch ambitionierter, aber möglich wäre ein dreifach gegliederter Allgemeiner Teil, der in einem ersten Abschnitt das Anwendungsgebiet regelt, sodann die gemeinsamen Vorschriften der früheren Verschmelzungs- und Spaltungsrichtlinie vor die Klammer zieht und in einem dritten Teil die allgemeinen Sondervorschriften für grenzüberschreitende Vorgänge enthielte. Als Besondere Teile schlössen sich sodann das Recht der Verschmelzung, der Spaltung und des Formwechsels (zur Terminologie siehe oben 1. a)) an, jeweils gegliedert nach nationalen und transnationalen Vorgängen. Der grenzüberschreitende Formwechsel gehört, wie auch – soweit ersichtlich – in den nationalen Kodifikationen der Mitgliedstaaten an den Schluss und nicht an den Anfang des Besonderen Teils.

Ein solches Vorgehen würde der Praxis mehr Orientierung bieten und ermüdende Wiederholungen vermeiden. Insbesondere würde ein Allgemeiner Teil für eine einheitliche Rechtsprechung zu allgemeinen Fragen des Umstrukturierungsrechts sorgen. Das wiederum würde die schon durch den Binnenmarkt vorgegebene im Grundsatz einheitliche Behandlung nationaler und transnationaler Vorgänge stärker zur Geltung bringen. Im Ergebnis würde die Akzeptanz europäischen Gesellschaftsrechts im Besonderen und damit der Europäischen Union im Allgemeinen erhöht.

Insbesondere sollte die Missbrauchsklausel ihren Standort im Allgemeinen Teil des Umwandlungsrechts haben, wenn man sie nicht wegen ihrer überragenden Bedeutung als Korrektiv gesellschaftsrechtlicher Privatautonomie in eine Allgemeinen Teil der RL (EU) 2017/1132 einfügt, etwa zusammen mit Vorschriften über deren Anwendungsbereich.

Sofern die oben genannten Regelungsbereiche in einem Allgemeinen Teil verankert werden und für alle grenzüberschreitenden Umwandlungsarten gleichermaßen gelten, wird auch das Risiko des Ausweichens auf eine andere Umwandlungsart verringert, die allein wegen unterschiedlicher Regelungen geschieht. Denn sofern eine bestimmte Umwandlungsart – wie nach dem bisherigen Entwurf die grenzüberschreitende Verschmelzung – für Gesellschaften deshalb vorteilhafter ist, weil die Schutzvorschriften für weitere Beteiligte geringer sind, werden Gesellschaften in der Praxis diese für sie vorteilhaftere wählen. Der bei den anderen Umwandlungsarten normierte Schutz für die weiteren Beteiligten steht dann zwar auf dem Papier, ist aber nicht effektiv wirksam.

 

Vorschlag:

Den Regelungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungen sollte ein allgemeiner Teil vorangestellt werden. In diesem allgemeinen Teil könnten die alle Umwandlungsarten betreffenden Vorschriften gleichsam vor die Klammer gezogen und für alle Umwandlungsarten einheitlich geregelt werden. Dies sollte auch für die Missbrauchsklausel gelten.

 

II. Einzelvorschriften

 Die nachfolgenden Ausführungen folgen der Systematik des Entwurfs. In zahlreichen Fällen beziehen sich Ausführungen zu einer Umwandlungsart naturgemäß auch auf nahezu wortgleiche Vorschriften zur anderen Umwandlungsart (was durch die Einfügung eines Allgemeinen Teils vermieden werden könnte, siehe oben). In solchen Fällen verweisen wir einfach von hinten nach vorn.

 

1. Grenzüberschreitender Formwechsel

 a) Anwendungsbereich, Art 86a Abs. 1, Art. 86b Nr. 1, Art. 86c Abs. 2

 aa) Nur Kapitalgesellschaften?

 Der Vorschlag folgt dem allgemeinen auf Kapitalgesellschaften (ohne die SE) beschränkten Anwendungsbereich der RL (EU) 2017/1132, Anlage II. Dies ist bedauerlich. Es sollte klargestellt werden, dass auch eine SE an einer solchen Maßnahme beteiligt werden kann. Zur Kommanditgesellschaft auf Aktien siehe oben Teil A. I. 5.

Der Formwechsel einer deutschen SE in eine ausländische Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform erfordert nach wie vor zwei Schritte: In einer Variante ist zuerst eine Sitzverlegung nach Art. 8 SE-VO in den Zuzugsmitgliedstaat und sodann ein Formwechsel nach dessen nationalem Recht durchzuführen. In der anderen Variante erfolgt der Formwechsel zunächst nach nationalem Recht des Wegzugsmitgliedstaates und sodann der grenzüberschreitende Formwechsel. Das verdoppelt die Kosten. Warum soll das nicht in einem Schritt als grenzüberschreitender Formwechsel der SE möglich sein?

Zum anderen entspräche es der Linie des EuGH, insbesondere in der Rechtssache SEVIC, die durch den Vorschlag nicht eingeführte, sondern nur ausgestaltete Mobilität aller Handelsgesellschaften im Sinne des AEUV für alle diese Gesellschaften zu regeln und damit einem rechtssicheren Regime zu unterwerfen. Auch Personengesellschaften, Genossenschaften und Versicherungsvereinen aG sollten diese Gestaltungsmöglichkeiten offenstehen.

Man mag dagegen einwenden, dass Personengesellschaften grenzüberschreitende Mobilität durch Anwachsungsmodelle erreichen können, etwa wie folgt:

Beispiel:

A, B und C sind Gesellschafter einer deutschen OHG. Sie wollen diese auf eine französische Gesellschaft verschmelzen bzw. in eine solche umwandeln. Derzeit wird dies so bewerkstelligt, dass in einem ersten Schritt beteiligungsidentische Verhältnisse am Zielrechtsträger sichergestellt werden, dieser sodann der OHG als weiterer Gesellschafter beitritt und dann die bisherigen Gesellschafter aus der OHG ausscheiden.

 

Das Ergebnis entspricht dem eines grenzüberschreitenden Formwechsels bzw. einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zwar weitgehend, aber nicht ganz. Die Vorteile einer rückwirkenden grenzüberschreitenden Verschmelzung/Spaltung nach Art. 122a Abs. 1 bzw. Art 160f Abs. 1 werden den nicht erfassten Handelsgesellschaften versagt. Das verstößt gegen das Diskriminierungsverbot. Eine grenzüberschreitende Spaltung ist diesen Rechtsträgern zudem nur durch Einzelübertragung von Aktiva und Passiva möglich. Das erfordert aufwendig einzuholende Zustimmungen Dritter.

Eine auf die EuGH-Rechtsprechung gestützte grenzüberschreitende Spaltung einer Personengesellschaft birgt, selbst wenn sie mit den beteiligten Registern abgesprochen ist, immer das Risiko, dass mangels einer gesetzlichen Grundlage für den Vermögensübergang kein Vermögen wirksam mit dinglicher Wirkung übertragen worden ist.

Der Kommission ist zuzugeben, dass die RL (EU) 2017/1132 insgesamt nur Kapitalgesellschaften betrifft. Rechtssystematische Erwägungen sprechen daher gegen eine punktuelle Erstreckung ihres Anwendungsbereichs. Unser Petitum ist jedoch durch Bedürfnisse der Rechtspraxis begründet und bleibt daher bestehen, gegebenenfalls als Gegenstand eines weiteren Company Law Package.

 

bb) Ausschluss aufgelöster Rechtsträger

 Der generelle Ausschluss aufgelöster Rechtsträger vom Formwechsel in Art. 86c Abs. 2 lit. a) geht zu weit. Man sollte aufgelöste Rechtsträger nur vom grenzüberschreitenden Formwechsel ausschließen, wenn ihre Fortsetzung nicht mehr beschlossen werden könnte. Der Richtlinienvorschlag setzt voraus, dass ein solcher Fortsetzungsbeschluss nicht nur möglich ist, sondern bereits wirksam geworden sein muss. Das kostet insbesondere dann unnötige Zeit, wenn die Eintragung dieses Beschlusses im Register konstitutiv ist (so leider im deutschen Aktienrecht). Das behindert den Einsatz grenzüberschreitender Umwandlungsmaßnahmen zu Sanierungszwecken.

 

Vorschlag:

Art. 86c Abs. 2 lit. a) sollte wie folgt gefasst werden:

„a)     für die Gesellschaft wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet; dies gilt auch für ein Abwicklungs- oder Auflösungsverfahren, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr beschlossen werden kann;“

 

b) Missbrauchsklausel, Art. 86c Abs. 3

 Grundsätzlich ist eine Missbrauchsklausel zu begrüßen, stellt diese doch einen Paradigmenwechsel im bisherigen Narrativ der Europäischen Kommission dar. In der jetzigen Formulierung ist die Klausel jedoch für die sie anwendbaren Behörden schwer zu handhaben und bietet damit auch den betroffenen Gesellschaften nicht die erforderliche Rechtssicherheit.

 

aa) Erweiterung des Anwendungsbereichs erforderlich

Die Beschränkung der Missbrauchsklausel auf grenzüberschreitende Formwechsel und grenzüberschreitende Spaltungen ist systematisch verfehlt und verführt zu Umgehungskonstruktionen. Schon nach geltendem Recht hat man oft statt des trotz „VALE“ nicht 100% rechtssicheren grenzüberschreitenden Formwechsels eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine im Zuzugsstaat eigens gegründete Mini-Kapitalgesellschaft gewählt. Die Bedeutung dieses Modells wird durch eine derart beschränkte Missbrauchsklausel zunehmen.

Zudem stellen sich Missbrauchsfragen auch bei Gründungen und Kapitalmaßnahmen. Gründungen können als Auffanggesellschaften konzipiert sein, um sich gezielt unliebsamer Gläubiger oder Arbeitnehmer über eine (evtl. auch masselose) Insolvenz zu entledigen. Kapitalmaßnahmen können dem Hinausdrängen von Minderheitsgesellschaftern dienen.

 

Vorschlag:

Die Missbrauchsklausel sollte auf die gesamte RL (EU) 2017/1132 erstreckt werden.

 

bb) Handhabbarkeit

Kritik üben wir weiter an der Formulierung „nach Prüfung des betreffenden Falles und unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände“ („after an examination of the specific case and having regard to all relevant facts and circumstances“). An sich ist der gesamte Satzteil redundant, da ein rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichteter EU-Mitgliedstaat (und das sind ex lege alle) einen solch weitreichenden Eingriff in die Grundfreiheiten der Europäischen Verträge nur nach einer solchen Prüfung vornehmen wird. Die Betonung der Rechtsstaatlichkeit hier verführt zu einem Umkehrschluss bei anderen Verfahren und ist daher nicht ungefährlich. Unklar ist weiter, was der Unterschied zwischen „Tatsachen“ und „Umständen“ sein soll. Ein solcher ist nicht erkennbar. „Facts and circumstances“ sind nur ein suggestiver Pleonasmus ohne juristischen Erkenntniswert. Die Anspielung an Edward Elgars „Pomps and Circumstances“ erfreut allerdings mit Blick auf die schon von Jacob Grimm behandelte „Poesie im Recht“.

Kaum justiziabel sind auch die Begriffe „künstliche Gestaltung“ bzw. „artificial arrangement“ sowie „unrechtmäßig“ bzw. „undue“.

„Artificial Arrangement“ hat zwar der EuGH in der Rechtssache Cadbury/Schweppes argumentativ zur Falllösung verwendet.[22] Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Topos ein geeigneter unbestimmter Rechtsbegriff ist. Fangen wir beim Wortsinn an. „Künstlich“ ist schon die juristische Person an sich. Zumindest der Berichterstatter hat noch keine im zoologischen Garten gesehen. Jede Umstrukturierung ist in diesem Sinne eine „künstliche Gestaltung“. Gemeint sind nach der Intention der Norm vermutlich Gestaltungen, die nur darauf abzielen, Steuervorteile zu erzielen oder Arbeitnehmer, Gläubiger oder Minderheitsgesellschafter zu benachteiligen und für die sonst kein objektiv nachvollziehbarer Grund besteht. Der Begriff suggeriert also ein außerrechtliches Unwerturteil. Sein juristischer Erkenntniswert tendiert gegen Null.[23] Er dürfte daher im Zusammenhang mit der Missbrauchsklausel entbehrlich sein.

Auch der Begriff „unrechtmäßig“ ist problematisch. Zunächst trifft die deutsche Übersetzung aus unserer Sicht nicht das aus unserer Sicht intendierte Ziel. Unrechtmäßig ist das Gegenteil von rechtmäßig, also rechtswidrig. Ein zivilrechtlich erlaubter Formwechsel kann steuerlich aber nicht rechtswidrig sein. Offenbar sollen mit der Norm auch Fälle erfasst werden, die zwar rechtmäßig sind, mit denen aber steuerlich „getrickst“ wird. Die Norm wäre insofern vergleichbar mit der steuerrechtlichen Generalklausel des § 42 AO. Passender wären daher aus unserer Sicht Begriffe wie „ungerechtfertigt“, „nicht gerechtfertigt“ oder (in Anlehnung an § 42 AO) „rechtlich unangemessen“.

Allerdings liegt das eigentliche Problem der Regelung jenseits von Übersetzungsfragen in der Grundkonzeption als generalklauselartige Missbrauchsnorm. Damit wird das Tor für außerrechtliche subjektive Wertungen weit aufgestoßen.

Beispiel 1:

Mit Billigung der Europäischen Kommission führt ein Mitgliedstaat weitreichende Vergünstigungen für Produktionsunternehmen ein. Diese beinhalten auch Steuervorteile (etwa durch Sonderabschreibungen), die andere Mitgliedstaaten nicht gewähren. Damit soll die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit in diesem Mitgliedstaat bekämpft werden. Angelockt von diesen Bedingungen möchte sich nun ein Unternehmen mit Sitz und Geschäftsbetrieb in einem anderen Mitgliedstaat im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels dort niederlassen. Das führt natürlich im Herkunftsstaat zum Verlust von Arbeitsplätzen und zum Rückgang von Steuereinnahmen. Greift hier die Missbrauchsklausel?

Beispiel 2:[24]

U, ein Fahrzeughersteller, unterhält für die Wartung und Reparatur der Fahrzeuge Servicestationen. U unterliegt dem Tarifvertrag für das Metallgewerbe, das eine 35 Stunden-Woche vorsieht. Im Kfz-Handwerk gilt hingegen eine 38,5-Stunden-Woche. U möchte daher die Servicestationen als eigene Gesellschaft verselbständigen (hier als Ausgliederung), um durch längere Arbeitszeiten einen besseren Service anbieten zu können. Greift hier die Missbrauchsklausel?

In beiden Fällen würde der Unterzeichner davon ausgehen, dass kein Missbrauch vorliegt. Hält man sich die Urteile griechischer Gerichte gegen den früheren Leiter der griechischen Statistikbehörde vor Augen (dessen Vergehen darin liegt, die richtigen Zahlen veröffentlicht zu haben), kann man durchaus Zweifel haben, ob das überall so gesehen wird. Die Missbrauchsklausel, so notwendig diese ist, ist ein scharfes Schwert und bedarf einer unabhängigen professionellen Dritten Gewalt. Wie schnell solche rechtsstaatliche Errungenschaften verspielt werden können, hat Deutschland im 20. Jahrhundert vorexerziert. Die Bedeutung „unbegrenzter Auslegung“ mittels Generalklauseln auf dem Weg in den Unrechtsstaat gehört seit Jahrzehnten zum gesicherten Bestand rechtshistorischer Erkenntnis.

Im Rahmen der Ausführungen zur Vorabbescheinigung (unten lit. l) wird noch auf den Paradigmenwechsel für die registergerichtliche Prüfung eingegangen, der in der Missbrauchsklausel liegt.

Die Missbrauchsklausel macht in ihrer jetzigen – nicht justiziablen – Form insbesondere auch deutlich, welche „Büchse der Pandora“ man öffnet, wenn man das Gebot der Einheit von Satzungs- und Verwaltungssitz aufgibt. Es ist leider so: für eine solche Trennung ist bislang noch kein ökonomisch tragfähiger Grund vorgetragen worden. Wo auch immer man auf die Sitztrennung stößt, sie ermöglicht Gaunereien. Würde man also – dem bisherigen acquis communautaire entsprechend wie etwa in Art. 7 SE-Verordnung oder Art. 6 SCE-Verordnung – verlangen, dass sowohl Satzungs- als auch Verwaltungssitz in demselben Mitgliedstaat liegen, bedürfte es gar keiner nur schwierig zu handhabenden Missbrauchsklausel, die selbst wieder in hohem Maße missbrauchsanfällig ist.

Wenn man die Möglichkeit der Sitztrennung aufgibt, dann sollte sich jedenfalls eine Vermutungsregelung anschließen, wonach von einem Missbrauch auszugehen ist, wenn wesentliche Teile der Verwaltung oder des Betriebs des Unternehmens im Wegzugsmitgliedstaat verbleiben. Denkbar ist weiter eine Vermutung für die Missbräuchlichkeit, wenn kein Bericht nach Art. 86g vorgelegt wird.

 

Vorschlag:

§ 86c Abs. 3 sollte wie folgt gefasst werden:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde des Wegzugsmitgliedstaates den grenzüberschreitenden Formwechsel nicht genehmigt, wenn dieser überwiegend dazu dient, nach dessen Rechtsordnung ungerechtfertigte Steuervorteile zu erzielen oder die nach der Rechtsordnung des Wegzugsmitgliedstaates vorgesehenen oder vertraglichen Rechte der Arbeitnehmer, Gläubiger oder Minderheitsgesellschafter ungerechtfertigt zu beschneiden. Es wird vermutet, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel überwiegend den Zielen nach Satz 1 dient, wenn im Zuzugsmitgliedstaat keine Hauptniederlassung begründet werden soll oder ein Bericht nach Art. 86g keine aus der Sicht eines verständigen Geschäftsmanns schlüssige Begründung für die Maßnahme enthält.“

 

c) Umwandlungsplan, Art. 86d

 aa) Zeitplan

 Nach Art. 86d Abs. 1 lit. d) muss der Plan u. a. einen Zeitplan enthalten. Ein solcher Zeitplan ist jedoch grundsätzlich nicht Teil eines Rechtsgeschäfts, sondern dessen Geschäftsgrundlage. Wird ein Zeitplan nicht eingehalten, so stellt sich sofort die Folgefrage nach den Rechtsfolgen hieraus. Je nach Interessenlage wird dieser Punkt samt den Rechtsfolgen hieraus in der Praxis mitunter aufgrund der Privatautonomie im Umwandlungsrecht autonom geregelt. In den meisten Fällen ist der Zeitplan gar nicht „kriegsentscheidend“. Ein vom Gesetzgeber oktroyierter Regelungszwang liefe auf eine unnütze Fleißarbeit hinaus. In den meisten Fällen müsste sofort klargestellt werden, dass an ein Überschreiten des Zeitrahmens keine Rechtsfolgen geknüpft werden.

 

Vorschlag:

Art. 86d Abs. 1 lit. d) (vorgesehener Zeitplan) sollte gestrichen werden.

 

bb) Stichtag der Rechnungslegung

 Die Regelung in lit. g) ist Ausfluss des grundlegenden Fehlverständnisses der Wirkungen eines grenzüberschreitenden Formwechsels. Die Ursache dieses Fehlverständnisses, das dann in Art. 86s Abs. 1 lit. a) zur vollen Ausprägung kommt, liegt in der bereits oben unter I. 1. behandelten missverständlichen Terminologie.

Ein Formwechsel („transformation, re-registration“) ist nichts anderes als der Wechsel des Kleides eines Rechtsträgers, gleich ob man ihn in angelsächsischer Tradition als nexus of contracts, in französisch-gemeinrechtlicher Tradition als persona moralis oder in der Tradition Savignys als Fiktion („juristische Person“) ansieht. Plastisch kann der Formwechsel mit der Metapher eines Ehepartners, der mit der Hochzeit traditionell einen neuen Namen annimmt, aber (hoffentlich) derselbe Mensch bleibt, beschrieben werden.

Bei allen schwierigen Einzelfragen der Identitätshypothese des § 202 D-UmwG bleibt eines klar: Ein Formwechsel führt niemals zu einem Wechsel des Rechtsträgers der Aktiva und Passiva der umgewandelten Gesellschaft. Es gibt daher beim Formwechsel keinen Stichtag und keine Formwechselbilanz. Dies entspricht übrigens auch jedenfalls dem britischen, französischen, luxemburgischen und spanischen Recht, wobei letzteres die Rechtsträgeridentität gar nicht regelt, sondern als selbstverständlich voraussetzt.

Es gibt allerdings dieselben Kapitalschutzvorschriften wie bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft auch (siehe oben I. 1). Die Gläubiger des umgewandelten Rechtsträgers im Zuzugsmitgliedstaat haben dasselbe Schutzbedürfnis wie bei einer Sachgründung dieses Rechtsträgers im Zuzugsmitgliedstaat. Es ist sicherzustellen, dass das auf der Passivseite der Bilanz der umgewandelten Gesellschaft ausgewiesene Eigenkapital real durch Aktiva mindestens gedeckt ist. Dieser Nachweis kann nicht für den Zeitpunkt seiner Eintragung geführt werden, weil der Tag der Eintragung in den Händen des jeweiligen Registers liegt. Hier ist auf in der Vergangenheit liegende Daten zurückzugreifen, verbunden mit einer Plausibilitätsprüfung, dass diese Daten noch aktuell sind.

Nur insofern ist beim Formwechsel ein zurückliegender Tag der Rechnungslegung relevant. Für den europäischen Gesetzgeber bleibt nur noch zu regeln, dass dieser Stichtag dem Stichtag bei einem vergleichbaren Formwechsel nach nationalem Recht entsprechen muss.

Für das deutsche Recht müsste dies übrigens konsequent bedeuten, dass der grenzüberschreitende Formwechsel einer französischen SA in eine deutsche GmbH bei der Kapitalaufbringungsprüfung nicht anders behandelt werden dürfte als der einer deutschen AG in eine deutsche GmbH, vgl. § 245 Abs. 4 UmwG.

 

Vorschlag:

Art. 86d Abs. 1 lit. g) (Stichtag der Rechnungslegung) sollte gestrichen werden.

 

cc) Sprachklausel, Art. 86d Abs. 2

Wenn die Beteiligten in den betroffenen Mitgliedstaaten der Sprache des jeweils anderen Mitgliedstaates mächtig sind, werden grenzüberschreitende Umwandlungen typischerweise mit zwei Spalten entworfen. Beide enthalten eine gleichermaßen verbindliche Sprachfassung, so dass die Register des Wegzugs- und des Zuzugsmitgliedstaates jeweils nur „ihre“ Sprachfassung prüfen müssen.

Sind diese wechselseitigen Sprachkenntnisse nicht vorhanden, wird eine dritte Sprache als Relaissprache gewählt, derzeit meist Englisch. Dann wird dreispaltig entworfen, wobei die mittlere (englische) Spalte eine nicht verbindliche Sprachfassung („convenience translation“) darstellt. Die Verbindlichkeit der Relaissprachfassung ist weder erforderlich noch gewünscht, ginge sie doch mit der inhaltlichen Verantwortung der Entwurfsverfasser für eine Sprachfassung einher, die in keinem Fall der Muttersprache der Beteiligten bzw. der Amtssprache der jeweiligen Mitgliedstaaten entspricht. Diese Praxis hat sich mittlerweile eingebürgert, ohne dass es einer ausdrücklichen Erlaubnis hierzu bedurft hätte.

Schon aus diesem Grund ist gegen die Regelung in Art. 86d Abs. 2 Skepsis angebracht. Sie gestattet den Mitgliedstaaten, eine dritte Sprache als verbindlich zuzulassen, die in keinem beteiligten Land als Amtssprache zugelassen ist. Wozu soll das dienen? Im besten Fall ist die Regelung daher kostentreibend und sinnlos.

Zum zweiten ist nicht jede Sprache zulässig. Als unverbindliche Relaissprachen könnten theoretisch auch Französisch oder Latein gewählt werden, was in beiden Fällen den Vorteil einer im Vergleich zum Englischen ungleich höheren sprachlichen Präzision hätte. Durch die Formulierung im Vorschlag wird aber ein mehr oder minder deutliches „Nudging“ zum Englischen ausgeübt. Wenn die EU will, dass ihre Bürger und Unternehmen Englisch sprechen und schreiben sollen, dann sollte sie es auch offen sagen (siehe bereits oben unter II.). Dieses Verschleiern der wahren Absichten ist für sich schon zu kritisieren. Zudem ist dies in der Sache schon mit Blick auf den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union unangebracht und bei allem Respekt, durch die Mitgliedschaft der Irischen Republik allein nicht gerechtfertigt. Zur Wiederholung noch einmal: die relative Mehrheit der EU-Bürger spricht einen anderen germanischen Dialekt, nämlich Deutsch.

 

Vorschlag:

 Art. 86d Abs. 2 sollte gestrichen werden.

 

d) Berichte, Art. 86e und Art. 86f

 Im Rahmen der Konsultation hat sich der Deutsche Notarverein für die Möglichkeit eines Verzichts auf den Bericht über eine grenzüberschreitende Verschmelzung ausgesprochen, allerdings auf die arbeitsrechtliche Schutzfunktion dieses Berichts hingewiesen (siehe unsere Stellungnahme vom 30.6.2017, Seite 8[25]).

Mit der Aufspaltung in zwei Berichte, die man (hoffentlich) zu einem zusammenfassenden Bericht verbinden können sollte, trägt die Kommission dem Rechnung. Naturgemäß begrüßen wir das, ebenso die Möglichkeit des Verzichts in Art. 86e Abs. 3 und die Regelung in Art. 86f Abs. 5.

 

e) Prüfung, Art. 86g

 Die Vorschrift ist grundsätzlich berechtigt. Wir haben hierzu folgende Anmerkungen:

Die Fristen in Absatz 1 (zwei Monate) bzw. in Absatz 2 (fünf Arbeitstage) werden nicht immer passen. Gerade wenn die Rechte von Minderheitsgesellschaftern aufgrund eines anderen Regelungsregimes im Zuzugsmitgliedstaat nicht fugenlos überführbar sind, wird der Bericht auch darauf eingehen müssen. Dann reichen zwei Monate unter Umständen nicht aus. In einfach gelagerten Fällen ist die Frist viel zu lang, etwa wenn eine reine Zwischenholding geprüft wird, die wegen der schieren Größe der Kennzahlen nicht unter die Ausnahmeregelung des Absatzes 5 fällt.

Auch bei elektronischer Übermittlung eines Antrags auf Prüferbestellung vergeht etwa ein Tag, bis die elektronische Akte von der Geschäftsstelle des Registers zusammengestellt und in den elektronischen Posteingangskorb des Sachbearbeiters eingestellt wird. Dann bleiben nur noch vier Tage bis zur Entscheidung. Die Möglichkeit von Kostenvorschüssen, die sich bei der einen oder anderen Gesellschaft dringend empfiehlt, ist zudem abgeschnitten. Zudem sind die Rechtsfolgen eines Überschreitens der Fünf-Tage-Frist nicht geregelt. Soll dann der beantragte Prüfer als bestellt gelten? Durch solche Regelungen wird die in manchen Mitgliedstaaten durchaus steigerungsfähige Geschwindigkeit von Verfahrensabläufen nicht verbessert. Das bei solchen Bearbeitungsfristen dann notwendige Vorfiltersystem (Vorsortieren des Postkorbs) bindet vielmehr Ressourcen, die z. B. für die Eintragung der Gesellschaften von Existenzgründern ebenso benötigt werden. Hier gilt der Satz: „There ain’t no such thing as a free lunch.”

Hier empfehlen wir, auf das Eigeninteresse der Gesellschaften zu vertrauen, denen rechtzeitig mit Beginn der Ladungsfrist zur Gesellschafterversammlung ein solcher Bericht zur Verfügung stehen muss, da sonst der Zeitplan durcheinander geriete.

Zum Begriff der „künstlichen Gestaltung“ („artificial arrangement“) in Art. 86g Abs. 3 lit. b) gilt das oben zu Art. 86c Abs. 3 (Missbrauchsklausel) unter lit. b) Gesagte entsprechend. Auch das öffnet die Türen weit für außerrechtliche Wertungen.

Die Kleinbetriebslösung in Absatz 5 erfasst gerade bei Zweckgesellschaften (etwa IP-Verwertung, Vertriebsgesellschaften) oder Holdings manche Realitäten nicht zutreffend. Da bei Vorhandensein nur weniger Arbeitnehmer der Bericht einfach zu erstellen ist, besteht für eine größenklassenabhängige Ausnahme kein Bedürfnis.

 

Vorschlag:

Die Fristen in Art. 86g Abs. 1 und 2 sollten gestrichen werden.

f) Offenlegung, Art. 86h

 Art. 86h Abs. 2 schafft eine Befreiungsmöglichkeit von der Offenlegungspflicht. Diese ist schwer zu handhaben, muss doch die betreffende Gesellschaft nachweisen, dass ihre Internetseite während der gesamten Ladungsfrist einwandfrei funktionierte. Das gelingt selbst der Europäischen Kommission mit ihren Internetseiten nicht immer. Die entsprechende Prüfung überfrachtet das Register mit fachfremden Aufgaben. Das Register soll die Rechtmäßigkeit eines Vorgangs prüfen und nicht das Funktionieren einer IT-Infrastruktur während eines bestimmten Zeitraums.

Die Regelung wird daher keine praktische Bedeutung erlangen und scheint eher der Ideologie der Digitalisierung geschuldet. Zudem löst die Offenlegung in ihrer heutigen ebenfalls elektronischen Form eher geringere Kosten aus als das absolut störungsfreie Betreiben einer Website. Im Fall des Absatzes 1 hat ein neutraler Dritter die Verantwortung für das Funktionieren der Website, in den Fällen der Absätze 2 und 3 die Gesellschaft selbst. Würden die Seiten des (elektronischen) Bundesanzeigers lahmgelegt, wären die Fristen dennoch gewahrt. Kein verantwortlicher Berater wird daher zu den Absätzen 2 und 3 raten.

 

Vorschlag:

Art. 86h Abs. 2 und 3 sollten gestrichen werden. Dem Register ist schlicht der Nachweis über die Offenlegung vorzulegen.

 

g) Zustimmung der Gesellschafterversammlung, Art 86i

 Art. 86i Abs. 1 Satz 1 spricht davon, dass die Gesellschafterversammlung „in Form einer Entschließung“ beschließt, ob sie dem Plan zustimmt. Diese Übersetzung ins Deutsche ist aus unserer Sicht nicht richtig. Eine „Entschließung“ ist ein unverbindlicher Appell, der im Parlamentarismus ein politisches Signal senden soll, nach dem Motto: „Es muss etwas geschehen, ohne dass etwas passiert.“ Beruhigend hier ist der Blick in die englische Sprachfassung. Gemeint ist eine „resolution“, also ein „Beschluss“. Entsprechend sollte dieser Begriff verwendet werden; das gilt entsprechend für Art. 86m Abs. 2 c), Art. 126 Abs. 1 und Abs. 4 c), Art. 160 k Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 160o Abs. 2 c).

Art. 86i Abs. 1 Satz 2 ist entbehrlich. Im Rahmen der Vorabbescheinigung hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob der Formwechsel aus der Sicht des Wegzugsstaates ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Dazu ist der Zustimmungsbeschluss vorzulegen, ohne dass es einer ausdrücklichen Regelung bedarf.

 

Vorschlag:  

Art. 86i Abs. 1 sollte wie folgt gefasst werden:

„(1)    Nachdem die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft, die den grenzüberschreitenden Formwechsel[26] vornimmt, gegebenenfalls die Berichte nach den Artikeln 86e, 86f und 86g zur Kenntnis genommen hat, entscheidet sie in Form eines Beschlusses, ob sie dem Plan für die grenzüberschreitende Umwandlung zustimmt.“

 

Problematisch ist Absatz 3, da er in einen Wertungswiderspruch zum nationalen Recht führt. Nach deutschem Recht bedürfen Umwandlungen der Zustimmung der Inhaber von Sonderrechten. Diese Regelung, letztlich ein Ausfluss des Schutzes des Privateigentums und damit von Verfassungsrang, würde auf grenzüberschreitender Ebene ausgehebelt. Aus europäischer Sicht erforderlich und ausreichend ist vielmehr nur eine Regelung dahingehend, dass die Mehrheits- und Zustimmungserfordernisse für einen grenzüberschreitenden Formwechsel nicht über dasjenige hinausgehen dürfen, was für einen funktional vergleichbaren nationalen Formwechsel gilt.

 

Vorschlag:  

Art. 86i Abs. 3 sollte wie folgt gefasst werden:

„(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mehrheits- und Zustimmungserfordernisse, die für die Zustimmung zu einer Änderung des Plans für den grenzüberschreitenden Formwechsel notwendig sind, nicht höher sind als diejenigen, die für einen vergleichbaren Formwechsel nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats gelten.

 

Absatz 4 ist entbehrlich. Gemeint ist offenbar eine Satzungsänderung bzw. die Feststellung einer neuen Satzung, die zutreffenderweise schon nach Art. 86d lit. c) erforderlich ist. Eine gesonderte Feststellung, dass die erforderliche neue Satzung erforderlich ist, ist nicht erforderlich.

 

Vorschlag:  

Art. 86i Abs. 4 sollte gestrichen werden.

 

Absatz 5 ist aus deutscher Sicht zu begrüßen.

 

h) Gesellschafterschutz, Art. 86j

 Wir hatten uns in unserer Stellungnahme im Rahmen der Konsultation dafür ausgesprochen, ein Austrittsrecht gegen Abfindung auf europarechtlicher Ebene einzuführen.[27] Entsprechend begrüßen wir die nun in Art. 86j gefundene Regelung. Diese hat sich im deutschen Recht aus unserer Sicht bewährt. Sie gewährleistet einen angemessenen Interessenausgleich.

Im Übrigen erstreckt der Entwurf zu Recht die Norm nicht auf Gesellschafter, die trotz des Willens, auszuscheiden, für den Formwechsel stimmen, damit der Beschluss die erforderliche Mehrheit erhält. Denn in solchen Fällen treffen die Parteien im Vorfeld entsprechende Regelungen (z. B. rechtsgeschäftliche Kaufangebote seitens von Mitgesellschaftern für den Fall des Formwechsel).

 

i) Gläubigerschutz, Art. 86k

 Die Kommission nimmt sich mit anerkennenswertem Mut einer der schwierigsten Aufgaben des internationalen Umwandlungsrechts an, der Harmonisierung des grenzüberschreitenden Gläubigerschutzes. Der Regelungsansatz wirkt in sich stimmig und könnte im Prinzip funktionieren. Aus deutscher Sicht müssen wir zugestehen, dass das deutsche Prinzip des nachgelagerten Gläubigerschutzes im Umwandlungsrecht in grenzüberschreitenden Fällen schon aus prozessualen Gründen (Gerichtsstand für Klage auf Sicherheitsleistung) nicht zu angemessenen Ergebnissen führt.

Anstelle der Monatsfrist in Art. 86k Abs. 1 Satz 3 sollte die Erklärung nach Satz 1 aber stets zugleich mit der Offenlegung abgegeben werden. Das erleichtert die Prüfung durch das Register. An die Richtigkeit dieser Erklärung sollten Haftungsfolgen der Erklärenden geknüpft werden. Standort dieser Regelung könnte Art. 86t sein.

 

Vorschlag:

  • 86k Abs. 1 Satz 3 sollte wie folgt gefasst werden:

„Die Erklärung muss zugleich mit der Offenlegung des Plans für den grenzüberschreitenden Formwechsel nach Art. 86h abgegeben werden.“

  • Die Erklärenden sollten für die Richtigkeit der Erklärung gesetzlich haften.

 

Absatz 2 scheint etwas zu allgemein formuliert. Was man als „nicht zufriedenstellend erachtet“ ist eine subjektive Angelegenheit. Dieses „Erachten“ ist kaum justiziabel. Man sollte hier auf Absatz 3 rekurrieren und den objektiven Begriff des Nachteils verwenden. In Anknüpfung an § 22 D-UmwG könnte insofern von den Gläubigern verlangt werden, dass sie glaubhaft machen, dass ihnen durch den Formwechsel ein Nachteil entsteht.

 

Vorschlag:

Art. 86k Abs. 2 sollte wie folgt gefasst werden:

„(2)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gläubiger, die glaubhaft machen, dass ihnen durch den grenzüberschreitenden Formwechsel, unter Berücksichtigung der im Plan nach Artikel 86d Buchstabe f vorgesehenen Schutz ihrer Interessen, ein Nachteil entsteht, innerhalb eines Monats nach der in Artikel 86h genannten Offenlegung bei der zuständigen Verwaltungs- oder Justizbehörde angemessene Sicherheiten beantragen können.“

 

j) Mitbestimmung, Art. 86l

 Auch hier gilt das Urteil von oben lit. i). Die Regelung wirkt in sich stimmig und könnte funktionieren. Zu erwägen wäre noch eine Auffangregelung, dass Mitbestimmungsregelungen, die auf einen bestimmten Betrieb bezogen sind (betriebliche Mitbestimmung), unberührt bleiben, soweit und solange dieser Betrieb im Wegzugsmitgliedstaat fortgeführt wird, es sei denn, die Beschäftigtenzahl sinkt unter nach nationalem Recht vorgesehene Schwellenwerte.

 

k) Vorabbescheinigung, Art. 86m – Art. 86o

aa) Art. 86m

Die Regelung entspricht dem Modell der grenzüberschreitenden Verschmelzung.

Art. 86m Abs. 2 trägt dem praktischen Problem Rechnung, wie sicherzustellen ist, dass sich die Vorabbescheinigung des Wegzugsmitgliedstaates und die Entscheidung des Registers im Zuzugsmitgliedstaat auf dieselben Unterlagen bezieht. Dies hat folgenden Hintergrund: Die Entwürfe bzw. Pläne werden meist an demselben Tag den Registrierungsbehörden im Zuzugs- und im Wegzugsmitgliedstaat vorgelegt. Schon wegen des verbreiteten menschlichen Hangs zur Prokrastination sind die Fassungen meist erst in der vorausgehenden Nacht fertig geworden. Hier ist das Risiko groß, dass aufgrund von Missverständnissen die Beteiligten in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Fassungen als die endgültige ansehen. Aus der Sicht des Unterzeichners ist dies das logistische Hauptproblem einer grenzüberschreitenden Umwandlung. Der Vorschlag ermöglicht eine Prüfung auf Dokumentenidentität und ist daher im Grundsatz zu begrüßen.

Die von der Kommission gewählte Lösung ist, was die nach lit. a) und b) vorzulegenden Unterlagen betrifft, kostenneutral, da in solchen Fällen die Dokumentation typischerweise mindestens zweisprachig in den relevanten Amtssprachen erstellt wird. Auf die Beschlussniederschrift (lit. c)) muss das dagegen nicht zutreffen. Da es letztlich beim Beschluss auf die Dokumentenidentität nicht ankommt (im Zuzugsmitgliedstaat wird ein anderer Beschluss gefasst), sollte man lit. c) streichen. Dies betrifft insbesondere auch die grenzüberschreitende Verschmelzung und Spaltung.

Zu Absatz 3 verweisen wir zunächst auf die in den Ausführungen oben unter A dargestellte Möglichkeit einer elektronischen Handelsregisteranmeldung. Auch hier muss sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten die Mitwirkung von Notaren vorschreiben dürfen. Die Vorschrift enthält weiter einen Wertungswiderspruch zu Art. 13f Abs. 1 Satz 2 des unter A. behandelten Richtlinienvorschlags, jedenfalls für den Fall des grenzüberschreitenden Formwechsels in eine der in Anhang 1 der RL (EU) 2017/1132 genannten Gesellschaften. Das zutreffende Begründungsargument zu Art. 13f Abs. 1 Satz 2 (Komplexität) müsste allerdings dazu führen, Umwandlungen generell von Art. 13f Abs. 1 Satz 1 auszunehmen.

Absatz 4 enthält eine aus der Sicht der Praxis begrüßenswerte Klarstellung der Prüfungszuständigkeit.

Absatz 7 enthält wieder eine sanktionslose Frist. Das Anliegen, Verfahren zu beschleunigen, ist im Grundsatz berechtigt, lässt sich so jedoch nicht erreichen. Gerade bei grenzüberschreitenden Umwandlungen ist – jedenfalls für den Wegzugsmitgliedstaat – das Risiko hoch, dass er seine Verfahrenskosten im Ausland beitreiben muss. Man muss daher das Recht auf Kostenvorschuss wahren; Bearbeitungsfristen sollten allenfalls ab dem Zeitpunkt laufen, zu dem der Registrierungsbehörde die Zahlung der Kosten nachgewiesen sein muss. Zudem schafft eine befohlene Höchstdauer der Bearbeitung eines Falles keine zusätzlichen Kapazitäten. Diese müssen an anderer Stelle abgezogen werden, somit dauert die Bearbeitung anderer Fälle länger. Der Nutzen der Vorschrift ist daher zweifelhaft. Wichtiger ist die Klarstellung, dass eine Einreichungsfrist mit dem Eingang des Antrags beim Register als gewahrt gilt, nicht mit der Entscheidung (dazu auch oben I. 1. b).

 

bb) Art. 86n

 Zur „künstlichen Gestaltung“ in Art. 86n Abs. 1 Satz 1 und Prüfung der „relevanten Tatsachen und Umstände“ verweisen wir auf oben lit. b). Erforderlich und ausreichend dürfte die Klarstellung in Art. 86m Abs. 5 sein, dass auch die Missbrauchsklausel zum Prüfungsumfang gehört.

Gerade hier erweist sich die oben unter lit. b) behandelte Notwendigkeit, diese Missbrauchsklausel handhabbar zu machen. Zuständig für diese Prüfung ist ein Register, das in der Prüfung formaler Kriterien „sozialisiert“ wurde und dem nun die Aufgaben eines Verwaltungsgerichts mit Amtsermittlungsgrundsatz hinsichtlich des vollen Sachverhalts übertragen werden. Wir sind zwar überzeugt davon, dass unsere Registerrichter als Richter das können. Wir sind jedoch nicht überzeugt davon, dass diese Entwicklung unserem hergebrachten Handelsregistersystem dienlich ist.

 

cc) Art. 86o

 Jedenfalls aus deutscher Sicht ist die Rechtskraftfähigkeit der Vorabbescheinigung abzulehnen. Zum einen ist in Deutschland auch ohne Art. 86o ohne weiteres ein einstweiliger Rechtsschutz möglich. Denkbar ist eine einstweilige Verfügung (Leistungsverfügung) des Inhalts, dass die Gesellschaft angewiesen wird, die Vorabbescheinigung nicht an den Zuzugsmitgliedstaat weiterzugeben. Denkbar ist auch ein Aussetzungsantrag beim Register. Ist Beschlussanfechtungsklage erhoben, so bedarf es eines Freigabeverfahrens. Ob die Rechtslage in anderen EU-Staaten die Regelung erforderlich macht, entzieht sich unserer Kenntnis.

Aus der Rechtsnatur registergerichtlicher Entscheidungen ergibt sich jedoch, dass Eintragungen Bestand haben. Die Eintragung einer GmbH ist nicht beschwerdefähig, ausgenommen mit dem Ziel der Amtslöschung. Eine Vorabbescheinigung steht einer Eintragung gleich. Sie sollte daher sofort mit ihrer Bekanntgabe an den Antragsteller (= die formwechselnde Gesellschaft) in Bestands- und Rechtskraft erwachsen. Die vorher zumindest in Deutschland bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten reichen aus.

 

Vorschlag:

Art. 86o Abs. 1 Satz 2 kann aus deutscher Sicht gestrichen werden.

 

l) Verfahren im Zuzugsmitgliedstaat, Art. 86p

 Es fehlt die Klarstellung, dass das Register des Zuzugsmitgliedstaates dieselben Prüfungen vorzunehmen hat, als wäre die umgewandelte Gesellschaft nach den dortigen Regelung gegen Sacheinlagen gegründet worden. Der Gleichlauf zum allgemeinen Kapitalaufbringungsrecht nach Titel I Kapitel IV RL (EU) 2017/1132 ist zu wahren. Der grenzüberschreitende Formwechsel darf nicht zum Opt-out aus diesem Schutzsystem führen.

 

m) Eintragung, Art. 86q – Art 86r

 Die Regelungstechnik ist gelungen. Jetzt muss nur noch die Technik funktionieren und die Sprachbarriere überwunden werden.

 

n) Wirkungen des grenzüberschreitenden Formwechsels, Art. 86s

 Wie oben schon angedeutet, liegt hier die Achillesferse des gesamten Richtlinienentwurfs. Art. 86s Abs. 1 lit a) und c) geht von einem rechtsdogmatischen Fehlverständnis aus.

Während Verschmelzung und Spaltung zu einer totalen oder partiellen Gesamtrechtsnachfolge führen („transmission universelle“, so das luxemburgische Verschmelzungsrecht in der dem Französischen eigenen bewundernswerten Präzision), bleibt der Rechtsträger als Träger von Rechten und Pflichten identisch. Er wechselt nur das Rechtskleid (vgl. oben I.1. b)).

Beispiel:

Zum Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers gehört ein in Deutschland belegenes Grundstück. Nach dem Konzept des deutschen UmwG führt der Formwechsel nur zur Notwendigkeit einer – kostenfreien – Berichtigung des Namens im Grundbuch. Nach dem Konzept des Entwurfs führt der Formwechsel wegen des damit verbundenen Rechtsträgerwechsels zu einer kostenpflichtigen Grundbuchberichtigung und löst zudem Grunderwerbsteuer aus. Hat der formwechselnde Rechtsträger einen Vollstreckungstitel inne, muss nach dem Konzept des Entwurfs anstelle einer bloßen Bei-schreibung des neuen Namens die Vollstreckungsklausel auf den Rechtsnachfolger (kostenpflichtig) umgeschrieben werden.

Die Vorschriften sollen daher in Anlehnung an § 202 D-UmwG neu formuliert werden. Absatz 2 ist gänzlich entbehrlich. Vorsichtshalber sollte jedoch eine Art. 131 Abs. 3 RL (EU) 2017/1132 entsprechende Regelung aufgenommen werden. Für das deutsche Recht wäre dies zwar überflüssig, da ein Formwechsel im Grundbuch und anderen öffentlichen Registern wie eine Namensänderung vollzogen wird. Wir haben insoweit aber keinen Überblick über die Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten.

Absatz 3 ist bedauerlich und sollte auf der „Verlustliste europäischer Rechtseinheit“ gebucht werden. Da ein solcher Verlust bereits von Art. 86k erfasst ist, ist Absatz 3 allerdings entbehrlich. Wir sprechen uns für die Streichung aus.

 

Vorschlag:

Art. 86s Abs. 1 sollte wie folgt gefasst werden:

„(1)    Eine im Einklang mit den nationalen Bestimmungen zur Umsetzung dieser Richtlinie vorgenommene grenzüberschreitende Umwandlung bewirkt Folgendes:

  1. a) Der formwechselnde Rechtsträger besteht in der in dem Beschluss nach Art. 86i bestimmten Rechtsform weiter.
  2. b) Die Gesellschafter der Gesellschaft, die den Formwechsel vorgenommen hat, werden Gesellschafter der formgewechselten Gesellschaft, es sei denn, sie üben das Austrittsrecht nach Artikel 86j Abs. 2 aus.
  3. c) Der Ort des satzungsmäßigen Sitzes der formgewechselten Gesellschaft im Wegzugsmitgliedstaat kann Dritten entgegengehalten werden, bis die Gesellschaft, die den Formwechsel vornimmt, im Register des Wegzugsmitgliedstaats gelöscht ist, es sei denn, den Dritten war der satzungsmäßige Sitz im Zuzugsmitgliedstaat nachweislich bekannt oder hätte ihnen bekannt sein müssen.

(2)     Schreibt das Recht der Mitgliedstaaten im Falle des Formwechsels die Erfüllung besonderer Formalitäten vor, bevor der Formwechsel gegenüber Dritten wirksam wird, so werden diese Formalitäten von der formgewechselten Gesellschaft erfüllt.“

 

2. Grenzüberschreitende Verschmelzung

a) Art. 119 Nr. 2 d)

Wir begrüßen die Klarstellung.

 

b) Art. 120 Abs. 4

Hierzu verweisen wir auf oben 1. a) bb)

 

c) Art. 122

Geändert werden soll lit. i), hiernach soll auch der Errichtungsakt für die aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft im gemeinsamen Plan enthalten sein. Der Zweck der Neufassung bleibt jedoch unklar.

Bei einer Verschmelzung zur Aufnahme wird die Satzung der aufnehmenden Gesellschaft allenfalls geändert (z. B. infolge von Kapitalmaßnahmen zur Gewährung von Anteilen oder infolge einer Änderung der Firma). Eine komplett neue Satzung ist hingegen nur bei einer Verschmelzung zur Neugründung erforderlich. Schon nach bisherigem Recht schießt die Regelung über das Ziel hinaus, bläht den Verschmelzungsplan auf und belastet die Gesellschaft mit Übersetzungskosten, da die Satzung in die Amtssprache des Mitgliedstaats der übertragenden Gesellschaft übersetzt werden muss. Erforderlich wäre – jedenfalls im Fall der Verschmelzung zur Aufnahme – nur die Aufnahme der durch die Verschmelzung erforderlichen Satzungsänderungen.

Als Schutzzweck der bisherigen Regelung kann allenfalls die Information der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers angeführt werden. Dann aber müsste klargestellt werden, dass die Satzung des aufnehmenden Rechtsträgers unter Berücksichtigung der verschmelzungsbedingten Änderungen in den Verschmelzungsplan aufzunehmen ist. Dies lässt die bisherige Fassung nämlich offen.

Die neue Formulierung schafft mit dem Wort „Errichtungsakt“ keine Klarheit. Ist hier die bei Gründung des aufnehmenden Rechtsträgers festgestellte Satzung gemeint oder der Mantel der Gründungsurkunde (in angelsächsischer Diktion das „memorandum of association“)? Dieses kann Jahrzehnte zurückliegen. Welchen Informationswert diese Angabe haben soll, bleibt unerfindlich.

Zu Unterabsatz 2 wird auf 1. lit c) cc) verwiesen.

 

Vorschlag:

  • 122 lit. i) sollte wie folgt gefasst werden:

„i) den Gesellschaftsvertrag des aufnehmenden Rechtsträgers unter Berücksichtigung der verschmelzungsbedingten Änderungen;“

  • 122 Unterabsatz 2 sollten gestrichen werden.

 

d) Art. 122a

Das Aufgreifen unseres Vorschlags, eine buchhalterisch rückwirkende grenzüberschreitende Verschmelzung zu ermöglichen, wird naturgemäß begrüßt. Es bietet sich an klarzustellen, dass die Rückwirkung für Umsatzsteuerzwecke keine Auswirkungen hat.

 

e) Art. 123

Hierzu wird auf 1. lit. f) verwiesen.

 

f) Art. 124, 124a

Hierzu wird auf 1. lit. d) verwiesen.

 

g) Art. 126

Hierzu wird auf 1. lit. g) verwiesen. Es findet sich derselbe sinnentstellende Übersetzungsfehler. Ein Grund für die Änderung des bisherigen Art. 126 RL (EU) 2017/1132 ist nicht ersichtlich.

 

h) Art. 126a, 126b

Hierzu wird auf 1.lit. h) und i) verwiesen

 

i) Art. 127-128

Hierzu wird auf 1. lit. k) verwiesen.

 

j) Art. 131

Art. 131 Abs. 1 bzw. Abs. 2 der RL (EU) 2017/1132 bringen den Gedanken der rechtsgeschäftlichen Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung bereits in seit Jahrzehnten bewährter Weise zum Ausdruck. Dass „Verträge, Kredite, Rechte und Pflichten“ auch dann zu den Aktiva und Passiva gehören, wenn diese nicht bilanzierungsfähig bzw. -pflichtig sind, ist selbstverständlich. Wieder besteht die Gefahr des Umkehrschlusses: Geht denn beispielsweise das nicht erwähnte selbstgeschaffene und nicht bilanzierte geistige Eigentum nicht auf den übernehmenden oder neuen Rechtsträger über? Dieses Beispiel zeigt, dass der Gesetzgeber nicht zu ausführlich sein sollte.

 

Vorschlag:

Art. 131 Abs. 1 und Abs. 2 RL (EU) 2017/1132 sollten daher nicht geändert werden. Schon in der bisherigen Fassung des Art. 131 ist aber dessen Absatz 4 bereits als Selbstverständlichkeit entbehrlich und sollte anlässlich der Änderung gestrichen werden.

Es wird in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten höchstpersönliche Rechte geben, die nicht mit übergehen (z. B. evtl. eine Testamentsvollstreckung, die allerdings nach richtiger Ansicht wohl auch übergehen dürfte). Zulässig sind in den Grenzen der Kontrolle von AGB auch sog. „change-of-control-Klauseln“. Die Behandlung anhängiger Gerichtsverfahren bei Spaltungen (Übergang von Prozessrechtsverhältnissen) gehört z. B. zu den dogmatisch spannendsten Fragen in diesem Kontext.

Hier ist man mit der bisherigen Formulierung auch zurechtgekommen, die die Lösung dieser Fragen der Rechtswissenschaft und den Gerichten überlassen haben.

Ungeregelt bleiben im Richtlinienvorschlag allerdings die Rechte der in § 23 D-UmwG genannten Berechtigten, also von Gläubigern im „Zwischengeschoss“ zwischen Eigen- und Fremdkapital.

 

Vorschlag:

§ 23 D-UmwG sollte in den europäischen Regelungsrahmen übernommen werden.

 

3. Grenzüberschreitende Spaltung

Hier wiederholt sich der Gesetzestext. Auf die oben stehenden Ausführungen zu den Vorschriften über grenzüberschreitenden Formwechsel und grenzüberschreitende Verschmelzung kann daher verwiesen werden.

Zu folgenden Besonderheiten der grenzüberschreitenden Spaltung wird nachstehend zusätzlich Stellung genommen:

 

a) Spaltung zur Aufnahme sollte ermöglicht werden

 Nach Art. 160b Abs. 3 soll sowohl die Auf- als auch Abspaltung nur auf „neugegründete Gesellschaften“ möglich sein. Eine Spaltung zur Aufnahme (also auf eine bereits bestehende Gesellschaft) wäre damit ausgeschlossen. Das wäre jedoch aus unserer Sicht ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch zur Rechtslage bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, bei denen auch eine Verschmelzung zur Aufnahme erlaubt ist. Eine Gleichbehandlung ist aber geboten, weil die Spaltung das wesensgleiche Minus zur Verschmelzung (Teilverschmelzung) ist. Während bei einer Verschmelzung das gesamte Vermögen der Gesellschaft übergeht (vgl. Art. 131 Abs. 1 lit. a), geht bei einer Abspaltung nur ein Teil des Vermögens über (vgl. Art. 160u Abs. 1 lit. a). Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen diesen Umwandlungsarten dahingehend, dass bei der einen (Verschmelzung) eine Umwandlung zur Aufnahme möglich ist und bei der anderen (Spaltung) nicht, ist das allerdings nicht. Hinzuzufügen ist noch, dass die grenzüberschreitende Spaltung nach dem bisherigen Entwurf ihres Hauptanwendungsbereichs beraubt würde, da Spaltungen zur Neugründung in der Praxis selten sind.

Folglich sollte neben der grenzüberschreitenden Spaltung zur Neugründung auch die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme erlaubt werden. In diesem Fall muss insbesondere auch geregelt werden, dass die Anteilsinhaber der aufnehmenden Gesellschaft der Spaltung zustimmen müssen. Denn diese sind ebenso schutzbedürftig wie die Anteilsinhaber der aufnehmenden Gesellschaft bei einer Verschmelzung. Sie haben ein Recht, an dieser Entscheidung beteiligt zu werden. Es geht nicht nur um eine geschäftspolitische Maßnahme, sondern – jedenfalls bei Anteilsgewährung – um die Verwässerung der eigenen Beteiligung.

 

Vorschlag:

Auch die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme sollte ermöglicht werden. Insbesondere folgende Regelungen müssten angepasst werden:

  • In Art. 160b Abs. 3 lit. a und lit. b sollte jeweils hinter dem Wort „neugegründete“ die Wörter „oder bestehende“ eingefügt werden.
  • Analog zu Art. 126 Abs. 1 sollte Art. 160k Abs. 1 wie folgt gefasst werden:

„Nachdem die Gesellschafterversammlungen der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften gegebenenfalls von den Berichten nach den Artikeln 160g, 160h und 160i Kenntnis genommen haben, beschließen sie über die Zustimmung zu dem Plan für die grenzüberschreitende Spaltung.“

Zusätzlich sollte die Spaltung (in einer weiteren Richtlinie), auch die Möglichkeit der grenzüberschreitenden auf alle gewerblich tätigen Gesellschaften ausgedehnt werden.

 

 b) Spaltungsplan, Art. 160b Nr. 3, Art. 160e lit. b)

 aa) Anteilsgewährung

 Bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung will der Richtlinienvorschlag zu Recht in bestimmten Konstellationen mit Art. 119 Nr. 2 lit d) vom grundsätzlichen Erfordernis der Anteilsgewährung abweichen. Dieses Bedürfnis besteht auch bei einer grenzüberschreitenden Spaltung, etwa in Form der Übertragung von Aktiva und Passiva von der Muttergesellschaft auf ihre 100%ige ausländische Tochtergesellschaft. Art. 160e Abs. 1 lit. b) spricht hier für eine (wirtschaftlich sinnlose) Anteilsgewährungspflicht.

Art. 160e lit. p) enthält allerdings das hoffnungsfroh stimmende Wort „gegebenenfalls“ („where appropriate“). Damit könnte allerdings nur der Fall gemeint sein, dass ein Zuteilungsmaßstab dann nicht erforderlich ist, wenn die übertragende Gesellschaft im Alleinbesitz eines Gesellschafters steht. Damit wäre der Rechtspraxis nicht geholfen.

 

Vorschlag:  

Soweit nach dem für innerstaatliche Spaltungen geltenden Recht der Mitgliedstaaten Ausnahmen von der Anteilsgewährungspflicht bestehen, gelten diese auch für grenzüberschreitende Spaltungen.

 

bb) Vergessene Aktiva und Passiva

Art. 160b Nr. 3 greift unnötig in die Vertragsfreiheit ein. Hier sollte zumindest bestimmt werden, dass im Spaltungsplan ein anderer Aufteilungsmaßstab bestimmt werden kann. Die Gläubiger der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften werden hierbei über Art. 160m ausreichend geschützt (dazu sogleich).

 

Vorschlag:

Der Punkt am Ende der § 160b Nr. 3 sollte durch ein Komma ersetzt werden und dort in einem folgenden Absatz Folgendes angefügt werden: „ein im Plan bestimmter anderer Aufteilungsmaßstab bleibt unberührt“.

 

c) Zustimmungsbeschluss Art. 160k

Die Europäische Kommission scheint davon auszugehen, dass nur die eine Spaltung vornehmende Gesellschaft einen Spaltungsbeschluss fasst. Das mag für eine Spaltung zur Neugründung angehen, nicht jedoch bei einer Spaltung zur Aufnahme. Die Spaltung ist das wesensgleiche minus zur Verschmelzung (Teilverschmelzung). Die Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft sind ebenso schutzbedürftig wie die Anteilsinhaber der aufnehmenden Gesellschaft bei einer Verschmelzung. Sie haben ein Recht, an dieser Entscheidung beteiligt zu werden. Es geht nicht nur um eine geschäftspolitische Maßnahme, sondern – jedenfalls bei Anteilsgewährung – um die Verwässerung der eigenen Beteiligung.

 

Vorschlag:

Analog zu Art. 126 Abs. 1 sollte Art. 160k Abs. 1 daher wie folgt gefasst werden:

„Nachdem die Gesellschafterversammlungen der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften gegebenenfalls von den Berichten nach den Artikeln 160g, 160h und 160i Kenntnis genommen haben, beschließen sie über die Zustimmung zu dem Plan für die grenzüberschreitende Spaltung.“

 

Während § 126 Abs. 1 RL (EU) 2017/1132 eine Pflicht zur Unterrichtung der für die Erteilung der Vorabbescheinigung zuständigen Behörde vom Zustimmungsbeschluss zu Recht nicht regelt (dazu oben 1. lit. h), enthält Art. 160k Abs. 1 Satz 2 diese Regelung wieder. Dies ist hier nicht nur entbehrlich, sondern, falls Satz 1 wie vorgeschlagen gefasst würde, schädlich. Da beide Gesellschaften zustimmen müssen, würde dies bedeuten, dass auch die Gesellschaft im Aufnahmestaat der Behörde des Staates der übertragenden Gesellschaft ihren Beschluss vorlegen muss. Dies widerspricht der Abgrenzung der Prüfungszuständigkeit.

 

d) Gläubigerschutz, Art. 160m

Gerade bei Dauerschuldverhältnissen ist fraglich, ob das Konzept eines punktuell auf die Umwandlungsmaßnahme hin ausgerichteten Gläubigerschutzes ausreichend ist. Für die Verschmelzung und in gewissem Sinne auch für den Formwechsel lässt sich hierfür anführen, dass mit Vollzug dieser Maßnahmen ein Rechtsträger erlischt und somit nicht mehr als Haftungsschuldner zur Verfügung steht.

Im Fall der Spaltung ordnen die §§ 133, 134 D-UmwG daher eine Nachhaftung aller an der Spaltung beteiligten Rechtsträger an. Rechtspolitisch scheint dieses Konzept sinnvoll. Fraglich ist, ob Art. 160m ein solches Nachhaftungskonzept bei grenzüberschreitenden Spaltungen mit deutscher Beteiligung ausschließt. Das sollte nicht sein. Vielmehr erscheint eine Übertragung dieser Regelungen in den europäischen Kontext erwägenswert, mindestens die Ermächtigung an die Mitgliedstaaten, weitergehende Gläubigerschutzvorschriften für inländische Spaltungen auch bei grenzüberschreitenden anzuwenden.

 

Vorschlag:

Die Regelungen der §§ 133, 134 D-UmwG sollten bei der Spaltung nachgebildet werden.

 

C. Sprache und Kontext

Ludwig Wittgenstein hat in seinen 1953 posthum erschienen “Philosophischen Untersuchungen” geschrieben: „Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes “Bedeutung” – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.” [28]

Wer Sprache verwendet, muss sich dessen bewusst sein, dass der Empfänger der damit transportierten Botschaft das Transportmittel, also die Wörter, in einen bestimmten Kontext stellt. Dieser Kontext ist von seiner Sozialisation bestimmt, also von dem Kontext, in dem er diese Wörter kennen gelernt hat.

Ein Beispiel dafür, welche Assoziationen unbedacht gewählte Formulierungen oder Übersetzungen hervorrufen können, ist der textidentische Anfang der Begründung beider Richtlinienentwürfe:

„Die Wirtschaft der EU braucht gesunde, florierende Unternehmen, die im Binnenmarkt ungehindert arbeiten können.“

Jenseits seiner Bedeutung als Beschreibung eines erstrebenswerten Zustands von Menschen, Tieren und Pflanzen hat das Wort „gesund“ gerade im rechtsradikalen Sprachgebrauch einen übertragenen Sinn erhalten. „Gesundes Volksempfinden“ ist nur ein Beispiel aus dem Wörterbuch des Unmenschen hierfür. Zudem denkt man mit „gesund“ in dieser übertragenen Bedeutung immer auch sein abwertendes Gegenteil „ungesund“ oder „entartet“ mit.

In diesem Kontext ist der erste Satz der Begründung für einen sich den Schrecken seiner Geschichte bewussten deutschen Leser mehr als irritierend. Damit wird der Sprechende, hier die Europäische Kommission in ein vollkommen falsches Licht gerückt. Würde man das englische „healthy“ mit „wirtschaftlich stark“ übersetzen, wäre alles gut.

Kurz gesagt: ein Deutscher, für den die Europäische Union die Institution gewordene Verkörperung des Satzes „Nie wieder Ausschwitz!“ ist, täte sich mit der Europäischen Kommission erheblich leichter, würde diese mehr sprachliche Sensibilität an den Tag legen.[29]

 

Druckversion

 

Fußnoten:

[1] Verordnung (EWG) Nr. 1677/88, mittlerweile aufgehoben.

[2] Bei aller Kritik an der DSGVO wird übersehen, dass hierdurch die europäische IT-Industrie zu Lasten der Wettbewerber aus den USA massiv gefördert wird, was z. B. die Verlagerung von Cloud-Lösungen in die EU-Mitgliedstaaten schon jetzt zeigt. Natürlich kann die Europäische Kommission dies nicht groß kommunizieren.

[3] Welt v. 19.04.2018, „Wie eine EU-Verordnung kleinen Vereinen das Leben schwermacht“.

[4] Siehe u. a. FAZ v. 29.05.2018, „Was der neue Datenschutz angerichtet hat“; FOCUS v. 2.05.2018, „Die ersten Tage mit der DSGVO“.

[5] Vgl. die Begründung des Nobelkomitees bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union.

[6] Derzeit liegt das Problem auf technischer Seite in fehlender Vernetzung und fehlender einheitlicher IT-Strukturen. Im Koalitionsvertrag ist jedoch vereinbart, dass zentrale und dezentrale Verwaltungsportale miteinander vernetzt werden sollen (S. 12, Zeile 357 und S. 129, Zeilen 6083).

[7] Sie besteht ab Errichtung (d. h. mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags) lediglich als Vorgesellschaft oder auch Vor-GmbH (vgl. statt vieler Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rn. 3)

[8] Süß in Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 20 Rn. 123.

[9] Teichmann, GmbHR 2018, 1, 10.

[10] Siehe etwa für das Vereinigte Königreich Süß in Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 20 Rn. 61 ff.

[11] Mit Ausnahme von Einpersonengründungen (§ 180 S. 1 BGB).

[12] Hierzu und zum Folgenden Benjamin Glunz, Psychologische Effekte beim gerichtlichen Einsatz von Videotechnik, Tübingen 2012.

[13] Glunz, Videotechnik, S. 93-97, 99-100.

[14] Glunz, Videotechnik, S. 120-122, 235-126, 131, 133, 136-140.

[15] Glunz, Videotechnik, S. 58-59, 144-154, 183-186, 189-195, 202-203, 204-206.

[16] So das Sixth Amendment zur US-Verfassung. Die entsprechende Bestimmung lautet: „In all criminal prosecutions the accused shall enjoy the right … to be confronted with the witnesses against him …“.

[17] Siehe nur Knaier, GmbHR 2018 560, 567; J. Schmidt, DK 2018, 229, 230; Noack, DB 2018, 1324 zur vergleichbaren Formulierung im Entwurf zu grenzüberschreitenden Umwandlungen.

[18] Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 15 Rn. 1.

[19] 2017/0086 (COD) v. 15.06.2018.

[20] DER SPIEGEL 14/1987 vom 30.03.1987

[21] Vgl. OLG München vom 29.05.2012 − 31 Wx 188/12, NZG 2012, 739.

[22] EuGH v. 12.9.2006, Rs. C-196/04, Tz. 55.

[23] Bemerkenswert ist auch, wie Noack/Kraft, DB 2018, 1577-1582, 1580 sich der Aufgabe einer Definition schlicht verweigern (u.E. zu Recht).

[24] Nach einem nationalen Umstrukturierungsfall des Berichterstatters.

[25] Abrufbar unter http://www.dnotv.de/stellungnahmen/praxisprobleme-bei-grenzueberschreitenden-verschmelzungen-und-spaltungen/.

[26] Siehe zur Verwendung des Begriffs des Formwechsels statt der grenzüberschreitenden Umwandlung oben unter I.1.

[27] Stellungnahme vom 30.06.2017 Seite 3 f. (abrufbar unter http://www.dnotv.de/stellungnahmen/praxisprobleme-bei-grenzueberschreitenden-verschmelzungen-und-spaltungen/).

[28]             Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Abschnitt 43,

[29]             Das ist zugleich das Anliegen des Romans „Die Hauptstadt“ von Robert Menasse.

Aktuelles

Aktuelle Informationen zum weiteren Themen

Nachrichten

Nachrichten

Pressemitteilungen

Pressemitteilungen

Stellungnahmen

Stellungnahmen