Referentenentwurf eines Mietrechtsanpassungsgesetzes – MietAnpG

Stellungnahme vom 09.08.2018

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum o. g. Referentenentwurf (nachstehend der „Entwurf“).

Als Berufsverband überraschte uns die Anfrage, denn der äußere Schein spricht für nur wenige Berührungspunkte zwischen der Notartätigkeit und dem Mietrecht. Mit Recht scheint man aber im BMJV der Auffassung zu sein, dass das nicht zutrifft. Tatsächlich spielt das Mietrecht, insbesondere Fragen des Mietervorkaufsrechts, der Überleitung von Verträgen, von Mietanpassungen und Kündigungsschutz in jeden Kauf- oder Schenkungsvertrag über vermietete Räume hinein. In der Beurkundungspraxis gestalten wir Verträge, in denen kinderlose Senioren ihre Immobilie verkaufen und lebenslang zurückmieten. Diese Fälle, werden seit einigen Jahren häufiger. Die Zinssituation führt weiter zu Mietkaufverträgen oder zum Erwerb zur Ergänzung der privaten Altersvorsorge. Schließlich begegnen wir auch dem Verkauf vermieteter Wohn- und Gewerbeimmobilien durch Projektentwickler an Investoren, wird doch hier der Sache nach der Mietvertrag und das in ihm liegende Ertragspotential veräußert.

Wir dürfen nur auf einen Aspekt hinweisen, einen Gesichtspunkt, der die bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossene und als wenig effektiv beurteilte Mietpreisbremse betrifft: Dieser Aspekt stammt aus der ökonomischen Analyse des Rechts. Wir fragen, welche Anreize der jetzige und künftige Rechtsrahmen für Vermieter liefert, sich bei Mieterhöhungen zurückzuhalten.

Es könnte sein, dass sowohl das geltende als auch erst recht das geplante Recht Fehlanreize dahingehend schaffen, den gesetzlichen Rahmen für Mietanpassungen bis zum letzten Eurocent auszunutzen. Die Mietpreisbremse könnte sich als Brandbeschleuniger erweisen bzw. dieser Effekt ist evtl. bereits eingetreten.

Hierfür ein Beispiel, das in der notariellen Praxis nicht selten ist, allen Polarisierungen in den Verlautbarungen der Verbände der Mieter und der Vermieter zum Trotz, in denen es offenbar nur gierige und geizige Vermieter einerseits und zahlungsunwillige Mieter mit ausgeprägter Anspruchshaltung andererseits gibt.

Beispiel:

Die hochbetagten Eltern E schenken ihrer Tochter V eine vermietete Zwei-Zimmer-Altbauwohnung (50 m²) in einer Großstadt. V ist alleinerziehend, voll berufstätig und nicht rechtsschutzversichert. Für V ist die Miete aus dieser Wohnung ein Teil der Altersversorgung, da wegen Kinderbetreuung samt Karriereknick ihre gesetzliche Rente mager ausfallen wird. Die Wohnung ist an die Sozialrentnerin M zum Preis von 4 Euro/m² mtl. vermietet. Die ortsübliche Miete liegt bei 10 Euro/m² mtl. M könnte diesen Betrag nie bezahlen. Da M seit Jahrzehnten im Haus wohnt und das Verhältnis auch zu V sehr gut ist, wurde die Miete nie erhöht und soll eigentlich auch nicht erhöht werden.

V fragt den beurkundenden Notar, was sie tun kann, damit die Wohnung einen nennenswerten Beitrag zu ihrer Rente leistet.

Jeder Berater wird mit V folgendes Szenario erörtern: M verstirbt. V würde die Wohnung angemessen renovieren (keine Luxussanierung) und mit einem Preis von 11 Euro/m² mtl. nach Mietern suchen. M müsste die Vormiete nennen, würde sich aber darauf berufen, dass die neue Miete nur um 10 % über der ortsüblichen Miete läge. Der neue Mieter würde warten, bis er die Schlüssel hat und dann die Miethöhe ohne Begründungszwang rügen. V hätte die volle Beweislast dafür, wie hoch die ortsübliche Miete ist. Selbst bei Vorhandensein eines qualifizierten Mietspiegels könnte man endlos über Ausstattungsmerkmale streiten. Beliebt sind auch Streitigkeiten über die Mietfläche. Selbst mit Rechtsschutzversicherung täte sich V schwer, einen qualifizierten Mietrechtsanwalt zu finden, der nur zu den Sätzen des RVG arbeitet. V kann sich angesichts ihrer familiären Situation, ihrer Berufstätigkeit und der Kosten der Rechtsverfolgung einen Rechtsstreit mit den neuen Mietern daher nicht leisten. Sie wird also nachgeben, obwohl sie im Recht ist. V ist eben kein großes Wohnungsunternehmen, das angesichts seines eigenen Wohnungsbestandes und einer professionellen Verwaltung auf ganz andere Ressourcen zurückgreifen könnte.

Man müsste V daher eigentlich empfehlen, sofort mit Mieterhöhungen jeweils unter Ausnutzung der Kappungsgrenze zu beginnen. So würde man sich in 15-Monats-Trippelschritten an eine Miete von 8 bis 9 Euro „heranpirschen“, gerade noch so hoch, dass ein durchschnittlicher Mietrechtsanwalt der M von rechtlichen Schritten abrät. Eine Modernisierung zum Zwecke der Mieterhöhung oder gar eine Luxussanierung ist für den Normalbürger als Vermieter nicht ratsam, da diese aufgrund der teilweise komplizierten Rechtslage zu aufwendig und zu teuer ist.

Nur: M kann sich diese maßvoll erhöhte Miete irgendwann nicht mehr leisten und zieht aus. V beauftragt dann – nach der Reform auf ihre Kosten – einen Makler mit der Neuvermietung, da sie weder Zeit noch Expertise hat, Mietinteressenten auf Bonität und Solidität zu überprüfen. Die Maklerkosten wird sie in die Miete einpreisen, zu der sie die Wohnung anbietet. Bei einer 2-Zimmer-Wohnung muss sie mit einem Mieterwechsel alle drei bis vier Jahre rechnen. In dieser Zeit muss sich auch die Maklercourtage amortisiert haben. Bei 2-Monatsmieten Courtage (= 1.309 Euro brutto) bedeutet das auf vier Jahre umgelegt 27,27 Euro pro Monat, d. h. fast 5 % der Miete von 550 Euro pro Monat (bei einer Miete von 11 Euro/m2).

Dieses Szenario ist aus unserer Sicht kein Einzelfall. So erfuhren wir beispielsweise, dass in Wohnungsunternehmen Sonderkonditionen für Mitarbeiter oder aus sozialen Aspekten gewährte Sonderkonditionen wegfallen. Ziel ist stets eine höhere Basismiete, zur „Belohnung“ wird „guten“ Mietern mittlerweile eher ein Zusatzvorteil (z. B. eine neue Küche) gewährt.

Vermutlich haben sowohl die Mietpreisbremse als auch das Bestellerprinzip im Maklerrecht bereits dazu geführt, dass Vermieter vom Instrument des Mieterhöhungsverlangens im Altbestand verstärkt Gebrauch machen und bei Neuvermietung an die obere Grenze des Vertretbaren gehen. Das führt zu steigenden Mieten sowohl im Alt- als auch im Neubestand. Nach gewisser Zeit macht sich ein fataler Basiseffekt im statistischen Material der Mietspiegel bemerkbar. Wahrscheinlich wird die geringe Effizienz der Mietpreisbremse deshalb gerade jetzt bemängelt, weil dieser Basiseffekt nach vier Jahren erstmals messbar wird.

Dieser Anreiz für Vermieter gilt nicht nur für die Gebiete, in denen die Mietpreisbremse gilt. Jeder Vermieter muss Vorsorge für den Fall treffen, dass seine Wohnung in ein solches Gebiet einbezogen wird – gerade in Wahlkampfzeiten. Daher gilt die Devise: „Nimm, was Du kriegen kannst“. Das ist Gift für das soziale Miteinander von Mietern und Vermietern, das es im Schatten der gigantischen Wohnungskonglomerate durchaus noch gibt.

Ein steuerliches Problem kommt hinzu. Wer weniger als 66 % der ortsüblichen Marktmiete verlangt, kann Werbungskosten nur noch für den entgeltlichen Teil steuerlich geltend machen, § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG. Der Haus- und Grundbesitzerverein München hat unlängst auf ein Schreiben des Finanzamts München an Vermieter hingewiesen, in denen zu niedrige Mieten als Begründung für die Versagung eines vollen Werbungskostenabzugs herangezogen wurden. Schon aus diesem Grund muss man im Beispiel V dringend zu einem Mieterhöhungsverlangen raten.

Im Ergebnis zwingt bereits die derzeitige und erst recht die künftige Rechtslage jeden Berater eines Vermieters dazu, ihm zu Mieterhöhungen und Modernisierungen zu raten, ohne Rücksicht auf die Lage des Mieters. Gerecht ist das nicht.

Wir regen daher folgende Punkte an:

(1) Die ökonomischen Folgen der Mietpreisbremse, insbesondere die durch sie induzierten Fehlanreize im Altbestand, erscheinen aus unserer Sicht nicht hinreichend erforscht.[1] Neben der Beauftragung einer entsprechenden Studie wäre beispielsweise auch die Ausschreibung eines akademischen Wettbewerbs mit einem Preis für die beste volkswirtschaftliche Arbeit denkbar. Idealerweise könnte die Politik auf Grundlage valider empirischer Erkenntnisse zielgenauer handeln.

(2) Jedenfalls übergangsweise könnte überlegt werden, die Mietpreisbremse samt Rügerecht ohne Substantiierungszwang nicht anzuwenden, wenn die Miete vor Vertragsschluss eine gewisse Mindestzeit (z. B. fünf Jahre) unverändert geblieben ist. Insofern könnte soziales Verhalten der Vermieter prämiert werden.

(3) Weiter könnte darüber nachgedacht werden, Fehlanreize des § 21 Abs. 2 EStG zu beseitigen. Denkbar wäre insoweit etwa, dass die Norm nur dann anwendbar ist, wenn Vermieter und Mieter Angehörige i. S. d. § 15 AO sind.

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Fußnoten:

[1] So nehmen beispielsweise die Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Instituts der Deutschen Wirtschaft im Wesentlichen die Preisentwicklung von Neuvertragsmieten in den Blick.

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